Quito.
Für heute haben wir uns an unserer Schule zu einem Ausflug angemeldet, der uns zum Mitad del Mundo führen soll, dem gleich außerhalb der Stadt gelegenen Mittelpunkt der Welt direkt am Äquator. Nach dem Unterricht treffen wir uns mit weiteren Sprachschülern: einer jungen Deutschen und einem älteren kanadischen Ehepaar. Begleitet werden wir von dem knurrigen alten Mario, den wir bislang für den Hausmeister gehalten haben, der aber hier scheinbar für alle möglichen Aufgaben zuständig ist.
In zwei gut gefüllten Linienbussen absolvieren wir die mehr als einstündige Anfahrt, die uns zu einem Spottpreis – hin und zurück pro Person 1,30 Dollar – durch die langgestreckten Vorstädte Quitos nordwärts bis in den Vorort San Antonio de Pichincha bringt: Hier haben französische Geografen schon 1736 umfangreiche Messungen durchgeführt und dann den Verlauf des Äquators bestimmt. Der Begriff Äquator, erfahren wir bei dieser Gelegenheit, wurde von diesen französischen Wissenschaftlern geprägt: Gleiche Erde bedeutet dieses Wort in etwa, das später zum Landesnamen des unabhängig gewordenen Ecuador wurde. Das an jener Stelle vor noch nicht einmal 40 Jahren errichtete Denkmal steht exakt an dieser Stelle. Neuere GPS-gestützte Ergebnisse haben jedoch gezeigt, dass sich die Franzosen damals um 240 Meter verrechnet haben: Der wahre Verlauf des Äquators liegt weiter nördlich. Genau dort hat sich mittlerweile das Museo Intiñan angesiedelt, zu dem uns Mario geleitet.
Indianisches Flair im Museo Intiñan
Auf dem Gelände bekommen wir dann wesentlich mehr geboten als nur das Gefühl, einmal genau auf dem Äquator zu stehen. Bei einer englischsprachigen Führung wird uns zunächst Wissenswertes über die Kultur und Lebensweise einiger indigener Stämme im ecuadorianischen Amazonasgebiet erläutert. Unter anderem bringt uns die Führerin das Gruseln bei, als sie erklärt, wie die rivalisierenden Stämme noch vor 150 Jahren ihre Feinde getötet und zu Schrumpfköpfen verarbeitet haben, die sie dann als Trophäen mit sich trugen.

Zwei Stämme im Südosten des Landes verweigern bis heute jeden Kontakt zur sogenannten Zivilisation, während andere Gruppen wie die im nordöstlichen Tiefland lebenden Wuaorani inzwischen den Tourismus als Chance zum Geldverdienen begriffen und akzeptiert haben.

Wir werden in die rekonstruierte Lehmhütte einer uralt gewordenen Ureinwohnerin geführt, lassen uns erklären, dass die in einem Gehege umherlaufenden possierlichen Meerschweinchen hier keine Haustiere, sondern potentielle Sonntagsbraten sind und spazieren auf dem Freigelände durch Repliken indianischer Schnitz- und Modellierkunst.

Schließlich sind wir aber doch an der Stelle, wegen der wir eigentlich hierhergefahren sind: Der im Pflaster rot hervorgehobene Verlauf des Äquators ist der wahre Grund unserer Anwesenheit. Man muss zugeben, die Museumsmacher haben sich da einiges einfallen lassen: Natürlich gibt es Schilder und Markierungen, an denen sich schöne Erinnerungsfotos knipsen lassen.

Aber daneben sind auch verschiedene Stationen aufgebaut, die die physikalischen Besonderheiten des Äquators anschaulich machen sollen. Manches ist eher Spielerei: Dass das Wasser auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel dagegen im Uhrzeigersinn den Abfluss eines Waschbeckens hinuntergurgelt, ist allem Anschein nach ein Taschenspielertrick, was sogar unsere Führerin andeutet. Anderes dagegen ist äußerst erstaunlich: Direkt auf dem Äquator entwickelt man kaum Kräfte, die nach oben wirken – zusammengeballte Hände sind dadurch leicht nach unten zu drücken. Auch die Schwierigkeit, auf dem Äquator mit geschlossenen Augen geradeaus zu laufen, sieht nicht nach Fake aus.

Wahr ist auch, dass Ecuador eines der führenden Kakao produzierenden Länder der Erde ist. Eine kleine Beschreibung der Kakaoherstellung mit anschließender Verkostung begeistert alle Anwesenden und verleitet auch uns dazu, eine Tafel der köstlichen ecuadorianischen Schokolade zu kaufen.

Bevor wir den Rückweg in die Stadt antreten, kommen wir noch an zwei bemerkenswerten Punkten vorbei. Zum einen ist das natürlich der „alte“ Mitad del Mundo, um den herum ein ganzes Museumsdorf errichtet wurde. Den Eintritt für diese Anlage erspart uns Mario, ein Erinnerungsfoto vom falsch gesetzten Denkmal genügt.

Gleich nebenan prunkt ein in moderner Architektur errichteter repräsentativer Bau mit unregelmäßiger kubistischer Fassade: Hier hat das Generalsekretariat der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) seinen Sitz. Diese seit 2008 bestehende Organisation hat sich die Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zum Ziel gesetzt. Mit der Mitte der Welt hat sie sich zumindest schon mal einen sehr klangvollen Verwaltungssitz ausgesucht…

Ihr habt hoffentlich kein Meerschweinchen gegessen 😦
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Schön, es ist echt interessant. denBlog zu lesen. Weiter so! LG
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TT-Mannschaft hat Bronze bei Olympia. Grüße von Franz und Hedwig…. Passt auf Euch auf! LG Mama und Papa
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Wow, wir sind jetzt schon neidisch und freuen uns schon darauf, zumindest als „Beisitzer“ mal auf Weltreise gehen zu können. Viel Spaß weite und nicht vergessen: bloggen, bloggen, bloggen!
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Macht Spaß Eure Erlebnisse zu lesen – und man lernt auch noch dabei. Ich werde das interessante Treiben weiterhin verfolgen. Alles Gute!
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Vielen Dank für die lieben Kommentare! Sie bestärken uns, weiter dranzubleiben – immer wenn wir was Neues zu berichten haben. Heute Abend sollte es wieder soweit sein!
@Cindy: Nee, haben wir nicht gegessen. Aber schauen wir mal, was noch kommt… in Peru ist das ja noch mehr ein Nationalgericht…!
Bis bald!
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Ich bin begeistert kann dadurch noch was lernen.
Dein Bericht liest sich wie ein gutes Buch.
Xaver und Ich werden euch weiter verfolgen.
ganz Herzliche Grüße aus dem Allgäu senden
XAVER und ELKE
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Freut uns! Macht uns auch Spaß, den Blog zu schreiben, weil es wirklich viel Interessantes zu entdecken gibt! Und es ist schön, das mit anderen zu teilen!
Liebe Grüße zurück von
Jana und Wolfgang
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