Santa Cruz.
Es waren zwar nur drei Nächte, aber die Herzlichkeit, mit der wir von Lina, der Inhaberin der Posada „Guasu“ betreut wurden, lässt uns den Abschied von ihr und dem jungen Kolumbianer Carlos, der als Rucksack-Reisender gegen Kost und Logis einige Tage in Küche und Haus mitarbeitet, sehr schwer werden. Wir müssen Carlos das Versprechen geben, ihn in seiner Heimatstadt Bogotá zu besuchen. Im Juni sollte es soweit sein… Ohnehin könnte man es in Samaipata ohne Weiteres länger aushalten: Attraktive Ausflugsziele in der lieblichen Mittelgebirgslandschaft gäbe es noch einige, und auch die angenehmen, frühlingshaften Temperaturen passen perfekt.

Unsere Reisepläne sehen allerdings anderes vor. Deswegen sitzen wir schon kurz nach zehn Uhr wieder in einem Minibus, der uns in gut zweieinhalb Stunden zurück ins hochsommerlich heiße Santa Cruz fährt. Mit einem Taxi lassen wir uns ans Hostal „Río Magdalena“ bringen – wir kennen die Unterkunft ja noch von unserer ersten Übernachtung und wissen inzwischen, dass sie von außen wie ein völlig unscheinbares Privathaus wirkt. Der Fahrer schaut dementsprechend ein wenig verblüfft, als wir bestätigen, dass wir hier richtig sind…

Nach einer kleinen Siesta – bei gut 30° C im Schatten durchaus angebracht – begeben wir uns im Laufe des Nachmittags auf eine Stadterkundung. Santa Cruz de la Sierra (Heiliges Kreuz der Berge), so der komplette Stadtname, wurde im 16. Jahrhundert ursprünglich 250 Kilometer weiter östlich von einem Spanier gegründet und nach seiner Heimatstadt benannt. Weil es ständig Konflikte mit Ureinwohnern gab, verlegte man den Ort dreißig Jahre nach der Gründung an den heutigen Standort. Berge gibt es hier allerdings genauso nicht wie noch weiter draußen im Chaco. Jahrhundertelang war Santa Cruz nichts weiter als eine verschlafene Kleinstadt weitab von den bolivianischen Zentren im Hochland, dessen Grundlagen Ackerbau und Rinderzucht bildeten. Erst der Fund von Erdöl und Gas in den 1950er Jahren führte dazu, dass Santa Cruz als Zentrum einer rohstoffreichen Region plötzlich landesweite Bedeutung erlangte. Seitdem wuchs die Stadt um ein Vielfaches und ist inzwischen mit knapp 1,5 Millionen Einwohnern größte Stadt Boliviens.
Sie gilt als wohlhabendste und modernste Stadt des Landes – ein Attribut, das wir schon bei der Fahrt durch die Vorstädte nur bestätigen können. Wir sehen zahlreiche Niederlassungen internationaler Firmen, Hochhäuser mit Glasfassaden, gepflegte Gärten, ordentliche Häuser, mehrspurige Straßen, Ampelanlagen und Verkehrsschilder; in den Straßen der Innenstadt gibt es an jeder Ecke Mülleimer, vergleichsweise liegt wesentlich weniger Dreck herum als in den Orten im Hochland. Dass die Menschen hier sehr freundlich und aufgeschlossen sind, habe ich wohl schon in einem früheren Beitrag erwähnt…

Die andere Seite der schnellen Entwicklung von Santa Cruz ist, dass die Stadt nicht gerade über viele sehenswerte historische Bauwerke verfügt. Die Seitenstraßen der Innenstadt sind geprägt von unscheinbaren, niedrigen Häusern mit verwitterten Ziegeldächern und überstehenden Obergeschossen, die von dunkel gestrichenen Holzpfosten getragen werden. So gut wie alle Repräsentativbauten gruppieren sich um den zentralen Platz, der hier den Namen Plaza 24 de Septiembre trägt.

Die Plaza ist von vielen Palmen bestanden, in einem sehr gepflegten Zustand und bietet neben zahlreichen Bänken auch anderweitige Möglichkeiten zur Zerstreuung – an Schachbrettern tragen ins Spiel versunkene ältere Herrschaften ihre nachmittäglichen Duelle aus.

Hier finden sich schöne, schattige Arkadengänge vor modernen Geschäftsgebäuden. Das äußerst großzügig gestaltete Rathaus der Stadt nimmt fast eine komplette Platzseite ein. Das Haus der Kultur und das Stadttheater residieren hinter bestens restaurierten kolonialzeitlichen Fassaden.

Und unübersehbar breitet sich an der Südseite der Plaza die Basilika San Lorenzo aus, ein Backsteinbau aus dem frühen 19. Jahrhundert mit im Inneren festlichem, aber nicht überladenem Barockgepräge.


Einen der Doppeltürme der Basilika kann man besteigen und hat von oben einen guten Überblick über die weit ins flache, grüne Land hinausgewucherte bolivianische Boomstadt.

Dieser Boom hat auch seine kuriosen Seiten: Ein Einkaufszentrum – wir schätzen es mal ungefähr auf die halbe Größe der Augsburger City-Galerie – besteht fast nur aus Handy-Läden! Geräte, Karten, Zubehör, Reparatur… was auch immer, aber wir können uns einfach nicht vorstellen, dass all diese kleinen Geschäfte auf Dauer überlebensfähig sind. Wer hier in Bolivien übrigens bereits den Laden zumachen musste, ist McDonald’s: Der weltgrößte Fastfood-Konzern schloss seine Filialen im Land, weil die Bevölkerung die dort angebotenen Produkte konsequent mied.

Bei einem Bummel durch die Seitenstraßen kommen wir noch am Parque Arenal vorbei, der rund um einen künstlichen See mit einer Fontäne angelegt ist und einen Blick auf das höchste Gebäude der Stadt, den 100 Meter hohen Justizpalast, bietet.

Ein unerwartetes Erlebnis bietet schließlich das Abendessen. Wir bestellen, der Region entsprechend, zum ersten Mal ein richtiges Rindersteak. Als uns die Portionen (inclusive üppiger Beilagen etwa sieben Euro pro Person) serviert werden, kriegen wir vor Staunen den Mund kaum zu und müssen lachen, als die Bedienung sogar noch einen zweiten Tisch heranstellt: Die Fleischstücke sind riesig und schmecken richtig gut! Wir sind so satt, dass es uns zumindest heute Abend überhaupt nicht stört, dass wir morgen in unserem Hostel kein Frühstück bekommen werden, weil wir schon um sieben Uhr zum Airport hinausfahren werden, um unseren Flug nach Sucre zu erreichen.

Hallo Jana, Hallo Wolfgang,
ein wirklich toller Reiseblog, dem ich seit einiger Zeit gerne folge. Interessante Einblicke und wirklich schöne Fotos!!!
Ich freue mich jetzt schon auf die nächsten Berichte (und Fotos) von euch.
Ganz liebe Grüße aus Donauwörth
Mehlika
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Hallo, liebe Mehlika!
Wie schön, von dir zu hören! Wir hoffen, dir gehts gut und du hast es mit dem Stundenplan halbwegs gut getroffen.
Ja, wir genießen unsere Freiheit hier sehr, brauchen uns um nichts zu kümmern außer um Unterkunft und Essen, ziehen weiter wenn uns danach ist und merken, mit wie wenig man zufrieden sein kann.
Es freut uns sehr, wenn dir unser Blog gefällt und du ein bisschen mitreisen kannst.
Grüß alle Kolleginnen (Männer gibts ja keine mehr, oder?) und den Chef ganz lieb von mir!
Bleib gesund und sei gedrückt,
Jana
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