Huanchaco.
Nach einem Ruhetag am Strand in Huanchaco machen wir uns am Sonntagvormittag auf zu einem Ausflug in die nahe Großstadt (Perus zweitgrößte) Trujillo. Das günstigste Verkehrsmittel ist der „Colectivo“ – das Sammeltaxi. Die Minibusse verkehren im Minutentakt, und man braucht nur an der Straße zu stehen und so zu wirken, als könnte man eventuell mitfahren wollen, schon hält der Chauffeur, während der Begleiter die Schiebetür aufreißt und einen halb ins Fahrzeug schiebt – man muss nur noch schnell klären, ob man auch tatsächlich dorthin kommt, wohin man will.
Aber eigentlich fahren von Huanchaco aus alle Colectivos nach Trujillo; man sollte nur rausfinden, wo man am zentrumsnähesten aussteigt. Dabei helfen einem im Zweifelsfall andere Passagiere, die ja auch wissen, dass die Touristen kein Interesse an irgendeinem Vorort haben. Und schon stehen wir an der Plazuela el Recreo, die zur verkehrsreichen Avenida España durch ein schönes kleines Stadttor abgegrenzt ist.

Dahinter führt die mit zahlreichen historischen Gebäuden bestandene Jirón Francisco Pizarro, die als Fußgängerzone gestaltet ist, geradewegs in die Stadtmitte. Dass dem spanischen Conquistador, dessen Ruf unter peruanischem – vor allem indigenen – Blickwinkel ja nun wahrlich nicht der beste ist, hier eine so bedeutende Straße gewidmet ist, hat viel mit der Gründungsgeschichte Trujillos zu tun. Die Stadt wurde nämlich bereits 1535 gegründet und verdankt ihren Namen der Tatsache, dass Francisco Pizarros spanische Geburtsstadt genauso heißt.

Trujillo, aufgrund seines gleichbleibend milden Klimas von etwa 22, 23 Grad auch mit dem Attribut des „ewigen Frühlings“ bezeichnet, ist wirklich eine ziemlich gepflegte, saubere Stadt. Das ist uns schon bei der Fahrt durch die Außenbezirke aufgefallen, im Zentrum wird selbstverständlich noch mehr Wert darauf gelegt. Das Schmuckstück der Stadt ist, inzwischen kennen wir das ja bereits, auch hier die Plaza de Armas. Sie wird ringsherum von wunderschönen kolonialzeitlichen Bauten – zwei davon dienen mittlerweile als Rathaus und als Sitz der Regionsregierung – begrenzt.
In ihrer Mitte steht eine Freiheitsstatue: Bereits 1820 wurde hier die Unabhängigkeit Perus erklärt; der Freiheitskämpfer Simón Bolívar hatte hier einige Zeit sein Hauptquartier. Hundert Jahre später befand es die peruanische Regierung dann für angemessen, dies durch ein entsprechendes Denkmal zu würdigen. Die Ausschreibung gewann der Dresdener Bildhauer Edmund Moeller, dessen Werk folglich seit fast 90 Jahren mitten in Trujillo zu sehen ist.

Größter Bau an der Plaza de Armas ist die in blendendem Gelb gestrichene Kathedrale, die Mitte des 17. Jahrhunderts in barockem Stil errichtet wurde.

Innen fallen besonders die farbenprächtigen Deckengemälde auf.

Als wir gegen Mittag vorbeikommen, setzt sich dort gerade langsam eine von zahlreichen Gläubigen und Schaulustigen begleitete Prozession in Bewegung. Eine Kapelle spielt getragene Weisen, zahlreiche Träger schleppen ein auf einem reich geschmückten „Paso“ aufgestelltes Heiligenbild (wir fühlen uns ein wenig an die Szenen der Semana Santa in Sevilla erinnert), von violett gekleideten Messdienern und Weihrauchkessel schwenkenden Frauen begleitet.

Wir erleben gerade den Beginn der eine Woche dauernden Feierlichkeiten zu Ehren des „Señor de los Milagros“ (Herr der Wunder) mit!

Die Kathedrale ist im Übrigen nur eine von zahlreichen bemerkenswerten Kirchenbauten in Trujillo. Wir kommen unter anderem noch an der ebenfalls aus der Barockzeit stammenden Augustinerkirche vorbei, die sich an der Plazuela Orbegoso erhebt.

Nach einem kleinen Mittagessen wollen wir aber hinaus aus der Stadt – erneut locken die Denkmäler aus präkolumbischer Vergangenheit. Wir haben vorgestern im Rahmen unseres Besuches verschiedener Chimú-Baudenkmäler bereits zwei Tempel dieses Volkes in Trujillo besichtigt. Heute wollen wir aber noch weiter in die Vergangenheit und zu den beiden als „Sonnen- und Mondpyramide“ bezeichneten Ruinenstätten ein paar Kilometer südlich der Stadt hinausfahren.
Wir halten Ausschau nach Fahrtmöglichkeiten. Zwei Frauen bieten uns eine dreistündige Fahrt an, bei der auch eine Tanzshow und sonst noch was beinhaltet ist. Preis und Details der Tour entsprechen nicht unseren Vorstellungen, also sagen wir den beiden ab, obwohl sie zuletzt sogar noch deutlich günstiger werden. Wir lassen uns stattdessen von einem Taxi hinausbringen und informieren uns zuerst in einem neuen, sehr gut aufgemachten Museum über die historische Stätte.

Die beiden riesenhaften Bauwerke aus Lehmziegeln wurden von einem Volk errichtet, das hier etwa zwischen 100 und 800 n. Chr. gelebt hat und nach dem Fluss, der hier vorbeifließt, Moche genannt wird. Die Sonnenpyramide (Huaca del Sol) umfasste ursprünglich eine Fläche von 340 x 220 Metern, war 41 Meter hoch und damit das größte massive Bauwerk ganz Amerikas. Heute ist von ihr ein Teil völlig verloren: Die Spanier zerstörten den verlassenen Bau teilweise auf der Suche nach Gold, außerdem leiteten sie den Moche-Fluss so um, dass ihm ein Bereich des Bauwerks zum Opfer fiel.

500 Meter davon entfernt, an die Nordflanke des Cerro Blanco angelehnt, steht die Mondpyramide (Huaca de la Luna). Sie ist etwas kleiner als die Huaca del Sol – 290 x 210 Meter umfasst ihr Grundriss. Allerdings ist sie im Gegensatz zur Huaca del Sol bereits weitgehend wieder dem Wüstensand, der unerbittlich über die großartigen Bauwerke hinwegfegt, entrissen.

Das ist einem ambitionierten, seit 25 Jahren laufenden Programm der Universität Trujillo zu verdanken, die die Ausgrabungen, Konservierungen, Sicherungen und wissenschaftlichen Untersuchungen bis vor zwei Jahren ohne staatliche Hilfe nur mit Unterstützung von Sponsoren bewerkstelligte. Freiwillige Hilfskräfte der Uni sind es auch, die die Besucher durch die Huaca de la Luna begleiten und ihnen die Schätze erklären, die da freigelegt wurden.

In unserem Fall ist es Jorge, ein sehr liebenswerter und kompetenter Student auf dem zweiten Bildungsweg, dessen Traum es ist, einmal als Englischlehrer zu unterrichten. Entsprechend versucht er seine spanischen Erläuterungen immer wieder mit – wenn auch noch relativ wenigen – englischen Ergänzungen zu versehen. Doch das, zusammen mit den bereits vorab im Museum erhaltenen Informationen, genügt, um uns eine lebendige Vorstellung von dieser noch vor den Chimú in der Region dominierenden Hochkultur zu machen.

Kurz gefasst, war die Huaca del Sol eine Wohnstätte für die politische Führungsschicht der Moche, während die Huaca de la Luna als Tempel diente, auf dessen oberster Plattform religiöse Zeremonien begangen wurden.

Der Mond war nämlich auch für die Moche die höchste Gottheit. Und wenn die nach ihrer Überzeugung zornig war, musste sie durch blutige Opfer besänftigt werden. So jedenfalls interpretierten die Menschen das etwa ab dem Jahr 600 stärker werdende, regelmäßig wiederkehrende „El Niño“-Ereignis mit katastrophalen Regenfluten. Daher mussten nun junge Männer zu rituellen Kämpfen gegeneinander antreten. Der Verlierer war dem Tod geweiht: Sein Blut wurde in einem Gefäß aufgefangen und dem obersten Priester dargebracht, der dem Unglücklichen schließlich die Kehle durchschneiden ließ und ihn den Göttern opferte.

Dies alles und auch die Fragen, welche Handwerke betrieben wurden, wie die Fischerei und die Landwirtschaft ablief, wurden den Wissenschaftlern nur über die zahlreichen bildlichen Überlieferungen, die sie auf Keramiken und an den bunt bemalten Wänden vorfanden, erklärbar. Eine Schriftkultur entwickelten die Moche, wie alle südamerikanischen Völker, nie. Doch gerade die Wandbemalungen ersetzen uns in größtes Erstaunen.

Sie sind von einer Kunstfertigkeit und die Farben strahlen teilweise in einer Intensität, dass man nicht glauben möchte, dass ihre Entstehung über 1.500 Jahre zurückliegt und auf eine längst untergegangene Zivilisation zurückgeht.

Jorge erzählt viele Details zu diesem gewaltigen Gebäudekomplex. Da sind wirklich interessante Dinge dabei: Etwa, dass die Mauern und auch die Gemälde immer wieder erneuert wurden, wenn ein neuer oberster Priester inthronisiert war. Das erklärt auch die unglaubliche Dicke vieler Wände. Oder, dass alle Lehmziegel über Zeichen verfügen. Diese bezeichneten die Familien, von denen die Ziegel angefertigt wurden – alle waren verpflichtet, ihren Teil zum Tempelbau beizutragen.

Gewohnt hat das einfache Volk in einer Stadt, die zwischen den beiden riesigen Pyramiden lag – die Grundmauern dazu sind bereits freigelegt, doch auch hier wartet noch unermesslich viel Arbeit auf die Archäologen. Wenn man das bereits Ausgegrabene sieht, kann man zumindest erahnen, welche Schätze noch unter dem Wüstensand verborgen sind. Perus Vorgeschichte ist dermaßen facettenreich und faszinierend, wie wir uns das vor unserer Reise hierher nie hätten vorstellen können. Bei uns hat man meistens nur etwas von den Inkas gehört…

Doch wir müssen ja noch zurück nach Huanchaco… Also nichts wie rein in einen Colectivo – bloß wo wieder raus in Trujillo? Auf die hilfreichen Mitfahrer ist auch hier Verlass; sie sagen uns, wo wir aussteigen sollen und schicken uns eine Straße entlang, die wir ein ganzes Stück laufen müssen, dann sind wir an der Plaza de Armas. Von dort finden wir selbst weiter bis zu der Straße, von der aus die Sammeltaxis nach Huanchaco weiterfahren. Wir erleben mal richtig mit, wie heftig der Kampf um jeden Passagier zwischen den Colectivos, den Taxis und den Linienbussen geführt wird: Die Leute stehen ja an der Straße, und sie steigen meist in Busse oder Colectivos ein, je nachdem, wer gerade hält. Da wird die rechte Spur zur Kampfzone, und es kann durchaus passieren, dass die Busse die „Tür zumachen“ für den kleinen Colectivo, um es mal in der Rennfahrersprache auszudrücken. Und das alles für 1,50 Soles pro Person… wir fragen uns ernsthaft, wie sich das rentieren kann!
Hallo Kinder in der Ferne,
jetzt wisst Ihr, warum wir das bunte Südamerika so sehr lieben. Es kommt immer noch schöner.
Inzwischen ist unsere „Festwoche“ vorüber und Omi hatte so eine Freude. Dank der Technik, saßt ja auch Ihr auf der sonnigen Terrasse bei uns. Also waren Alle anwesend.
Gute Zeit wünschen MUVA
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Hallo ihr Geburtstagsfeiernden,
schön, dass ihr die „Festtage“ gut überstanden habt und dass es vor allem Omi gefallen hat! War ja wohl eine tolle Überraschung für sie, dass Denise aus Schweden gekommen ist.
Tja, Peru bietet bislang bei jedem Ausflug wieder etwas Überraschendes! Mal sehen, wie es weitergeht – heute fahren wir nämlich wieder hinauf in die Berge!
Bis bald mal wieder und liebe Grüße
Jana und Wolfgang
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Hallo ihr Beiden,
haben nun endlich mal alle eure Beiträge gelesen und können nur sagen – einfach toll und ein großes Kompliment, das ihr immer die Zeit zum Schreiben findet.
Wie verkraftet ihr die Höhenunterschiede ?
Übrigens war ich echt erstaunt, das Meerschweinchen wie Hühnchen schmeckt , dachte eher wie Kaninchen.
Wir freuen uns schon auf eure nächsten Abenteuer.
Viele Grüße senden die Plauner!
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Grüße zurück nach Plauen!
Schön, von euch zu hören und dass ihr die Zeit zum Lesen findet!
Ja, das Schreiben ist manchmal schon eine Überwindung, vor allem, wenn es abends schon spät ist.
Aber wenn man da mal nachlässig wird, dann kommt man nicht mehr hinterher. Am Ende vergisst man sonst selbst auch viel…
Und unsere treuen Leser sind natürlich eine zusätzliche Motivation!
Den Geschmack von Kaninchen haben wir nicht so auf der Zunge, deswegen konnten wir Meerschweinchen am ehesten mit Hühnchen vergleichen.
Die Höhenunterschiede merken wir schon: Am ersten Tag sind wir immer ziemlich müde, und in der Höhe brauchen wir mehr zu trinken als sonst. (Müssen dann auch ständig aufs Klo 🙂 )
Gerade sind wir wieder mal in den Bergen, diesmal auf über 3.000 Metern. Bericht folgt heute noch…
Ganz liebe Grüße
von Jana und Wolfgang
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