El Chaltén.
Unser zweiter Chile-Aufenthalt hat etwas länger gedauert als der erste – immerhin zehn Tage. Doch nun wollen wir zusammen mit Denise und Peter den argentinischen Teil Patagoniens kennenlernen und verlassen dazu Puerto Natales am Dienstagmorgen mit dem Bus. Die Tickets für den Trip nach El Calafate haben wir vor drei Tagen gleich bei unserer Ankunft gekauft – und leicht erhöhten Pulsschlag verspürt, ehe wir Erfolg hatten. Bei zwei Busgesellschaften waren alle Plätze bereits ausgebucht, erst die dritte – und letzte – hatte noch etwas frei. Glück gehabt!
Nach nicht viel mehr als einer halben Stunde Fahrzeit stehen wir bereits an der Grenze: Der Paso Dorotea auf gut 600 Metern Meereshöhe verbindet unweit von Puerto Natales im äußersten Süden Patagoniens Chile und Argentinien. Für uns der dritte Grenzübertritt zwischen beiden Ländern, zum dritten Mal sind die Formalitäten etwas unterschiedlich. Diesmal müssen wir an zwei Grenzhäuschen aussteigen, uns anstellen und Ausreise- bzw. Einreisestempel abholen. Dafür wird zum ersten Mal das Gepäck nicht gescannt. Trotzdem dauert die Prozedur für unseren Doppelstock-Bus insgesamt eineinhalb Stunden.

Begrüßt werden wir auf argentinischer Seite übrigens mit einem unübersehbaren Schild: „Las Malvinas son argentinas“ (die Malwinen sind argentinisch). Eine schwärende Wunde im argentinischen Nationalbewusstsein: Der international als Falkland-Inseln bekannte Archipel vor der Südküste wird nach wie vor von der Regierung in Buenos Aires beansprucht, auch wenn der Versuch der damals regierenden Militärjunta, die Inseln durch einen kriegerischen Coup in Besitz zu nehmen, 1982 fehlschlug, weil die britische Kolonialmacht unter der Premierministern Margaret Thatcher die argentinischen Angreifer schnell wieder vertrieb.

Anschließend verlassen wir die Anden und lernen beim Blick aus dem Busfenster erstmals das andere, das „typische“ Patagonien kennen: Weites baumloses Land, von kargen Gräsern und Büschen bewachsen und nur sehr spärlich von Schafherden beweidet – eine menschenleere Gegend, windgepeitscht und öde; das „Ende der Welt“ ist hier mehr als nur ein Schlagwort.

Nach Stunden ändert sich endlich etwas im Landschaftsbild: ein breites, tiefes Tal tut sich auf, hier fließt der Río Santa Cruz aus dem riesigen, sich am Horizont vor den nun wieder sichtbaren Andengipfeln ausbreitenden Lago Argentino. Lange braucht der Bus, um über zahlreiche Serpentinen unten anzukommen und anschließend El Calafate zu erreichen – Zwischenziel, aber noch nicht Ende der heutigen Etappe.

Die soll uns nämlich noch weiter nach El Chaltén führen. Der nächste Bus, für den es Fahrkarten gibt, fährt erst um 18 Uhr; wir haben daher drei Stunden Zeit, um uns in El Calafate mit Bargeld zu versorgen (das soll in El Chaltén nämlich möglicherweise etwas schwierig werden), essen zu gehen und ein bisschen durch die Stadt zu bummeln. Überraschung des Tages: eine Bäckerei, in der es Brezen gibt! Für Peter und mich ein Feiertag…

Der Bus nach El Chaltén benötigt dann noch einmal über zweieinhalb Stunden – auf der Landkarte sind das Nachbarorte, in Wirklichkeit sind sie über 200 Kilometer voneinander entfernt. Patagonische Verhältnisse… Im Hostel „Aylen Aike“ beziehen wir für fünf Nächte vier Betten in einem Sechser-Schlafsaal mit Gemeinschaftsbad auf dem Flur und Gemeinschaftsküche – einfache Bedingungen, aber viele Optionen waren im Ort schon vor Wochen nicht mehr frei, als wir hier buchten, und höhere Ansprüche würden hier ganz schnell astronomische Übernachtungspreise zur Folge haben. El Chaltén, kein Zweifel, ist einer der Tourismusmagneten Argentiniens. Zu Recht wirbt der Ort damit, Wanderhauptstadt des Landes zu sein. Denn wo sonst ist es möglich, direkt von der Unterkunft aus mehrere hochinteressante Bergtouren in Angriff zu nehmen?

Erst einmal sehen wir uns am nächsten Tag aber ein wenig in dem etwa 1.500 Einwohner zählenden Dorf um. El Chalténs Geschichte ist so ungewöhnlich wie kurz: Erst im Oktober 1985 wurde das Dorf am Eingang zum Nationalpark Los Glaciares gegründet. Entsprechend niedrig ist der Altersdurchschnitt der Einwohner (und der Bedarf für einen Friedhof bislang nicht gegeben), die aus allen Teilen Argentiniens zuwanderten und hier innerhalb von drei Jahrzehnten einen florierenden Fremdenverkehrsort entstehen ließen – vom Staat gefördert, denn der Grenzverlauf ist in dieser Gegend nicht exakt definiert. Dass die ersten Siedler hier die argentinische Flagge hissten, stellte Tatsachen her, die auch der darüber erzürnte Nachbar Chile nicht ignorieren konnte. Obwohl auf chilenischen Landkarten El Chaltén als in Chile liegend eingezeichnet wird…

Trotz seiner Abgeschiedenheit dringen auch nach El Chaltén unerbittlich die Errungenschaften der Neuzeit ein. Lange Zeit führte nur eine Schotterpiste hierher, inzwischen ist die Zufahrtsstraße bestens asphaltiert, genau wie die meisten innerörtlichen Wege. Und auch das Internet hat sich seinen Weg ins Bergtal gebahnt: In den Reiseführern ist noch von kaum existenten Verbindungen die Rede, unser Hostelbetreiber Sebastian verkündet an unserem zweiten Besuchstag, dass gerade ein neuer Router im Haus angeschlossen wurde – und siehe da: Wir haben ab sofort eine wirklich passable Verbindung!

Ein vier Kilometer langer Spaziergang führt uns am Spätnachmittag etwas hinaus aus dem Ort. Entlang dem wilden, ungebändigten Gebirgsfluss Río de las Vueltas laufen wir zum tollen Wasserfall Chorillo del Salto. 20 Meter stürzt hier der Río Chorillo zu Tal und bietet zusammen mit dem von zahlreichen Steinen durchsetzten Flussbett einen wunderbaren Anblick. Hier lässt es sich herrlich relaxen und die Sonne genießen.


An diesem Abend gehen wir recht früh ins Bett. Der Donnerstag soll der schönste Tag während unseres Aufenthalts in El Chaltén werden – perfekt, um die hin und zurück 24 Kilometer lange Wanderung an den Fuß des imposanten Monte Fitz Roy, einer der Wahrzeichen der Gegend, in Angriff zu nehmen!

Vom etwa 400 Meter hoch gelegenen Ort müssen wir zunächst einmal einen Aufstieg bewältigen, ehe sich der Weg die nächsten acht Kilometer recht flach durch eine herrliche Berglandschaft zieht, die von Wäldern, kleinen Mooren, offenem Buschland und einigen Fluss- und Bachläufen gebildet wird.

Zwischendurch ergeben sich mehrmals tolle Panoramen: Zunächst hinunter ins Tal des Río de las Vueltas, der von Norden kommend aus dem langgestreckten Grenzsee Lago del Desierto entspringt, später dann bereits auf das noch von einigen dünnen Wolkenfetzen umwaberte Bergmassiv, dessen höchste der zahlreichen steil aufragenden Spitzen der 3.375 Meter hohe Monte Fitz Roy ist.


Doch der Blick auf ihn soll noch viel spektakulärer und ungetrübter werden – eine nicht selbstverständliche Gunst des Wettergottes, denn hier in Südpatagonien ist es selbst im Sommer oft sehr rau und wechselhaft, und sehr häufig ist der Blick auf den Bergriesen durch dichte Wolken versperrt, die der Pazifik von Westen her unablässig an die Südanden trägt.

Ehe wir nach etwa viereinhalb Stunden – mehrere Pausen eingerechnet – den auf etwa 1.150 Metern liegenden höchsten Punkt der Wanderung erreicht haben, muss auf dem letzten Kilometer allerdings noch ein sehr steiler, anstrengender Anstieg durch ein nicht leicht zu begehendes Geröllfeld bewältigt werden.

Dann stehen wir auf einem Hang, der gegenüber der imposanten Gipfelkette mit dem Monte Fitz Roy als höchster Granitnadel liegt und blicken hinunter auf die wunderbar milchigblaue Laguna de los Tres, die unverkennbar von einem Gletscher gespeist wird.

Eine weitere, einige hundert Meter entfernte Kuppe ist über einen Trampelpfad, auch wenn der nicht mehr Teil des eigentlichen Wanderweges ist, ebenfalls erreichbar. Beim Aufstieg hatte uns ein entgegenkommender Amerikaner dringend empfohlen, dorthin zu gehen – und als wir schließlich dort oben sind, müssen wir bestätigen: Der gute Mann hatte absolut recht!

Es ist einfach fantastisch, bei strahlendem Sonnenschein und fast absoluter Windstille – in Patagonien wahrlich eine Seltenheit – hier oben zu sitzen, eine wohlverdiente Brotzeit zu genießen und dabei neben der umwerfenden Bergkulisse gleich zwei malerische Seen vor Augen zu haben. Neben der Laguna de los Tres ist das die dunkler schimmernde, von steilen Felswänden eingerahmte Laguna Sucia.

Und sie bietet uns im Verlauf unserer gut einstündigen Mittagspause ein ganz besonderes, spektakuläres Naturschauspiel: Vom Gletscher, der sich die Steilwand hinter der Lagune entlangzieht, bricht mit lautem Getöse ein gewaltiges Eisfeld ab und stürzt in einer fast eine Minute anhaltenden Kaskade ins Wasser – eine Demonstration elementarer Gewalten, die man als Mensch ehrfürchtig und fasziniert bestaunt.

Der Rückweg ist topographisch etwas weniger anspruchsvoll als bei der ansonsten vergleichbaren Wanderung zu den Torres del Paine vor vier Tagen auf chilenischer Seite. So kommen wir – nach einem Abstecher zur ruhigen, für eine kleine Pause idealen waldumrahmten Laguna Capri – weniger erschöpft im Tal an und lassen den traumhaften Sommertag auf der Sonnenterrasse eines kleinen Lokals in El Chaltén gemütlich ausklingen.

Hallo ihr vier Wanderer!
Mittlerweile sind wir im Allgäu, bei strahlendem Sonnenschein ohne Schnee….
Zu unserer Überraschung, haben wir gesehen, dass ihr Internet und einen neuen, fantastischen Blog gesendet habt.
Die Bilder sind wieder mal atemberaubend schön und faszinierend. Wir reisen weiter mit!
Alles Liebe und Gute, bleibt gesund und munter, auch im nächsten Jahr.
Es grüßen euch ganz ❤lich
6 Seltmänner
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Hallo ihr Seltmänner,
viele Grüße zurück ins Allgäu! Kommt ebenfalls gut ins neue Jahr rein!
Liebe Grüße von uns vieren
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Hallo liebe vier Globetrotter und besonders unser liebster Globetrottel Denisä,
viele Grüße aus dem wie gewohnt nebligen Rheintal in die sonnige Ferne! Wir verfolgen mit Spannung euren Blog und freuen uns täglich über neue Fotos!:)
Kommt gut in’s neue Jahr – guten Rutsch!
Lene und Matzy
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