San Juan.
Nach zwei Tagen in Potosí brechen wir am Sonntagvormittag auf zu unserer nächsten Etappe. Dazu lassen wir uns von einem Taxi an das „Ex-Terminal“ bringen – den alten Busbahnhof von Potosí, der schon etwas in die Jahre gekommen ist. Nach wie vor fahren von hier aber die Busse nach Uyuni ab. Für umgerechnet knapp vier Euro begeben wir uns auf eine vierstündige Fahrt in den äußersten Südwesten Boliviens, die durch einsame Berglandschaften und ausgetrocknete Flusstäler führt.

Nur wenige kleine Orte gibt es in dieser äußerst abgelegenen Gegend. Und unser Zielort Uyuni schließlich hat eine sehr spezielle, eigentlich absolut unwirtliche Lage: Es geht einige Serpentinen hinunter in eine unübersehbare, vegetationslose Ebene auf 3.670 Metern Höhe – und genau dort liegt die 20.000-Einwohner-Stadt. Sie wurde erst 1889 als Militärstandort gegründet; wenige Jahre nach dem verlorenen Krieg gegen Chile sollte die nahe Grenze wohl gegen befürchtete weitere Expansionsversuche des westlichen Nachbarn gesichert werden. Den rauen Charme einer „Frontier Town“ hat Uyuni noch heute: sandige Straßen, durch die ein ewiger Wind die achtlos weggeworfenen Plastiktüten weht, bestimmen die Peripherie. Nur im Zentrum zeigt sich die Stadt von einer gepflegteren Seite: Uhrturm, Rathaus und Kirche sind die auffälligsten Bauwerke rund um die zentrale Plaza Arce, die von einigen Bäumen bestanden ist – ein Luxus in einer Stadt, in der so wenig Regen fällt, dass das Trinkwasser ein kostbares Gut ist.


Für sich genommen wäre Uyuni sicher keinen Besuch wert; aber als Ausgangspunkt für eine Expedition in die spektakulärste Landschaft Boliviens, die gleich vor den Toren der Stadt beginnt, ist sie der perfekte Standort. So verlassen wir am Montag nach einer Übernachtung das Hotel „Salcay“ wieder. Bereits in Sucre haben wir ja die Drei-Tages-Tour durch den größten Salzsee der Welt, den Salar de Uyuni, und seine einzigartige Umgebung gebucht und machen uns nun, es ist unser 100. Reisetag, auf zum Tourveranstalter „Licancabur“. Um halb elf Uhr soll es losgehen; wir stehen eine Viertelstunde früher vor der Tür des Büros – aber die ist geschlossen, kein Mensch ist da; nur die Hauskatze grüßt uns durch die Glastür. Als dann endlich jemand kommt, macht der Typ auch nicht unbedingt den aufgewecktesten und engagiertesten Eindruck. Es dauert fast eine Stunde, bis endlich unser Tourfahrzeug, ein Geländewagen mit Platz für sechs Fahrgäste, erscheint und uns aufnimmt. Wir sind die ersten Teilnehmer; anschließend gesellen sich noch ein Bolivianer, ein Spanier und ein norwegisches Ehepaar, das aber schon lange in Bolivien lebt, alle jenseits der 60, zu uns. Heute sind wir also mal die jüngsten Gruppenmitglieder! Der erste Halt liegt nur ein paar Fahrminuten außerhalb von Uyuni. Hier gibt es einen ausgedehnten Eisenbahnfriedhof zu bewundern: Auf einigen Abstellgleisen rosten seit Jahrzehnten Güterzüge aus dem frühen 20. Jahrhundert vor sich hin und legen Zeugnis davon ab, dass die zahlreichen Rohstoffe der Region – wie z. B. Silber aus Potosí – über Uyuni per Bahn in Richtung Pazifik weitertransportiert wurden.

Nächstes Ziel ist der kleine Ort Colchani, etwa 15 Kilometer außerhalb von Uyuni am Rande des Salzsees gelegen. Hier haben wir Gelegenheit zu einem Bummel und Einkäufen auf dem dortigen Markt.

Danach fährt unser Tourguide Alex endgültig auf den Salzsee. „See“ ist hier ein etwas irreführender Begriff: Mit Wasser ist die riesige, fast 11.000 km² umfassende Fläche nur während der Regenzeit von Ende Dezember bis März bedeckt; ansonsten ist der Salar eine gigantische Wüste, deren Salzkruste bis zu 30 Meter dick ist. Dennoch gibt es einige Stellen, an denen das Salzwasser aus dem Untergrund hervorsprudelt – die sogenannten „Augen des Salar“; an ihnen legen wir einen ersten Stopp ein.

Der nächste Halt ist dann mitten in der weiten, weißen Ebene; hier wurde aus Salzblöcken eine Art Rasthütte erbaut, in der wir unser mitgebrachtes Mittagessen bekommen.


Alleine sind wir hier wahrlich nicht – es stehen Dutzende von Geländewägen herum, die alle mit jeweils sechs Personen besetzt sind. Weil vor zwei Jahren die Rallye Dakar durch den Salar führte, steht seitdem ein großes, natürlich auch aus Salz errichtetes Denkmal hier, das an dieses Sportereignis erinnert.


Die Faszination des Salar de Uyuni liegt neben der endlos erscheinenden Weite auch in den wabenartigen Formen begründet, in denen das Salz am Boden auskristallisiert ist. Wir staunen, wozu die Natur fähig ist!

Und dieses Staunen wird nicht geringer, als wir die Isla del Incahuasi erreichen. Insgesamt 28 Inseln gibt es in den Weiten des Salzsees; die Incahuasi ist mit ihren zahlreichen, mehrere Meter hohen Kakteen und ihren schroffen Lavafelsen eine besondere Attraktion.

Auf einem Wanderweg kann man bis zum höchsten Punkt laufen und genießt von dort einen unvergleichlichen Blick über die weiße Ebene.

Doch das ist noch nicht alles für heute: Alex steuert einen Platz an, von dem aus sich die hinter den imposanten Bergketten im Westen des Salar langsam versinkende Abendsonne perfekt beobachten lässt. Der Wind bläst nun recht ordentlich, die tagsüber angenehmen Temperaturen sinken rasch ab.


Danach fahren wir noch eine ganze Stunde, bis wir den etwas südlich des Salzsees gelegenen kleinen Ort San Juan erreicht haben, wo wir – wie auch einige andere Gruppen – in einem einfachen Salzhotel untergebracht werden: Die Unterkunft ist komplett aus Salzblöcken errichtet, der Boden mit Salz eingestreut. Heizung? Fehlanzeige. Aber das wussten wir ja vorher: Wer diese Gegend bereisen möchte, muss sich darüber im Klaren sein, dass er auf den gewohnten Komfort verzichten muss…

