Huaraz.

Es ist wieder einmal Reisetag: Am Montagmorgen packen wir unsere Siebensachen zusammen und lassen den beschaulichen Küstenort Huanchaco hinter uns. Im Hostal Naylamp haben wir uns sehr wohl gefühlt, doch kurz nach halb neun steht das Taxi bereit und bringt uns nach Trujillo zum Busterminal von „Linea“. Die zugeklebten Fensterscheiben von der letzten Fahrt noch im Hinterkopf, haben wir diesmal die Gelegenheit genutzt und in dem Doppelstockbus zwei Plätze ganz vorne oben gebucht  – mit bester Aussicht auf die Straße. Dass man bei unserem heutigen Bus auch durch die Seitenfenster schauen kann, ist eine willkommene Zugabe: Dann haben wir gleich nach zwei Seiten freien Blick!

Logenplätze mit freiem Blick nach zwei Seiten
Logenplätze mit freiem Blick nach zwei Seiten

Die Fahrt geht zunächst auf der Panamericana südwärts. Wir durchqueren die vom Dunst verhangene, sandige Küstenwüste, die nur an wenigen Stellen mal grün wird – wenn gerade ein Fluss aus den Anden Richtung Meer fließt. Zwischendurch würden wir uns nicht wundern, wenn ein arabischer Beduine mit seinen Kamelen vorbeikäme.

Hohe Sanddünen neben der Panamericana
Hohe Sanddünen neben der Panamericana

Der Bus ist bei Weitem nicht voll; auch in Chimbote, einer wuseligen 400.000-Einwohner-Stadt, die wir nach gut zwei Stunden Fahrzeit erreichen, steigen nur wenige weitere Passagiere zu. Hinter Casma verlassen wir die Hauptstraße Richtung Lima und biegen ostwärts in ein Tal ab, das zunächst nur staubtrocken, felsig und öde ist.

Vegetationslos: die Ausläufer der Anden in Küstennähe
Vegetationslos: die Ausläufer der Anden in Küstennähe

Der Asphaltbelag ist uralt und hat tausende Schlaglöcher, was den Busfahrer zum Slalom zwingt. Hinter einer Bergkuppe ändert sich die Szene: Wir erreichen einen Fluss und sind ab sofort von dichter Vegetation begleitet – dort gibt es Ortschaften, dementsprechend bessert sich auch die Straße.

Wo Wasser ist, ist Leben...
Wo Wasser ist, ist Leben…

Im Bergdorf Pariacoto, schon in 1.200 Metern Höhe, ist Mittagspause: Im Restaurant weiß man genau Bescheid, wie viele Fahrgäste kommen. Die Suppen werden ungefragt auf den Tisch gestellt, für den Hauptgang kann man aus fünf Angeboten wählen; zusammen mit einer Inca-Kola kostet das pro Person etwa 2,30 Euro. Und wir sind anschließend pappsatt…

Selbst kleine Orte wie Pariacoto haben ihren zentralen Park
Selbst kleine Orte wie Pariacoto haben ihren zentralen Park

Danach geht es so richtig in die Berge: Entlang eines sich endlos tief einschneidenden Tals erklimmt der Bus Höhenmeter um Höhenmeter.

Das Tal bleibt tief unten zurück
Das Tal bleibt tief unten zurück

Knapp zwei Stunden hinter Pariacoto, die Vegetation wird hier oben von trockenem Gras und einzelnen niedrigen Büschen bestimmt, sind wir – von Wolkenschwaden umgeben – am höchsten Punkt des Paso de Callán angelangt, auf etwa 4.200 Metern. Für uns beide ein neuer Höhenrekord! Und das direkt vom Meer!

Am Paso de Callán auf gut 4.200 Metern sind wir dicht unter den Wolken
Am Paso de Callán auf gut 4.200 Metern sind wir dicht unter den Wolken

Unser Tagesziel liegt allerdings wieder gut einen Kilometer weiter unten im Tal. Schon von weit oben sehen wir, wie sich die 100.000 Einwohner-Stadt Huaraz, das Zentrum eines der wichtigsten Wander- und Bergsteigergebiete Südamerikas, im Huaylas-Tal ausbreitet. Auf knapp 3.100 Metern gelegen, ist dies der bislang höchste Ort, in dem wir je übernachtet haben.

Tief unten im Tal, aber immer noch fast 3.100 Meter hoch liegt Huaraz
Tief unten im Tal, aber immer noch fast 3.100 Meter hoch liegt Huaraz

Die Luft ist hier deutlich dünner, das merken wir sofort, als wir in unserer Unterkunft die Treppen zum im dritten Stock gelegenen Zimmer hinauflaufen. Also lautet die Devise: erst einmal ankommen, sich akklimatisieren, viel trinken und sich nicht gleich überanstrengen. Und mit dem Phänomen konfrontiert werden, das man sonst nur nach Flugreisen kennt: Unsere leeren Plastikwasserflaschen haben ihre Bäuche eingezogen und sind dünn wie magersüchtige Models. Tuben blähen sich auf. Schraubt man Sonnencreme, Haargel oder Kontaktlinsenmittel auf, kommt einem ein Teil des Inhalts gleich schwallartig entgegen.

Schöner wohnen in der Albergue Churup
Schöner wohnen in der Albergue Churup

Mit der im „Lonely Planet“ empfohlenen Albergue Churup, einige Häuserblocks östlich des Stadtzentrums in einer ruhigen Seitenstraße gelegen, haben wir einen richtig guten Fang gemacht, das merken wir gleich: Zimmer und Bad sind ausgesprochen modern, sauber und liebevoll eingerichtet, der Frühstücksraum gleich vor unserer Tür sehr gemütlich gestaltet und das Büffet abwechslungsreich. Ein prima Tipp!

Frühstücksraum im Churup
Frühstücksraum im Churup

Eine Wendeltreppe führt vom Frühstücks- und Aufenthaltsraum hinauf zur Dachterrasse. Von hier bietet sich am Morgen ein herrlicher Blick auf die majestätische Bergwelt der Umgebung: Die Cordillera Blanca rund um Huaraz hat laut Lonely Planet nicht weniger als 22 Sechstausender zu bieten, von denen einige, unter anderem Perus höchster Berg Huascarán, der dem umliegenden Nationalpark seinen Namen gab, ihre schneebedeckten Gipfel präsentieren!

Von Wolken umhüllt: Perus höchster Berg Huascarán (6.768 Meter)
Von Wolken umhüllt: Perus höchster Berg Huascarán (6.768 Meter)

Vergleichsweise schnell entdeckt ist dagegen die Stadt selbst. Sie ist sehr lebendig und geschäftig, historische Bauwerke sucht man in Huaraz allerdings vergeblich.

Geschäftig und vielbefahren: die Avenida Mariscal Toribio de Luzuriaga im Stadtzentrum
Geschäftig und vielbefahren: die Avenida Mariscal Toribio de Luzuriaga im Stadtzentrum

Das liegt nicht daran, dass die Stadt eine moderne Gründung wäre; vielmehr wurde sie im 20. Jahrhundert von zwei verheerenden Naturkatastrophen heimgesucht. Zunächst wurde Huaraz 1941 von einer riesigen Flutwelle überrollt, als ein gewaltiger Eisturm in einen Bergsee gut 20 Kilometer außerhalb der Stadt stürzte.  Damals starben zwischen 5.000 und 7.000 Menschen. Noch mehr Todesopfer, nämlich etwa 10.000, waren 1970 nach einem schweren Erdbeben zu beklagen, das 95 % der Gebäude wegriss. Danach wurde die Stadt komplett neu aufgebaut.

Schneeberge überragen Huaraz
Schneeberge überragen Huaraz

Erhalten blieb der koloniale, also rechteckige Grundriss der Innenstadt und natürlich die Plaza de Armas mit einem gepflegten Park und der mächtigen Fassade der Kathedrale. Die ist allerdings immer noch im Wiederaufbau; an diesem Schmuckstück der Stadt wird sicherlich noch lange gearbeitet werden müssen, bis sie wieder im alten Glanz erstrahlt.

Plaza de Armas mit der noch im Wiederaufbau befindlichen Kathedrale
Plaza de Armas mit der noch im Wiederaufbau befindlichen Kathedrale