Tafí del Valle.

Der Montag beginnt gemütlich: Uns bleiben noch einige Stunden im sommerlich warmen Cafayate, ehe wir zum Busbahnhof hinauslaufen, wo pünktlich um zwei Uhr nachmittags unser Bus abfährt. Es geht zunächst noch eine Weile durch die sonnenbeschienenen, weinbepflanzten Ebenen der Valles Calchaquíes. Irgendwann zweigen wir aber auf eine ruckelige, kurvige Nebenstraße ab, die sich in Richtung Südosten zum 3.042 Meter hohen Gebirgspass Abra del Infernillo hinaufschraubt. Kaum fahren wir wieder bergab, ändert sich das Landschaftsbild grundlegend: Anstelle von kargen, hauptsächlich von Kakteen bewachsenen Berghängen sehen wir nun saftig grüne Wiesen und ausgedehnte Bergwälder, in denen neben Laub- auch Nadelbäume zu finden sind – sind uns die in Südamerika bislang überhaupt irgendwo begegnet?

Schön grün ist es rund um Tafí del Valle
Schön grün ist es rund um Tafí del Valle

Nach gut zweieinhalbstündiger Fahrt erreichen wir den kleinen Busbahnhof von Tafí del Valle. Egal wo wir bisher ankamen: Überall standen reihenweise Taxis herum, wir brauchten nur die Adresse unserer Unterkunft anzugeben und nach dem Preis zu fragen. Hier dagegen – gähnende Leere. Also laufen wir zur Straße und marschieren erst einmal ein Stück in die Richtung, in der es nach Zentrum aussieht. Plötzlich tut sich unter mir der Abgrund auf: Eine Betonplatte, die einen Wassergraben am Straßenrand abdeckt, bricht durch, als ich darauf trete. Ich kann mich gerade noch auf festen Untergrund retten!

Qualität sieht anders aus: durchgebrochene Betonplatte in Tafí del Valle
Qualität sieht anders aus: durchgebrochene Betonplatte in Tafí del Valle

Nach diesem Schreck lassen wir uns erst einmal in einem Café, das unter anderem Streuselkuchen (geschrieben „Stroisel“) im Angebot hat, nieder und fragen nach dem Weg zu unserem Hotel: Es ist zum Glück nicht weit, nach vielleicht zehn Minuten sind wir im „Las Tacanas“ angekommen.

Gepflegte Gartenanlage in der Estancia Las Tacanas
Gepflegte Gartenanlage in der Estancia Las Tacanas

Hier wohnen wir mitten im Grünen und umgeben von jahrhundertelanger Geschichte: Der ehemals von Jesuiten betriebene Gutshof, laut Eigenwerbung das älteste Hotel Argentiniens, ist heute sehr stilvoll zu einem kleinen Übernachtungsbetrieb mit ausgedehnten Gartenanlagen umgebaut und sicherlich einer der bisher geschmackvollsten Aufenthaltsorte auf unserer Reise. Er liegt zwar auch preislich über dem Durchschnitt, aber wirklich günstige Hostels gibt es in Tafí nicht.

Rustikal-gemütlicher Aufenthaltsraum
Rustikal-gemütlicher Aufenthaltsraum

Das hängt damit zusammen, dass Tafí del Valle ein äußerst beliebter Erholungsort ist; vor allem wohlhabende Bürger der nicht weit entfernten Provinzhauptstadt Tucumán flüchten gerne vor der sommerlichen Hitze in das auf über 2.000 Metern gelegene, mit gemäßigtem Klima und einer wunderschönen Landschaft gesegnete Dorf. Viele haben hier inzwischen recht noble Zweitwohnsitze errichtet – Tafí macht deswegen einen größeren Eindruck, als es die offizielle Einwohnerzahl von 4.000 aussagt.

Landsitz eines reichen Stadtbürgers in Tafí
Landsitz eines reichen Stadtbürgers in Tafí

Noch ist allerdings Vorsaison, und wir bekommen nur wenige Touristen zu sehen. Dementsprechend langweilen sich die Mitarbeiter in der Tourist-Information und im Jesuitenmuseum „La Banda“ und freuen sich, dass wir mit unserem Besuch etwas Abwechslung bringen. Bei La Banda handelt es sich um einen ehemaligen Jesuitenkonvent, der nach der Vertreibung der Ordensmänner durch die spanischen Kolonialherren lange als Residenz eines Großgrundbesitzers diente. Zahlreiche historische Einrichtungsgegenstände berichten vom Leben auf einem argentinischen Landgut des 19. Jahrhunderts, und die blumenbewachsenen Innenhöfen mit Brunnen und kleinen Toren vermitteln ein Gefühl von Nostalgie.

Innenhof des Jesuitenkonvents La Banda
Innenhof des Jesuitenkonvents La Banda

Eine kleine Wanderung hinauf zum Cerro de la Cruz verschafft uns die Gelegenheit zu einem Rundum-Ausblick auf Tafí del Valle und seine von Bergen umrahmte Umgebung, zu der ein Stück südlich des Ortes auch der Stausee Dique La Angostura gehört – hier fühlen wir uns ein bisschen an Südtirol erinnert, nur dass die Landschaft weiter und größer erscheint. Wie formulierte es doch kürzlich ein Deutscher, der mehrere Jahre in Argentinien gelebt hat, so treffend: „Europa ist die Puppenstube der Welt“.

Auf dem Cerro de la Cruz
Auf dem Cerro de la Cruz

Wie es sich für eine Bergwanderung gehört, gibt es am Gipfelkreuz eine zünftige Brotzeit – dafür bietet Tafí del Valle schließlich auch beste Voraussetzungen: Guter Wein wird gleich im Nachbartal und ein Stück weiter südlich in der bekannten Weinregion um Mendoza angebaut, und hervorragenden Käse und ausgezeichnete Salami produzieren die hiesigen Landwirte – nicht umsonst gilt Tafí als Käsehauptstadt Argentiniens.

In luftiger Höhe schmeckt's besonders gut...
In luftiger Höhe schmeckt’s besonders gut…

Die Weidewirtschaft der Region profitiert natürlich von den üppig grünen Wiesen – und die kommen nicht von ungefähr: Niederschläge gibt es hier reichlich; jeden Nachmittag können wir beobachten, wie sich die Wolken an den Bergen festhängen und gegen Abend schließlich als Gewitterregen für reichlich Wassernachschub sorgen. Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, die Wolken auf ihrem Weg an den Berghängen entlang durch das Tal zu verfolgen.

Am Río Tafí
Am Río Tafí
...Wolken wabern über den See
…Wolken wabern über den See

Doch nicht nur Rindern und Ziegen bietet Tafí del Valle ideale Lebensbedingungen. Als wir anderntags mit gemieteten Fahrrädern ein Stück den Río Tafí entlang in Richtung Stausee fahren, begegnen wir einer großen Anzahl von Pferden, die auf unüberschaubar großen Weideflächen praktisch frei herumlaufen und sogar den Fluss überqueren können. Ein Hufeisen hat Jana ja schon in Cafayate gefunden, das jetzt als Glücksbringer ihren Rucksack beschwert; hier sehen wir nun zum ersten Mal jene Tiere, die untrennbar mit Argentiniens Ruf als Heimat der Gauchos verbunden sind!OLYMPUS DIGITAL CAMERA