Cafayate.
Nach drei Nächten in Salta starten wir zu unserer ersten Etappe innerhalb Argentiniens – mit dem Bus lassen wir uns in gut dreieinhalb Stunden hinaus aufs Land bringen, ins 12.000 Einwohner zählende Städtchen Cafayate. Es liegt auf knapp 1.700 Metern mitten in den breiten Valles Calchaquíes, das von zwei Höhenzügen der Anden flankiert wird. Auf der Fahrt passieren wir zunächst grünes Weideland, bevor sich die Straße im zweiten Teil der Strecke durch die von spektakulären bunten Felsformationen geprägte Quebrada de las Conchas (Muschelschlucht) windet. Wir genießen die einmal mehr unglaublichen Landschaften zunächst vom Busfenster aus, werden sie aber noch genauer kennenlernen.

In Cafayate angekommen, laufen wir erst einmal zu unserem Hotel „Los Toneles“. Sein Name, übersetzt „Die Fässer“, verweist bereits auf eine der wichtigsten wirtschaftlichen Aktivitäten der Region – Weinanbau ist in dem trockenen, sonnigen Klima bestens möglich und ein wichtiger Bestandteil des touristischen Potenzials der Region.

Wir wohnen unweit der Plaza 20 de Febrero, die neben der Kathedrale Nuestra Señora del Rosario von zahlreichen Cafés und Restaurants gesäumt wird. Obwohl es auf Freitagabend zugeht und im argentinischen Frühsommer bestes Wetter herrscht, sehen wir nicht allzuviele Touristen.

Eine lange Warteschlange hat sich dagegen vor den Geldautomaten einer Bank gebildet. Was ist denn hier los? Die Zusammenhänge erschließen sich uns erst Zug um Zug: Es ist Monatsanfang, in den letzten Tagen gab es Probleme mit der Technik, und deswegen stehen jetzt dutzende Einheimische geduldig an, um möglichst viel Geld abzuheben, bevor die Automaten vielleicht wieder leer sind. Und ob die am Wochenende aufgefüllt werden? Das Geld auf dem Girokonto zu lassen, ist in Argentinien momentan keine sinnvolle Option. Die Inflation im Land ist immens hoch: Die niedrigsten Angaben im Internet liegen bei 25 Prozent, die Einheimischen sprechen sogar von bis zu 80 Prozent (in einem Jahr!). Das macht sich natürlich auch beim Wechselkurs bemerkbar. In unserem 2013 gedruckten Reiseführer lesen wir 1:7, mittlerweile bekommt man für einen Euro 17 Pesos. Ein billiges Reiseland ist Argentinien deswegen aber keinesfalls, die Preise liegen auf deutschem Niveau. Eine Postkarte nach Europa kostet sogar fast vier Euro! Für uns eine gewaltige, schmerzhafte Umstellung, denn in Ecuador, Peru und Bolivien lebten wir bisher sehr günstig. Zudem werfen die Geldautomaten aller Banken pro Transaktion maximal 2.000 Pesos (ca. 118 Euro) aus und berechnen etwa fünf Prozent Kommission (ca. 6 Euro!).

Diese seit Jahren schwelende Wirtschaftskrise drückt natürlich auf die allgemeine Stimmung im Land. Und das ist auch der Grund, warum nur relativ wenige Argentinier zu einem Wochenendausflug nach Cafayate aufbrechen – das Geld wird eher in Weihnachtsgeschenke investiert, und die müssen jetzt am Monatsanfang gekauft werden, ehe die Inflation den Wert des verdienten Geldes gleich wieder abschmilzt.
Die beste Methode, um die enormen Alltagsprobleme des Landes hinter sich zu lassen, besteht darin, Ausflüge in die fantastische Natur rund um Cafayate zu unternehmen.

Wir schwingen uns am Samstagvormittag auf die in unserem Hotel ausleihbaren Fahrräder und unternehmen eine kleine Runde durch die wunderbar grünen Weingärten – zunächst im weiten Calchaquí-Tal, danach strampeln wir mit unseren Mountain-Bikes gut eine Stunde einen stetig ansteigenden, holprigen Feldweg hinauf, um zu einem Weingut mit angegliedertem Restaurant zu gelangen, das wir schließlich nach schweißtreibender Fahrt durch die Mittagshitze (ungefähr 30 Grad bei wolkenlosem Himmel) erreichen.

Lohn dafür ist ein hervorragendes Glas Weißwein der lokalen Sorte Torrontés Riojano auf einer schattigen Terrasse mit herrlichem Blick über die Weinberge auf Cafayate – ein sehr aromatischer, trockener Tropfen, von dem wir sofort begeistert sind. Danach rollen wir beschwingt und mühelos hinunter in den Ort – eine kurze Siesta tut gut, bevor es nachmittags um 15 Uhr weitergeht mit einem Ausflug in die Quebrada de las Conchas.

Bislang fanden solche Fahrten ja meistens mit einem Kleinbus statt. Diesmal steht dagegen nur ein Auto, ein Siebensitzer, da – ja, die Gruppe ist klein, da braucht man keine so großen Fahrzeuge! Außer uns steigen noch ein Deutscher, ein Schweizer und ein Pärchen aus Taiwan ein. Nach kurzer Fahrt erreichen wir mit den Los Colorados den ersten Platz, an dem wir zu einem kurzen Spaziergang aufbrechen. Es geht durch eine von Wind und den seltenen Regenfällen in Jahrmillionen zu bizarren Formen modellierte rote Felslandschaft, in denen es sogar kleine Höhlen gibt.


In den nächsten drei Stunden fährt uns unser Guide zu immer neuen, staunenswerten Plätzen. Welche Kunstwerke die Natur hier geschaffen hat! Da sind die massiven, vor einer noch höheren Felswand stehenden Gesteinsblöcke, die tatsächlich dem Aussehen von Burgen ähneln und deswegen den Namen „Los Castillos“ erhalten haben.

Zerklüftete Formationen treffen wir an den „Las Ventanas“ an – hier haben sich regelrechte Felstore gebildet, die zur spanischen Bezeichnung „Die Fenster“ führten.

Eine längere Wanderung ist das Gebiet „La Yesera“ wert. Hier ziehen sich verschiedene Mineralschichten in den unterschiedlichsten Farben durch die Bergflanken und verleihen ihnen dadurch ein besonders malerisches Aussehen. Die Gesteinsebenen verlaufen nicht immer geradlinig, sondern beschreiben zum Teil wellenartige Kurven oder liegen komplett schräg in der Landschaft – beeindruckende Bilder, die eine Vorstellung von den Kräften vermitteln, die unsere Erdoberfläche im Laufe von Äonen gestaltet und verändert haben.


Ein schönes Panorama vom Tal des Río de las Conchas können wir am Aussichtsplatz „Tres Cruces“ bewundern.

Zum Schluss unserer Exkursion in die „Muschelschlucht“, die ihren Namen von den zahlreichen hier gefundenen Meeresfossilien erhalten hat, stehen zwei besonders spektakuläre Orte auf dem Besuchsprogramm. Zum einen ist dies das „Ánfiteatro“, eine annähernd kreisrunde, von hohen Felsen umgebene natürliche Arena, in der eine fantastische Akustik herrscht, die denn auch für Open-Air-Konzerte genutzt wird.

Der zweite Platz ist die „Garganta del Diablo“, der Teufelsschlund. Hier führt das kleine Seitental immer weiter nach oben und wird dabei immer schmaler, bis es schließlich im Nichts zu verschwinden scheint – daher wohl der Name.

Am Sonntag steht ein weiterer Ausflug in die Umgebung an – die Cascadas del Río Colorado sind ein weiteres lohnenswertes Ziel gleich außerhalb von Cafayate. Ein Taxi bringt uns bis zum Ausgangspunkt der Wanderung; dort wartet schon ein junger Einheimischer auf Kundschaft – er fungiert als Guide, denn alleine findet man sich in dem unübersichtlichen Gelände angeblich kaum zurecht. Wir warten noch etwas, bis weitere Wanderer kommen, damit es für jeden Einzelnen etwas günstiger wird. Nach einer Viertelstunde, in der wir uns mit Ariel über Fußball und Wein unterhalten haben, kommt tatsächlich ein weiteres Auto – es ist ein Argentinier namens Julián, der unterwegs noch ein junges israelisches Pärchen mitgenommen hat, das zu Fuß hierher unterwegs war.

Wäre eigentlich ganz gut, die Tour zu fünft zu unternehmen; die beiden Israelis entscheiden sich dann aber, die Wanderung ohne Guide durchzuführen. Also sind wir nur zu dritt; beziehungsweise eigentlich, denn das Pärchen folgt uns in gebührendem Abstand. So geht’s natürlich auch… besonders fair ist das aber nicht gerade!

Um ehrlich zu sein: Den Weg zu den Wasserfällen hätten wir ohne Ariel wohl nicht gefunden. Dazu muss man nämlich immer mal wieder den Bachlauf des Río Colorado überqueren, ein Stück an einem betonierten Bewässerungskanal entlanglaufen und teilweise an abenteuerlich erscheinenden schmalen Felswänden entlangkraxeln.


Insgesamt gibt es in dem immer enger werdenden, landschaftlich wunderschönen, von zahlreichen Kakteen und anderen wärmeliebenden Pflanzen bewachsenen Tal sieben Wasserfälle zu bestaunen. Gleich am ersten hüpft Ariel in voller Montur – nur das T-Shirt zieht er aus – in die kleine Lagune und ermuntert uns dazu, es ihm nachzutun. Also nehmen Julián und ich ebenfalls ein spontanes Bad samt Dusche am Wasserfall; ein erfrischendes Erlebnis bei sommerlich warmen Temperaturen!



Über Stock und Stein, durch kleine Höhlen und vorbei an beeindruckenden Felsen, wandern wir weiter bergauf zu den nächsten beiden Kaskaden. Danach beschließen wir, dass wir genug gesehen haben, denn es ist schon ein ganzes Stück wieder zurückzulaufen, außerdem sind unsere Bargeldbestände bereits wieder deutlich abgeschmolzen. Unten reicht’s gerade noch für die Bezahlung von Ariel – hätten wir ein Taxi gebraucht, wäre es echt problematisch geworden. Aber der sehr freundliche Julián lässt das Thema gar nicht erst aufkommen; selbstverständlich nimmt er uns in seinem Auto mit nach Cafayate.


Jetzt brauchen wir Nachschub vom Geldautomaten; doch Julián und auch der Rezeptionist in unserem Hotel sagen das Gleiche: Das Gerät ist leer, Nachschub gibt es frühestens am Abend. Was nun? Mit den paar restlichen Pesos kommen wir wohl kaum über die Runden… Es gibt einige Restaurants, die Karten akzeptieren, beruhigt uns der Hotelmitarbeiter. Aber halt leider nicht alle; und vor allem wollen wir ja jetzt eigentlich nur eine Kleinigkeit essen. Also versuchen wir unser Glück eben doch am Geldautomaten – und siehe da, er spuckt anstandslos die gewünschten Scheine aus!
Damit ist dieser Tag auch finanziell gerettet. Und abends gehen wir wieder in dasselbe gute Restaurant mit einem sehr freundlichen Kellner zum Essen wie gestern – bei mediterranen Temperaturen abends um halb zehn im Freien, und das am 4. Dezember. Auch in dieser Hinsicht unterscheidet sich Argentinien gewaltig – und in diesem Fall positiv – von den nördlichen Nachbarn, wo man nach Einbruch der Dunkelheit meist nur mit Jacke unterwegs sein konnte!

Hallo ihr zwei,
finde es immer wieder schön eure Erlebnisse zu lesen. Wenn ich überlege, was ihr in so kurzer Zeit schon erlebt habt und was ich schon alles durch eure informativen Bericht und Bilder erfahren und gesehen habe, einfach super. Bei uns ist es mittlerweile schon etwas frostig, da seid ihr zu beneiden mit euren sommerlichen Temperaturen. Aber auch die Adventszeit hat ihren eigenen Charme. 🎄Ich verstehe aber gut, dass ihr darauf in diesem Jahr verzichten könnt. Also weiterhin eine schöne Zeit und bitte fleißig weiterschreiben.👍
Liebe Grüße Lioba
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Hallo Lioba,
und wir finden es immer wieder schön, Kommentare zu erhalten!
Haltet durch im kalten Deutschland, morgen kommt der Nikolaus, und dann sind es ja nur noch zweieinhalb Wochen bis zum Christkind 🙂
Wir sind schon am nächsten Etappenort – hier ist es üppig grün und angenehm mild, ähnlich wie im Frühsommer in den Alpen!
LG aus Tafí del Valle
Jana und Wolfgang
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Hallo ihr beiden!
Vielen Dank für eure wirklich anhaltenden, tollen Reiseberichte. Die Bilder aus Argentinien finde ich besonders schön! Ich muss dich, Wolfgang, ja auch echt bewundern, wie du es in dem ganzen Reisetrubel schaffst, stets aktuelle und so ausführliche Infos zu präsentieren – châpeau!
Viele liebe Grüße nach Argentinien!
(und obwohl ich einen frostigen Advent ja sehr gerne mag – bei dem letzten Foto (abends draußen auf der Terrasse) hätte ich mich tatsächlich gern dazugesetzt 😉)
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