Quito.
In der Sprachschule werden verschiedene Ausflüge angeboten. Der dafür zuständige Reiseleiter Washington rührt kräftig die Werbetrommel; die weiter entfernten Ziele am Wochenende kommen für uns aber eh nicht in Frage, weil wir Quito am Samstagmorgen verlassen werden. Dafür haben wir uns schnell entschieden, die abendliche Rundfahrt Quito bei Nacht mitzumachen, die am Donnerstagabend stattfindet.
Das heißt, dass wir an diesem Tag nicht am Abendessen in der Familie teilnehmen können. Darüber wollen wir unsere Gastgeber rechtzeitig informieren – und erfahren bei dieser Gelegenheit, dass Washington der jüngste von zwölf Geschwistern von Großmutter Cecilia ist. Also, die Jobs, die rund um die Schule zu vergeben sind, bleiben nach Möglichkeit in der Familie…
Auch der Taxifahrer, der uns daheim mit einem Mini-Van abholt und danach noch andere Tourteilnehmer einsammelt, ist kein Fremder, sondern der Nachbar von Washingtons Mutter. Er hat zwei Söhne mit dabei: Einen Halbwüchsigen, der beim Ein- und Aussteigen die Tür aufhält, und den siebenjährigen Francisco, der fröhlich und unbefangen den Kontakt zu den Touristen sucht und an den Stopps seine eigenen Geschichten zu den Sehenswürdigkeiten erzählt.

Wir beginnen die Fahrt in der einsetzenden Dämmerung gegen 18 Uhr an der Basílica del Voto Nacional, von deren Turm wir vor zwei Tagen ja schon eine herrliche Aussicht über die Stadt genossen haben. Washington will mit uns aber nicht hinaufsteigen, er erläutert uns stattdessen einige Details an der Außenfassade, die wir bei unserem ersten Besuch gar nicht wahrgenommen haben. Speziell geht er auf die Ungeheuer ein, die an den Brüstungen der Fassade angebracht sind. Sind es in Europa traditionell Drachen, so werden hier Tiere des Dschungels, wie Krokodile oder Affen, dargestellt.

Anschließend führt die Tour über die engen und steilen Straßen Quitos hinauf in die höher gelegenen Stadtviertel, in denen die kleinen Leute wohnen. Dort gibt es eine Reihe von tollen Aussichtspunkten, von wo aus wir die langsam in der Dunkelheit versinkende, dafür aber in nächtlichen Lichtglanz eintauchende ecuadorianische Hauptstadt in ihren beeindruckenden Ausmaßen bewundern können.

Hier oben wird anschaulich, warum Quito den Beinamen Banana trägt: Die Stadt zieht sich mit ihren Vororten sage und schreibe 48 Kilometer lang durch das im Durchschnitt neun bis zehn Kilometer breite, geschwungene Tal. Den besten Blick überhaupt genießen wir, als wir auf das Flachdach eines Hauses steigen dürfen, das einem Freund von Washington gehört. Selbst die Fotografen von Magazinen waren schon bei ihm zu Gast, um die optimale, von keinen Stromleitungen oder Baumwipfeln beeinträchtigte Panoramaansicht festzuhalten.

Ein kleiner Imbissladen, von einer alten Frau betrieben und im Viertel angeblich sehr beliebt, ist Ziel für einen Zwischenhalt. Washington will uns nämlich Gelegenheit geben, ein traditionelles Gericht aus den Andendörfern zu probieren: Tripa mishki nennt sich das gut gewürzte und gegrillte Etwas von der Kuh, das sich als Darm herausstellt. Schon etwas gewöhnungsbedürftig… – nicht alle aus unserer Gruppe können sich dazu überwinden, einen Bissen zu nehmen. Unser Erfahrungsbericht: Muss kein zweites Mal sein, ist geschmacklich zwar okay, aber zäher als jeder Kaugummi. Entfernt erinnert die Konsistenz an Tintenfischringe.

Nach diesem kulinarischen Kurzausflug wenden wir uns wieder unstrittigeren Attraktionen Quitos zu. Die Fahrt geht in Richtung Plaza Grande. Hier waren wir zwar tagsüber auch schon mal, doch nachts entfalten die effektvoll beleuchteten Fassaden der prächtigen Bauwerke einen ganz besonderen Charme.

Eine Neuentdeckung für uns sind die wunderschönen Innenhöfe der ehemaligen Erzbischöflichen Residenz, die heute von gehobenen Restaurants und Cafés genutzt werden und ein äußerst stilvolles Ambiente bieten.

Natürlicher Schluss- und Höhepunkt der Runde ist die Fahrt hinauf zum Panecillo. Der Hausberg Quitos erhebt sich etwa 200 Meter über dem Stadtzentrum und ist damit mit mehr als 3.000 Metern höher als die Zugspitze. Auf seinem höchsten Punkt befindet sich seit 1976 die 45 hohe Statue Virgen de Quito, die die biblische Figur der Frau der Apokalypse darstellen soll. Von hier aus gibt es zum einen die Möglichkeit, auch die sich noch unermesslich weit hinziehenden südlichen Stadtteile zu betrachten. Zahlreiche Imbiss- und Getränkestände bieten den auch zur Abendstunde noch recht zahlreichen Ausflüglern außerdem die Gelegenheit, sich zu stärken. Bei höchstens noch 10° C kommt bei uns angesichts der Holzbuden und des punschähnlichen Mixgetränks Canelazo beinahe so etwas wie Weihnachtsmarktfeeling auf…

Die prächtige Fassade der Iglesia de la Compañía de Jesús, der von den Jesuiten im 17./18. Jahrhundert errichteten Barockkirche im Herzen der Stadt, haben wir bei unserem Streifzug durchs abendliche Quito schon bewundert. Da sie von vielen als eine der schönsten Kirchen in ganz Südamerika bezeichnet wird, wollen wir sie aber auch noch von innen kennenlernen. Der nächste Nachmittag bietet die Gelegenheit dazu.

Und tatsächlich überwältigt der verschwenderische Dekor und das überirdisch glänzende Blattgold den Besucher, sobald er das Innere der La Compañía betreten hat. Die Jesuiten hatten einen einleuchtenden Plan: Mit der prunkvollen Ausstattung wollten sie die Einheimischen, die häufig noch ihren Stammesreligionen angehörten, von der Macht und der Herrlichkeit des Christentums überzeugen.

Eine letzte Runde drehen wir durch Quitos stimmungsvolle Straßen, schauen noch einmal den Schuhputzern auf der Plaza Grande bei ihrer Arbeit zu, hören die Polizistinnen auf ihren Pfeifen trillern, um Straßenhändler zu vertreiben (es ist ein Katz-und-Maus-Spiel) und kehren noch einmal in unser Zimmer im Haus von Familie Basantes zurück.

Dort heißt es heute Abend Abschied zu nehmen von Oma Cecilia, Mutter Erika und Tochter Brittany, aber auch von Raphael, dem freundlichen Abiturienten aus Berlin, der noch eine Woche hier in Quito bleiben wird. Morgen früh um acht Uhr steht das Taxi vor der Tür; es wird uns zum Busbahnhof bringen, und von dort soll es dann weitergehen in die beschauliche Kleinstadt Otavalo, zwei Stunden nördlich gelegen. In die nächste Gastfamilie, zu einer weiteren Woche Spanisch-Kurs…
Es ist so schön, eure Beiträge mit verfolgen zu dürfen. Wir sitzen hier mit Oma, die genauso staunt. Die Stadt erinnert uns etwas an La Paz bei Nacht. Liebe Grüße
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Tolle Bilder von Quito bei Nacht! Es liest sich alles wie in einem Reiseführer, wir freuen uns immer auf deinen nächsten Blog.
Viele Grüße!
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Tolle Bilder von Quito bei Nacht! Es liest sich alles wie in einem Reiseführer, wir freuen uns immer auf deinen nächsten Blog.
Viele Grüße!
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