Cusco.
Eine Peru-Reise ohne einen Besuch der weltberühmten Ruinenstätte Machu Picchu? Eigentlich undenkbar – aber eine aufwändige Angelegenheit, sowohl was die Zeit als auch was den Preis angeht. Wir haben die verschiedenen Möglichkeiten gründlich gegeneinander abgewogen, uns von unserer Gastgeberin Ingrid beraten und unterstützen lassen und uns schließlich für einen Tagesausflug von Cusco aus entschieden.
Der beginnt in aller Frühe um 5.30 Uhr damit, dass wir von einem Taxi vor der Haustür abgeholt werden. Ingrid hat es schon gestern telefonisch bestellt und uns den Preis genannt: 25 Soles soll die Fahrt zum Bahnhof kosten. Als wir ins Taxi einsteigen, sagt uns der Chauffeur plötzlich etwas von 40 Soles. Das kann ja wohl nicht sein! Wir bestehen auf den 25 Soles; er schaut in einer Liste nach… und plötzlich geht es zu diesem Preis! Es dauert länger, als wir gedacht haben: Fast eine halbe Stunde fahren wir quer durch die Stadt und dann noch zehn Kilometer weiter in den Vorort Poroy – von dort starten die Züge in Richtung Machu Picchu.

Wir sollen eine halbe Stunde vor der Abfahrt, die für 6.40 Uhr angesetzt ist, bereits da sein – die Tickets werden eingescannt, die Namen der Passagiere mit den Listen verglichen und die Pässe geprüft. Das nimmt PeruRail äußerst genau… Danach beginnt eine über dreistündige, sehr gemächliche Fahrt. Sie führt vom gut 3.500 hoch gelegenen Poroy zunächst durchs Hochland und dann hinunter ins Urubamba-Tal, das von den Inka als „Heiliges Tal“ bezeichnet wurde. Dabei kommen wir auch an einer „Sky Lodge“ vorbei – einige als Hotel genutzte Wohncontainer, die hoch oben in einer Steilwand hängen. Mindestens 350 Dollar kostet dort eine Übernachtung pro Person; nichts für unseren Geldbeutel (und unsere Kletterkünste reichen sicher auch nicht aus, um dort lebend anzukommen).

Während sich der Zug langsam durch eine fantastische Landschaft talabwärts schlängelt, unterhalten wir uns gut mit einem jungen chilenischen Paar, das uns gegenübersitzt. Die beiden, Estefania und Eugenio, kommen aus der Nähe von San Pedro de Atacama ganz im Norden des Landes und arbeiten als Bergbauingenieure in einer Kupfermine. Den Trip nach Machu Picchu unternehmen sie im Rahmen eines Wochenendausflugs. Als sie von uns erfahren, dass wir im Laufe unserer Reise auch Chile besuchen wollen, gibt uns Estefania spontan ihre E-Mail-Adresse: Wenn wir in ihrer Gegend aufkreuzen, sollen wir sie kontaktieren; sie kann uns eine Informationstour durch die weltgrößte Kupfermine vermitteln.

Gegen zehn Uhr haben wir den Zielbahnhof in Aguas Calientes erreicht. Wir müssen uns den Weg durch einen großen Souvenirmarkt direkt vor der Bahnhofshalle bahnen, um überhaupt auf die Straße zu kommen. Dort fahren nämlich die Busse zur Ruinenstätte hinauf. Aguas Calientes, heute gerne als „Machu Picchu Pueblo“ bezeichnet, ist allerdings von außerhalb nicht mit Autos oder Bussen erreichbar. Warum? Da haben zum einen sicher die zwei Eisenbahngesellschaften etwas dagegen, die die Strecke bedienen – wir haben für Hin- und Rückfahrt 145 Dollar pro Person gezahlt, und das war noch ein spezielles, um 25 Prozent günstigeres Angebot. Ein anderer Aspekt ist aber auch die Landschaft: Das Urubamba-Tal ist hier dermaßen eng und abgeschieden, dass ein Straßenbau die Natur stark in Mitleidenschaft ziehen würde.
Die Busse, die vom auf 2.040 Meter gelegenen Aguas Calientes in acht Kilometern auf einer Schotterpiste etwa 400 Höhenmeter hinauf nach Machu Picchu bewältigen, sind mit 24 Dollar (Hin- und Rückfahrt) pro Person auch richtig teuer. Aber ebenfalls ziemlich konkurrenzlos – außer man nimmt einen langwierigen Aufstieg über endlos viele Stufen auf sich. Und dem Plan, eine Seilbahn zu errichten, machte die UNESCO einen Strich durch die Rechnung – sie würde zu noch mehr Besuchern als ohnehin schon führen und den Bestand Machu Picchus ernsthaft bedrohen.

Es ist sowieso schon genügend los hier: Menschen aus aller Welt drängen sich am Eingang. Für 128 Soles erhalten wir Einlass zu dieser von Mythen und Legenden umrankten Ruinenstätte – Machu Picchus Faszination beruht auch darauf, dass es sich um eine Inkastadt weit hinten in einem unzugänglichen Tal handelt, die jahrhundertelang von dichtem Urwald überwuchert und in Vergessenheit geraten war, ehe sie der Amerikaner Hiram Bingham 1911 wiederentdeckte und der Weltöffentlichkeit bekannt machte. Wobei diese Geschichte nur die halbe Wahrheit ist… – inzwischen weiß man, dass unter der einheimischen Bevölkerung immer ein Wissen um eine verlassene Siedlung oben auf einem Bergrücken bestand. Auch europäische Kartographen verzeichneten Machu Picchu schon im 19. Jahrhundert auf ihren Landkarten; aber keiner maß diesem Ort größere Bedeutung bei. Das tat erst Bingham…

Vom Urwald freigelegt und sorgfältig restauriert, bietet sich den Gästen von heute das in der Tat einmalige Bild einer unzerstörten, bis auf die Dächer und die Einrichtung bestens erhaltenen Inka-Siedlung, über deren Ursprünge und Bedeutung es keinerlei schriftliche Quellen gibt. Den archäologischen Befunden zufolge legt man die Entstehungszeit Machu Picchus ins 15. Jahrhundert, also in die Phase, als das Inka-Reich gerade expandierte. Wie lange der Ort tatsächlich bewohnt war, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden; aufgrund seiner äußerst abgeschiedenen Lage wurde er jedenfalls von den Spaniern niemals entdeckt und deswegen auch nicht zerstört.

Heute sind die Mauern der Wohn- und Wirtschaftsgebäude, der Tempelanlagen und der zahlreichen Terrassenfelder eine weltweit berühmte Ikone – was auch mit seiner landschaftlich einmaligen Lage hoch über dem Urubamba-Tal und vor dem im Hintergrund zuckerhutförmig aufragenden Berggipfel des Huayna Picchu zusammenhängt. Ein Spaziergang durch die Mauern Machu Picchus, vorbei an herausragenden Bauwerken wie dem Sonnentempel und dem Tempel des Kondors, ist ein besonderes, unvergessliches Erlebnis…


Dreieinhalb Stunden auf dem Gelände Machu Picchus sind nicht gerade üppig, aber sie reichen doch aus, um zwei Wege zu beschreiten, die auf schmalen Pfaden weg von der Siedlung zu zwei ganz besonderen Anziehungspunkten führen und bei Weitem nicht so überlaufen sind wie die Ruinen selbst. Zuerst laufen wir einen tief und steil abfallenden Abhang entlang bis zu einer spektakulär an den Fels geklebten Holzbrücke, die eine Felsscharte überwindet – die sogenannte Inka-Brücke. Sie beeindruckt allein schon durch ihre unglaubliche Lage.

Der andere Weg führt noch weiter weg vom Ort selbst und fast dreihundert Meter bergauf. Sein Ziel ist ein Einschnitt zwischen zwei Bergen, der von den Inka mit einem Tor und einer Opferstätte versehen wurde – das Sonnentor auf 2.720 Metern Höhe. Weil wir gerade mittags dort oben sind und mit dem Wetter Glück haben, erklärt sich sein Name ganz leicht: Das Tor steht so, dass das Sonnenlicht um 12 Uhr ganz gerade von Norden her einfällt.

Außerdem genießen wir von hier oben den vielleicht schönsten Panoramablick über Machu Picchu, Huayna Picchu und das tief unten liegende Urubamba-Tal…

Um 15.20 Uhr setzt sich der „Vistadome Express“ von PeruRail wieder in Bewegung. Die Rückfahrt dauert bis kurz nach 19 Uhr und damit erheblich länger als die Hinfahrt, was damit zu tun haben kann, dass es nun 1.500 Höhenmeter bergauf geht. Der Auftritt eines mit gruseliger Maske und Kostüm nach Art eines einheimischen Fests verkleideten Tänzers (mit dem Jana eine Runde im Mittelgang mittanzen muss) und eine vom Zugpersonal selbst durchgeführte Modenschau mit Alpaka-Kleidung verkürzt die Zeit ein wenig. Das Taxi von Poroy zurück wird dann teurer: Bis zur Plaza de Armas verlangt der Fahrer 30 Soles, bis nachhause wären es sogar 40 Soles. Da geht nichts zu handeln… und ein russisches Pärchen, mit dem wir uns den Fahrpreis hätten teilen können, eiert so lange herum und traut sich nicht mitzufahren, obwohl der Chauffeur seine offizielle Lizenz vorzeigt, dass wir schließlich ohne sie losfahren.

Das Urubamba-Tal hat aber noch mehr lohnenswerte Ausflugsziele zu bieten, die zum Glück nicht so kostspielig sind wie Machu Picchu. Unser Sonntagsausflug führt für 10 Soles (ca. 2,60 €) mit dem Sammeltaxi ins etwa 70 Kilometer nordwestlich von Cusco gelegene Ollantaytambo. Schon die herrliche Landschaft – hohe Bergflanken umgeben den auf 2.800 Metern gelegenen Ort – macht einen Besuch hier lohnenswert.

Doch Ollantaytambos Bedeutung liegt insbesondere darin, dass es sich hier um die einzige original erhaltene Stadtanlage aus Inka-Zeiten handelt. Die heutigen Häuser wurden auf den alten Inkamauern errichtet und bilden ein wunderbares mittelalterliches Ambiente, das zum Bummeln einlädt. In den engen Gassen, in denen noch wie eh und je kleine Wasserläufe den Hang hinunterrauschen, finden sich üppige Blumenranken, kleine Lädchen und tolle Hinterhöfe.

Zudem wacht eine imposante Festung an einem steilen Berghang über Ollantaytambo. Sie setzt sich aus mehreren Teilen zusammen: Der eigentlichen Wehranlage am höchsten Punkt, von dem aus die Verteidiger in drei Täler blicken konnten; dann einem mit riesigen Monolithen gestalteten Sonnentempel, zum Ackerbau angelegten Terrassen und unten im Tal mehreren Wasserläufen, die in kleine Kanäle eingefasst wurden und sich am Wassertempel vereinigen. Eine wunderschöne Anlage!





Am gegenüberliegenden Steilhang, auf der anderen Seite der Stadt, sind weitere Ruinen an den Fels geklebt – Vorratskammern, die die Inka dort oben anlegten, weil die Lebensmittel durch die kühlen Winde, die hier häufig wehen, lange frisch und haltbar blieben. Dazwischen wurden aber auch noch kleine Beobachtungsposten errichtet: Von hier oben hatte man schließlich beste Voraussetzungen, um vorrückende Feinde frühzeitig zu sehen.
