Cusco.

Wir waren noch in Deutschland, als uns Dennys Freund Peter ein unglaubliches Bild geschickt hat: ein regenbogenbunter Berg, den es in Peru geben soll. Doch Peru ist groß, und in unseren Reiseführern war davon kein Wort zu finden. Übers Internet haben wir herausgefunden, dass diese außerirdisch wirkende Landschaft in der Nähe von Cusco liegt. Aber können wir sie tatsächlich mit eigenen Augen sehen? Wie kommt man dorthin? In einigen wenigen Reiseblogs haben wir gelesen, dass Tagestouren dorthin möglich sind, allerdings erst seit Kurzem. Am besten sei es, sie in Cusco vor Ort zu buchen. Genauso ist es: Die zahllosen Agenturen, die in der Altstadt dicht nebeneinander aufgereiht sind, werben fast alle mit Ausflügen zu den „Rainbow Mountains“. Wir haben uns schon vor einigen Tagen schlau gemacht, was so eine Tour kostet. 90 Soles (knapp 25 Euro) sind ein wirklich fairer Preis, das meint auch unsere Gastgeberin Ingrid. Aber ist diese Wanderung für uns zu machen? Wir wissen, dass es dazu auf über 5.000 Meter hinaufgeht. Der Typ aus der Reiseagentur, ein lässiger, freundlicher junger Portugiese, meint: „Kein Problem. Sieben Kilometer einfach, nur einen Kilometer geht’s etwas steiler bergauf. Wenn man ein paar Tage in Cusco ist, dann hat man sich ja an die Höhe schon gewöhnt…“

Also stehen wir am Montagmorgen in aller Herrgottsfrühe auf: Um drei Uhr soll die Tour starten, vielleicht wird’s ein bisschen später, bis wir in der Vorstadt abgeholt werden…. Ingrid hat am Vorabend vorsichtshalber die Agentur nochmal angerufen und die genaue Lage ihrer Wohnung beschrieben. Als es zehn vor vier ist, fangen wir allmählich an zu zweifeln, ob das noch was wird – aber dann kommt ein Taxi. Der Fahrer fragt uns, ob wir Jana und Wolfgang sind: Okay, er bringt uns vor an die Hauptstraße, dort steht der Kleinbus, der schon voll besetzt ist mit Leuten. Wir sind wieder die Letzten, die abgeholt werden! Es beginnt eine dreistündige halsbrecherische Fahrt Richtung Südosten. Unser Fahrer überholt alles, was ihm in den Weg kommt, und rast zum Schluss eine schmale Schotterpiste hinauf, als sei der Teufel hinter ihm her. Aber wir kommen nach dreistündiger Fahrt heil an in einem kleinen Bergdorf namens Quechuyno, vor der prachtvollen Kulisse des schneebedeckten Ausangate, mit 6.384 Metern Perus fünfthöchster Berg.

Berglandschaft mit Alpaka: schneebedecktes Massiv des Ausangate
Berglandschaft mit Alpaka: schneebedecktes Massiv des Ausangate

Hier sind wir am Rande der Zivilisation: Strom und fließendes Wasser gibt es nicht, unser Frühstück erhalten wir in einem provisorischen, zeltartigen Unterstand. Kein Wunder: Diese Gegend ist dermaßen abgeschieden, dass Google Maps hierher keinen Weg berechnen kann. Und der farbige Berg, der Vinicunca heißt, ist noch so unbekannt, dass dazu nicht einmal in der spanischsprachigen Wikipedia ein Artikel existiert… Die Wanderung zum „Rainbow Mountain“ wird überhaupt erst seit zehn Monaten angeboten!

Frühstück im Basislager
Frühstück im Basislager

Aber das wird sich sicher bald ändern: Heute morgen stehen mindestens sechs, sieben Kleinbusse hier oben, deren Fahrgäste von Bergführern zu einigen größeren Gruppen zusammengefasst werden. Wir gehören zur Gruppe „Champions“. Schon mal nicht schlecht… Die weiteren Informationen, die wir von den Guides erhalten, sorgen jedoch nicht gerade dafür, dass der Respekt vor dem, was uns da erwartet, geringer wird. Wir befinden uns jetzt auf 4.200 Metern, das Ziel liegt auf 5.100 Metern Höhe. Der Weg beträgt einfach acht Kilometer, die Gruppe muss so weit zusammenbleiben, dass nach drei Stunden alle oben sind. Individuelles Gehtempo ist also schlecht möglich; und die allermeisten Tourteilnehmer sind wesentlich jünger als wir…! Der Guide, ein drahtiger Typ namens Juan Carlos, weist darauf hin, dass man sich für 70 Soles ein Pferd mieten kann. Das kann man aber auch nach der ersten Viertelstunde noch entscheiden, nach dem ersten anstrengenden Anstieg…

Vor dem Aufbruch...
Vor dem Aufbruch…

Dort warten nämlich die einheimischen Bergbauern mit ihren kernigen Pferden auf die Wanderer. Und Jana beschließt, von diesem Angebot Gebrauch zu machen: Sie würde sich den Aufstieg durchaus zutrauen, aber nicht in der Geschwindigkeit, die heute gefordert ist. Die enorme Höhe lässt sich nicht so einfach wegdiskutieren… So geht es für sie – wie bei einer Expedition – auf dem Rücken eines Pferdes weiter!

Die Pferdeführer warten auf Kundschaft
Die Pferdeführer warten auf Kundschaft
Der erste Ritt in Janas Leben...
Der erste Ritt in Janas Leben…

Im Anschluss wird der Wanderpfad aber erst einmal wesentlich flacher. Wir kommen an einigen winzigen Siedlungen vorbei, deren primitive Behausungen aus Lehmziegeln errichtet sind. Auf den schütteren Grassteppen des Hochlandes weiden Alpakas, Lamas und Schafe – bis vor kurzem die einzige, kärgliche Lebensgrundlage der Menschen.

Einfaches Leben in den Hochlagen der Anden
Einfaches Leben in den Hochlagen der Anden

Der Wandertourismus, der gerade eben begonnen hat, hat bereits erste Veränderungen zur Folge: Neben dem Pferdeverleih verkaufen die Einheimischen auch Getränke und Snacks an improvisierten Ständen, und die Gemeinde Pitumarca, die einige rustikale Toiletten (Plumpsklos) in die Bergwelt gestellt hat, nimmt ein Eintrittsgeld von 10 Soles, das in unserem gezahlten Tourpreis schon inbegriffen ist. Die Nachbargemeinde Cusipata liegt deswegen mit Pitumarca über Kreuz: Sie reklamiert ihrerseits die Zuständigkeit über das Gebiet und hegt Pläne, in der rohstoffreichen Region Lizenzen zum Kupferabbau zu vergeben. Was die einzigartige Natur dort oben unwiderbringlich zerstören würde – hier könnte der Tourismus tatsächlich einmal helfen, eine Umweltkatastrophe zu verhindern!

Besuch auf der "Hochland-Toilette"
Besuch auf der Freiluft-Toilette

Doch uns beschäftigt jetzt einfach nur das Vorwärtskommen. Es wird zeitweilig steiler, und an einem gewissen Punkt ist das den Pferden dann zuviel; die Reiter müssen absteigen und ein Stück laufen, bis es wieder etwas flacher wird. Der Pfad führt nun auf einen Berghang zu, den wir bis zu einem Einschnitt hinauf müssen – hier ist endgültig Schluss für die Pferde, und das auf einer Höhe von vielleicht 4.900 Metern!

Blick nach vorne: Das Ziel rückt allmählich näher...
Blick nach vorne: Das Ziel rückt allmählich näher…
...Blick zurück: Auch die Berge im Hintergrund haben exotische Farben
…Blick zurück: Auch die Berge im Hintergrund haben exotische Farben

Jetzt erfordert jeder Schritt Überwindung, denn die dünne Luft macht das Atmen schwer. Doch oben in der Sohle des Gipfelgrats angekommen, verfliegt die Erschöpfung sofort: Links sehen wir jetzt den unglaublichen, in verschiedensten Farben gestreiften Vinicunca, und auch davor und dahinter entfaltet sich eine farbenprächtige Bergwelt – ein Bild, das wie von einem anderen Planeten zu stammen scheint!

Farbenprächtige Bergflanken...
Farbenprächtige Bergflanken…
...und weites Andenhochland
…und weites Andenhochland

Doch wir sind noch nicht am Ziel: Ein Pfeil zeigt nach rechts zum Aussichtspunkt – wir müssen noch einmal an die 100 Höhenmeter aufwärts, noch einmal auf die Zähne beißen, denn erst dort oben, auf 5.100 Metern, erhalten wir den wirklich spektakulären Blick auf den „Rainbow Mountain“.

Letzte Kraftanstrengung: Es geht hinauf zum Aussichtspunkt
Letzte Kraftanstrengung: Es geht hinauf zum Aussichtspunkt

Und wir haben Glück: Unten im Tal ziehen allmählich dunkle Regenwolken auf, aber hier oben scheint die Sonne auf die bunten Berge, sodass wir diese unvergleichliche Landschaft in ihrer ganzen, mit Worten kaum beschreibbaren Schönheit erleben dürfen.

Geschafft! Wir sind am "Rainbow Mountain"!
Geschafft! Wir sind am „Rainbow Mountain“!

Der Grund für die bunten Streifen, in denen der Vinicunca erstrahlt, liegt in den verschiedenen Mineralien, die sich hier abgelagert haben: Die rote Farbe ist auf Eisenoxid zurückzuführen, die grüne auf Kupferoxid, das Gelb kommt vom Schwefel und die schwarzen Streifen erklären sich durch Granit.

Verschiedene Mineralien ergeben die bunten Streifen
Verschiedene Mineralien ergeben die bunten Streifen

Obwohl hier oben ein heftiger, kalter Wind bläst, können wir uns kaum sattsehen an der grandiosen Bergwelt. Wohin wir auch blicken – überall sind die Berge von verschiedensten Farben überzogen oder leuchtet das strahlende Weiß des Ausangate-Gletschers zu uns herüber. Dies hier ist wirklich ein ganz besonderer, mit keinem von uns bisher besuchten Ort der Welt vergleichbarer Platz – vielen Dank, Peter, für diesen Tipp! Sehr fraglich, ob wir die Tour sonst gemacht hätten!

Das bunte Farbenspiel setzt sich nahtlos fort...
Das bunte Farbenspiel setzt sich nahtlos fort…
Hang in Rot-Weiß - die peruanischen Nationalfarben...
Hang in Rot-Weiß – die peruanischen Nationalfarben…
...und gegenüber der schneebedeckte Ausangate
…und gegenüber der schneebedeckte Ausangate

Und als wir gegen elf Uhr den Rückweg antreten, verstehen wir auch etwas besser, warum es unserem Fahrer heute morgen so arg pressiert hat. Die Wolken werden immer dichter, es beginnt zwischenzeitlich sogar zu graupeln – hier oben in den Bergen ist das Wetter immer morgens am besten; wer später kommt, wie andere Besuchergruppen, sieht die Regenbogen-Farben des Vinicunca nur noch ziemlich matt…

Auf dem Rückweg: Im Tal ist Regen aufgezogen
Auf dem Rückweg: Im Tal ist Regen aufgezogen

Wir dagegen sind nach gut zweistündigem Abstieg rechtzeitig vor einem heftigen Graupelschauer wieder zurück im „Basislager“ und freuen uns über die gute Suppe und ein Gericht der Einheimischen, bestehend aus Kartoffeln, Gemüse, Hähnchen und Reis. Ein wenig Kopfschmerzen als Begleiterscheinung der enormen Höhe gehören auch dazu – aber die vergehen wieder, die Erinnerung an diese einmalige Landschaft dagegen bleibt!

Zurück im Basislager Quechuyno
Zurück im Basislager Quechuyno