Guayaquil.

Nach dem letzten Frühstück in dem gemütlichen Dachterrassen-Café unseres Hostels in Baños bleibt uns noch reichlich Zeit zum Packen. So gegen halb zwölf verlassen wir das „Chimenea“, in dem es uns richtig gut gefallen hat, und laufen etwa eine Viertelstunde durch das Städtchen bis zum Busbahnhof.

Gemütlich: Dachterrassen-Café im Hostel Chimenea
Gemütlich: Dachterrassen-Café im Hostel Chimenea

Die Tickets für die Fahrt nach Guayaquil haben wir schon am Sonntag gekauft; dabei haben wir die Abfahrtzeiten und die Fahrtdauer verschiedener Gesellschaften verglichen und uns dann für eine mit 10 Dollar etwas teurere, aber dafür um eine Stunde schnellere Expressverbindung entschieden. Der Bus ist topmodern, bietet mehr Beinfreiheit und ist nicht mal ganz zur Hälfte voll – die Mehrzahl der Passagiere sind wie wir Touristen, die Einheimischen nehmen wohl eher eine längere Fahrzeit für einen niedrigeren Preis in Kauf.

Mit dem Expressbus durchqueren wir die Anden
Mit dem Expressbus durchqueren wir die Anden

So gegen halb eins setzt sich unser Gefährt in Bewegung; sechseinhalb Stunden wird die Fahrt nun dauern, obwohl die Entfernung nur 300 Kilometer beträgt. Ein Blick auf die ecuadorianische Landkarte macht den Grund klar: Baños liegt in den östlichen Anden, die hier allmählich Richtung Amazonasbecken abfallen; Guayaquil dagegen ist die Metropole der Küstenregion am Pazifik. Wir müssen also unterwegs den Andenhauptkamm durchqueren.

Gewaltiges Massiv: Ecuadors höchster Berg Chimborazo
Gewaltiges Massiv: Ecuadors höchster Berg Chimborazo

Dabei ziehen vor dem Busfenster grandiose Landschaften an uns vorbei. Ist es kurz hinter Riobamba das gewaltige schneebedeckte Massiv des Chimborazo, mit 6.268 Metern der höchste Berg des Landes, der die Blicke auf sich lenkt, so faszinieren später die nur mit kargem Gras bewachsenen Bergketten des ecuadorianischen Hochlandes, die unser Bus auf kurvenreichen Passstraßen durchquert, die sicherlich bis weit oberhalb 3.000 Metern hinaufführen.

Wir durchqueren die kargen Höhenzüge der Anden
Wir durchqueren die kargen Höhenzüge der Anden

Irgendwann geht es dann nur noch bergab, bergab, bergab. Es scheint kein Ende zu nehmen… An den Hängen werden Bohnen und Tomaten angebaut, auch Apfelbaumpflanzungen sind zu sehen. Plötzlich, hinter irgendeiner Provinzstadt, ändert sich die Landschaft total. Es ist jetzt topfeben; im späten Nachmittagslicht fahren wir an endlos scheinenden Bananenplantagen vorbei. Hier wachsen also die gelben Früchte, die es bei uns im Supermarkt zu kaufen gibt! Kurz nach 19 Uhr, die Nacht ist hereingebrochen, erreichen wir das Busterminal von Guayaquil. Mit einem Taxi geht es für 5 Dollar in rascher Fahrt ins Stadtzentrum, wo wir im „Hostel Suites Madrid“ in einem zwar fensterlosen, aber stilvoll getalteten Zimmer unterkommen.

Stilvoll gestaltet: unser Zimmer im Hostal Suites Madrid
Stilvoll gestaltet: unser Zimmer im Hostal Suites Madrid

Zum Abendessen suchen wir nach einem günstigen Restaurant in der Nähe. In einem kleinen Lokal mit dem schönen Namen (übersetzt) „Zur Goldenen Gabel“ lassen wir uns nieder, bestellen unsere Mahlzeit und fragen, ob es auch Bier gibt. Auf der Karte stehen nur alkoholfreie Getränke, an einem anderen Tisch trinkt aber ein Gast ein kühles „Pilsener“. „Natürlich bekommen Sie Bier!“ erwidert der Kellner, läuft aus dem Lokal über die Straße… und kommt aus einem gegenüberliegenden Mini-Markt mit zwei Flaschen eisgekühltem Bier, in einer Tüte verpackt, zurück. „Sehr flexibel!“ denken wir uns und stoßen auf die geglückte Ankunft an. Da kommt der Kellner nochmal: Ob wir bitte die Bierflaschen unauffällig an der Wand abstellen würden… wenn die Polizei vorbeifährt, könnte es sonst Probleme geben. Ach so, der Laden hat gar keine Ausschankerlaubnis!

Den nächsten halben Tag verbringen wir mehr als fünf Stunden in unserem Zimmer: Die nächsten Reiseetappen müssen geplant werden, insbesondere brennt das Thema „Galapagos-Inseln“ auf den Nägeln. Wir recherchieren im Internet, ob Galapagos komplett auf eigene Faust planbar ist, lassen uns von dem in unserem „Lonely Planet“ ausdrücklich empfohlenen Reisebüro hier im Haus ein Last-Minute-Angebot geben, vergleichen, grübeln, buchen schließlich den Flug, sprechen ein zweites Mal mit dem Mann vor Ort und treffen dann die Entscheidung: Ja, wir buchen eine Tour für vier Nächte auf dem Boot, die drei anderen Übernachtungen auf Galapagos reservieren wir selbst. Und auch für die Tage bis zum 6. September – dann werden wir den Insel-Trip beginnen – machen wir heute alles klar.

Galapagos kostet eine Stange Geld, keine Frage. Aber bei einer Bootstour, das ist uns heute klar geworden, hat man viel mehr Zeit zur Tierbeobachtung, als wenn man auf eigene Faust jeden Tag Ausflüge vor Ort, oft dann auch mit dem Boot auf eine andere Insel, macht. Und das Last-Minute-Angebot, das wir schließlich annehmen, kostet nicht mal die Hälfte des regulären Preises.

Moderne Millionenstadt - Boulevard 9 de Octubre mitten in Guayaquil
Moderne Millionenstadt – Boulevard 9 de Octubre mitten in Guayaquil

Es ist deutlich nach zwei Uhr nachmittags geworden, als wir endlich zur Stadtbesichtigung von Guayaquil aufbrechen. Die Stadt ist noch vor der Hauptstadt Quito die größte Ecuadors; in ihrem Großraum leben mehr als drei Millionen Einwohner. Sie liegt am Rio Guayas, kurz vor dessen Mündung in den Pazifik, im tropisch heißen Küstentiefland. Unterschiedlicher als Quito und Guayaquil können zwei Großstädte wohl kaum sein. Da die verwinkelte, koloniale Hauptstadt hoch oben in den Anden; hier das moderne, pulsierende Handelszentrum mit breiten Straßen und maritimem Touch.

Parque Centenario mit dem Unabhängigkeitsdenkmal
Parque Centenario mit dem Unabhängigkeitsdenkmal

Was allen Städten hier jedoch gemein ist, sind die gepflegten Parks, die das Stadtbild akzentuieren. Einer davon ist der unweit unserer Unterkunft befindliche Parque Centenario, in dessen Mitte eine überdimensionale Säule mit einer Art Siegesgöttin steht. Sie soll an die Helden des Unabhängigkeitskampfes erinnern: Am 9. Oktober 1820 befreite sich Guayaquil als erste Stadt des Landes von den Spaniern. Demzufolge ist auch die Haupteinkaufsstraße der Stadt nach diesem wichtigen Datum benannt.

Parque Seminario mit der Catedral Metropolitana
Parque Seminario mit der Catedral Metropolitana

Ein wenig abseits davon liegt ein weiterer idyllischer Park, der Parque Seminario, dessen Gesicht von den Doppeltürmen der neogotischen Catedral Metropolitana geprägt wird.

Die Attraktion des Parque Seminario sind die hier frei herumlaufenden Leguane
Die Attraktion des Parque Seminario sind die hier frei herumlaufenden Leguane

Bekannt und beliebt ist der Park bei Einheimischen und Besuchern aber aus einem anderen Grund: Hier wurde eine Leguankolonie angesiedelt, die mitten in der Großstadt offensichtlich gut leben kann; zudem schwimmen in den Teichen zahlreiche Wasserschildkröten herum.

Familie Schildkröte hält zusammen
Familie Schildkröte hält zusammen

Noch ein paar Schritte weiter, dann sind wir am „Malecón 2000“. Er zieht sich zweieinhalb Kilometer am Rio Guayas entlang und wurde zwischen 1997 und 2001 als Flaniermeile entlang des Flusses am ehemals heruntergekommenen alten Hafen völlig neu errichtet. Hier lässt es sich herrlich bummeln: Vom Fluss her weht eine leichte Brise, die die 30 Grad warme Luft angenehm herunterkühlt. Mit dem nostalgischen Uhrturm, der mächtigen Rathausfassade und modernen Museumsgebäuden gibt es immer wieder Interessantes zu sehen. Dazwischen findet man Imbissbuden, Fahrgeschäfte, Teiche, Bänke … – die Stadt Guayaquil hat hier wirklich viel fürs Stadtbild getan!

Nostalgisch: der Uhrturm von Guayaquil
Nostalgisch: der Uhrturm von Guayaquil
Blick über den Malecón 2000 am Ufer des Río Guayas
Blick über den Malecón 2000 am Ufer des Río Guayas
Die Rotonda erinnert an das Zusammentreffen der Freiheitskämpfer Simón Bolívar und José de San Martín 1822
Die Rotonda erinnert an das Zusammentreffen der Freiheitskämpfer Simón Bolívar und José de San Martín 1822

Und nahtlos führt die „Malecón 2000“ weiter in das Stadtviertel Las Peñas. Das ehemalige Fischerviertel ist die liebevoll restaurierte Keimzelle Guayaquils. 444 Stufen führen hinauf zum Cerro Santa Ana, dem Hügel, über den sich Las Peñas zieht. Ganz oben steht ein Leuchtturm – er ist eine Replik des ersten derartigen Bauwerks des Landes, das hier 1842 zur Überwachung des Flusshafens errichtet wurde.

Nördlich der Malecón 2000 erhebt sich der Cerro Santa Ana
Nördlich der Malecón 2000 erhebt sich der Cerro Santa Ana

Von hier oben genießen wir einen wunderschönen Rundumblick auf Guayaquil. Im Süden die riesige, sich in der Ebene ausbreitende Millionenstadt; im Westen der sich anschließende, zum Verwechseln ähnliche Hügel Cerro del Carmen und im Osten der träge und breit dahinziehende Guayas.

444 Stufen führen hinauf zum Cerro Santa Ana
444 Stufen führen hinauf zum Cerro Santa Ana
Der Leuchtturm ist Guayaquils beste Aussichtswarte
Der Leuchtturm ist Guayaquils beste Aussichtswarte
Tolles Panorama von Guayaquil am Guayas
Tolles Panorama von Guayaquil am Guayas

Zu alledem haben moderne Investoren in jüngster Zeit im Norden des Cerro Santa Ana noch die postmodernen Bauexperimente der „Ciudad del Río“ hinzugefügt. Besonders markant: der erst 2014 fertiggestellte, 137 Meter hohe, in sich wie eine Schraube gedrehte Hochhausturm „The Point“. Extravagante Architektur in einem Entwicklungsland…

Die brandneue Ciudad del Río mit dem markanten "The Point"
Die brandneue Ciudad del Río mit dem markanten „The Point“