La Paz.
Etwa 70 Kilometer westlich von La Paz, nicht allzu weit entfernt vom Südufer des Titicaca-Sees, liegt eine Ruinenstätte, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, über deren Ursprünge und Bedeutung aber vieles auch heute noch im Reich der Spekulation liegt. Tiwanaku, auch in der spanischen Schreibweise Tiahuanaco geläufig, ist ein Ort, dessen Ursprünge nach den Erkenntnissen der Archäologen bis zu 3.500 Jahre in die Vergangenheit reichen. Allerdings haben die präkolumbischen Kulturen keinerlei schriftliche Zeugnisse hinterlassen, was die Arbeit der Historiker deutlich erschwert. Legenden und teils abenteuerliche Theorien, wie die des Schweizers Erich von Däniken, der die Ursprünge Tiwanakus Außerirdischen zuschreibt, schießen daher immer noch ins Kraut. Bei einem Tagesausflug von La Paz aus wollen wir mehr über den auf 3.870 Metern in der Hochebene gelegenen geschichtsträchtigen Ort erfahren – nach der Ankunft wird unsere Busgruppe zuerst in ein Museum geführt, in dem wir zahlreiche Keramiken und Steinmetzarbeiten bewundern können, die von den Wissenschaftlern geborgen wurden und eine Vorstellung von Techniken, Lebensweise und religösen Vorstellungen der ehemaligen Bewohner Tiwanakus vermitteln. Bildnisse von schnurrbärtigen Männern mit eindeutig asiatischen Gesichtszügen lassen sogar Kontakte dieser Kultur nach China oder Japan vermuten – die Einheimischen, macht uns unsere Führerin deutlich, sind von Natur aus nämlich so gut wie bartlos.

Noch interessanter ist natürlich der Rundgang über die ausgedehnten Ruinenfelder von Tiwanaku. Zunächst gilt unsere Aufmerksamkeit der Stufenpyramide Akapana. Von den ursprünglich sieben Stufen sind einige inzwischen rekonstruiert – original erhalten sind nur noch einige Grundmauern. Schuld daran, das haben wir inzwischen schon des Öfteren erfahren, sind auch in diesem Fall wieder die Spanier, die die im 16. Jahrhundert längst verlassenen Gebäude fälschlicherweise den Inka zuschrieben und auf der Suche nach Gold und Silber die Bauwerke gründlich abtrugen.

Die Pfarrkirche des nahe gelegenen heutigen Ortes Tiwanaku, erzählt uns unsere Reiseführerin, wurde aus den Steinen von Tiwanaku errichtet.

Es gibt mehrere große Tempelbereiche in Tiwanaku. Kein Wunder, in seiner Blütezeit etwa von 600 – 9oo n. Ch. war die Stadt Zentrum eines großen Reiches, das bis an die Küsten des nördlichen Chile und des südlichen Peru sowie ins nordwestliche Argentinien reichte. Neben der Stufenpyramide werden wir auf den auf „Normalniveau“ erbauten Tempel Kalasasaya aufmerksam gemacht, der ein schönes Eingangstor hat und von einer noch gut erhaltenen, imposanten Steinmauer umgeben ist.

Noch interessanter ist der abgesenkte Tempel, dessen Boden einige Meter in die Erde abgesenkt ist. Er wurde von den Spaniern nicht entdeckt, weil er damals bereits verschüttet war und erst Anfang der 1930er Jahre von einem amerikanischen Archäologen-Team freigelegt wurde. Hier finden sich insgesamt 177 zum Teil noch recht gut erhaltene steinerne Köpfe verstorbener wichtiger Persönlichkeiten, die in regelmäßigen Abständen die Mauern zieren. Die Wissenschaftler sehen diesen Tempel aufgrund seiner Lage als Bindeglied zur „Unterwelt“; Kalasasaya könnte demnach den Lebenden gedient haben und die Stufenpyramide war das Heim der Götter.

Zwei überlebensgroße Kolossalstatuen, in ihrer Machart den bekannten Steinfiguren auf der Osterinsel nicht unähnlich, verkörpern wohl die als gottgleich verehrten Herrscher dieses Volkes. In den Händen halten die „Ponce“ und „Fraile“ benannten Figuren Symbole, die ihre weltliche und geistliche Macht anzeigen. 365 kreisförmige Verzierungen auf dem Umhang der Statuen weisen darauf hin, dass diese Kultur das Sonnenjahr genau verfolgte und, wie die Inka, die Sonne auch als oberste Gottheit verehrte.

Auch das bekannteste Bauwerk Tiwanakus, das Sonnentor, verweist auf diesen religiösen Hintergrund. Über dem Durchgang prangt mächtig das Bildnis des Schöpfergottes Wirakocha, als dessen Sohn der Sonnengott Inti angesehen wurde.

An seiner originalen Stelle steht das Sonnentor heute allerdings nicht mehr. Nach den Zerstörungen durch die Spanier wurde es erst Anfang des 20. Jahrhunderts wieder aufgestellt. Es könnte einmal ein Teil der Stufenpyramide oder des Kalasasaya-Tempels gewesen sein, darauf deuten Steinfragmente desselben Materials hin, die dort gefunden wurden.

Etwas abseits von den anderen Stätten gelegen ist Puma Punku. Erst seit Kurzem ist dieser Ort für Besucher zugänglich, nachdem lange Zeit Archäologen an diesem Ort Ausgrabungen und Untersuchungen vornahmen. Es handelt sich auch hier um eine Stufenpyramide, allerdings wurde sie so gründlich zerstört, dass nur noch einzelne Steinblöcke von der einstigen Existenz eines großartigen Bauwerks zeugen.

Hier beeindrucken vor allem die unglaublich präzise bearbeiteten Felsbrocken. Nicht nur ihre zum Teil gewaltige Größe, sondern auch die äußerst exakt geformten rechteckigen Strukturen und schmalen, absolut gerade verlaufenden Ritzen geben zu vielfältigen Spekulationen Anlass, wie die Tiwanaku-Kultur dies bewerkstelligen konnte. Esoteriker sprechen davon, dass dieses indigene Volk mit Laserstrahlen gearbeitet haben könnte; japanische Wissenschaftler machten Versuche mit Diamanten, brachten jedoch keine gleichwertigen Resultate zustande. Es bleibt vieles rätselhaft um die Hintergründe, aber auch das Ende dieser Zivilisation – etwa gegen 1200 wurde Tiwanaku, vielleicht aufgrund verschlechterter Klimabedingungen, verlassen. Und bis heute ist erst etwa ein Prozent der Gesamtfläche freigelegt…

Hallo ihr beiden 😊
Eure Reiseberichte sind einfach nur faszinierend und wirklich wunderschön!
Ich weiß nicht, ob ich jetzt, wenn es hier bei uns langsam heimelig adventlich wird, tatsächlich mit euch in Bolivien tauschen wollen würde… Vermutlich nicht – aber wohl spätestens nach der Weihnachtszeit 😉
Die Fotos sind grandios! Da merkt man erst, wie wenig man über Bolivien weiß…
Eine gute Zeit weiterhin wünscht euch
Daniela
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Hallo Daniela,
wir sind eigentlich ganz froh, dass wir dieses Jahr den Weihnachtstrubel elegant umschiffen… wobei wir in La Paz in einem Supermarkt auch schon die ersten Weihnachtsbäume gesehen haben.
Wir setzen unsere Entdeckungsreise morgen in Richtung Tiefland fort!
LG aus Coroico
Jana und Wolfgang
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