El Calafate.
Neujahrstag 2017 – Anlass für eine kleine Zwischenbilanz, ehe unsere große Reise durch Südamerika ihre Fortsetzung findet. Seit wir am 14. August, genau heute vor 20 Wochen, die heimische Haustür hinter uns zugezogen haben, haben wir zu Lande, zu Wasser und in der Luft über 31.000 Kilometer zurückgelegt (10.500 davon gleich beim Hinflug) und sind dabei schon in fünf verschiedenen Ländern unterwegs gewesen. Und wir haben noch mehr als sieben Monate Zeit… Ausschlafen können wir jedoch an diesem Morgen nicht: Schon um neun Uhr fährt der Bus ab, der uns die gut 200 Kilometer zurück nach El Calafate bringt, von wo aus wir vor fünf Tagen auch nach El Chaltén gefahren waren.
Im Glaciar Perito Moreno Hostel, etwas außerhalb der Stadt auf dem Gelände des alten Flughafens gelegen (seine Landebahnen sind zu ungewöhnlich breiten Straßen umfunktioniert worden), holen wir ein bisschen Schlaf nach, bevor wir uns auf einen Stadtbummel durch El Calafate begeben.

Die auf etwa 200 Metern Höhe am Südufer des riesigen Lago Argentino gelegene Stadt wurde erst 1927 gegründet mit dem Ziel, die Besiedlung der Region voranzutreiben. Lange war El Calafate nur ein kleines Dorf; erst mit der Einrichtung des Nationalparks „Los Glaciares“ begann der allmähliche Aufschwung des Ortes, der inzwischen zu einer über 20.000 Einwohner zählenden Stadt herangewachsen ist.

Markante Sehenswürdigkeiten hat El Calafate dementsprechend nicht zu bieten; dafür zahllose Läden und Restaurants, deren Angebot und Preisniveau ganz auf zahlungskräftige Gäste aus aller Welt abzielt. Wir schlackern mit den Ohren, als wir uns in ein paar Souvenirläden umsehen und die Speisekarten derjenigen Restaurants studieren, die an diesem 1. Januar, der noch dazu auf einen Sonntag fällt, überhaupt geöffnet haben. Es dauert lange, bis wir ein passendes Lokal finden…

Für argentinische Normalverbraucher ist ein Aufenthalt in El Calafate deswegen fast unbezahlbar. Darüber klagt auch eine Lehrerin aus Mendoza, die in unserem Hostel ein Bett in einem Schlafsaal belegt und sich selbst verpflegt (was wir in den kommenden Tagen, als die Lebensmittelläden wieder geöffnet haben, auch tun). Doch so lange die Tourismusindustrie auf Hochtouren läuft und die auch für argentinische Verhältnisse abgelegene Stadt weiter wächst, wird sich daran wohl nichts ändern…
Die meisten Touren in den Nationalpark, die im Ort angeboten werden, übersteigen ebenfalls alle Kategorien, die wir bisher von irgendwo sonst gewohnt waren. So beschränken wir uns am Montag darauf, Sehenswürdigkeiten zu besuchen, die ohne größeren Aufwand zu erreichen sind. Zu Fuß brauchen wir von unserem Hostel eine gute halbe Stunde zum Vogelreservat „Laguna Nimez“. Neben der namensgebenden Lagune gehört noch eine zweite, etwas kleinere zu diesem Areal, das in unmittelbarer Nähe zum Lago Argentino liegt.




Hier hat die Universität von Patagonien zusammen mit mehreren Tierschutzverbänden ein weitläufiges Schutzgebiet eingerichtet, durch das ein gut ausgewiesener und detailreich beschilderter Pfad führt, auf dem sich zahlreiche einheimische Vogelarten bestens beobachten lassen. Wenngleich uns die spanischen und englischen Bezeichnungen nicht alle geläufig sind, so bietet der fast eineinhalbstündige Spaziergang durch sich im lebhaften patagonischen Wind biegende Gräser doch reichlich Sehenswertes. Und Ibisse oder Flamingos können sogar wir zuordnen…

Etwa sechs Kilometer westlich der Stadt steht seit 2011 auf einem kleinen Hügel eine neue Attraktion von El Calafate – das Museum „Glaciarium“. Shuttle-Busse bringen interessierte Besucher stündlich kostenlos dorthin.

Der Besuch lohnt den Eintritt ohne Frage: Äußerst anschaulich, sehr detailliert, unter verschiedensten Aspekten und mit Hilfe mehrerer Filme werden hier die Entstehung, die Ausdehnung, die Bedeutung und die Bedrohung der Gletscher erläutert. Natürlich liegt der Fokus vor allem auf den Gletschern des Nationalparks vor der Haustür, doch das Glaciarium erwähnt auch die Gletscher in allen anderen Teilen der Erde und macht bewusst, welche weiteren Folgen die Klimaerwärmung nach sich ziehen könnte – von Dürren und Überschwemmungen über zunehmende Stürme bis hin zum Aussterben verschiedenster Tier- und Pflanzengattungen.

Außerdem wird im Glaciarium auch ein Stück Entdeckungsgeschichte aufgearbeitet: Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde diese abgelegene, raue Gegend an der Südspitze des Kontinents von wagemutigen Männern allmählich erkundet und das Wissen um die fantastische Natur publik. Schnell folgten dann allerdings auch Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Nachbarn Argentinien und Chile, die durch die Einsetzung von Expertenkommissionen nach und nach entschärft werden konnten. Einer der bedeutendsten argentinischen Geographen, der durch sein in zahlreichen Expeditionen erworbenes Wissen maßgeblichen Einfluss auf die Grenzziehung hatte, war Perito Moreno. Ihm ist im Glaciarium eine eigene Ausstellung gewidmet, nach ihm ist auch der bekannteste Gletscherarm des Gebiets benannt (und damit indirekt ebenso unser Hostel, das sich nach dem Gletscher bezeichnet).

Den Perito-Moreno-Gletscher zu besuchen ist ein absolutes Muss und der eigentliche Grund für einen Aufenthalt in El Calafate. Nur, wie kommen wir dort am günstigsten hin? Schon als wir auf der Fahrt nach El Chaltén hier einen Zwischenaufenthalt hatten, unterbreitete uns ein Taxifahrer das Angebot, uns an den etwa 80 Kilometer entfernten Gletscher zu fahren. Zu viert kämen wir mit ihm günstiger, als wenn wir eine Tour mit dem Bus dorthin buchten. Ein Preisvergleich ergibt: Der gute Mann hat Recht. Also rufen wir ihn an (sein Kärtchen hat er uns ja mitgegeben) und machen den Ausflug dorthin für Dienstagnachmittag klar. Eineinhalb Stunden vor der Abfahrt klingelt plötzlich Janas Handy. Eine unbekannte argentinische Nummer ist zu sehen. Wer ist das? Es meldet sich ein Federico, ein Freund des Taxifahrers, da dieser heute in El Chaltén unterwegs ist; aber keine Sorge, er übernimmt den Auftrag zum gleichen Preis. So unkompliziert und unbürokratisch läuft das eben in Südamerika…

Die Fahrt geht entlang des Lago Argentino westwärts. In El Chaltén waren wir im gleichen Nationalpark kostenlos wandern, hier zahlen wir als Ausländer nun gut 20 Euro Eintritt. Doch einmal am Gletscher angekommen, verschwenden wir in den nächsten Stunden keinen Gedanken mehr daran. Hier bekommen wir eines der grandiosesten Naturschauspiele geboten, das wir je gesehen haben.

Mehrere Faktoren tragen dazu bei: Da ist einmal die Halbinsel Magallanes, die von Osten nahe an die Bergkette der Anden heranrückt; hinzu kommen die weit verzweigten Seitenarme des Lago Argentino und natürlich die mächtige, aus den Bergen heruntergleitende Gletscherzunge, die den Namen von Perito Moreno trägt.

An der Engstelle zwischen den Seearmen Canal de los Témpanos und Brazo Rico reicht der Gletscher bis ganz nahe ans gegenüberliegende Steilufer heran – so nahe, dass er im Winter die Verbindung zwischen den beiden Seeteilen verschließt. Jetzt befinden wir uns auf der südlichen Hemisphäre zwar bereits im Sommer, doch der Gletscher sperrt den Brazo Rico immer noch vom großen Rest des Lago Argentino ab. Ein völlig untypisches Phänomen: Weltweit gehen fast alle Gletscher rapide zurück, der Perito-Moreno-Gletscher dagegen zeigt sich nicht nur stabil, er wächst nach den Messungen der Wissenschaftler sogar an.

Trotzdem: In den Sommermonaten kalbt natürlich auch der Perito-Moreno-Gletscher, und verstärkt tut er das jeweils in den späten Nachmittagsstunden, weil dann die Wärme des Tages (wobei „Wärme“ hier ein relativer Begriff ist: Es ist empfindlich kühl, man braucht schon eine gute Jacke) für die meisten Eisabbrüche sorgt. Von den kilometerlangen Beobachtungswegen und den zahlreichen Aussichtsplattformen aus haben wir viele Gelegenheiten, uns auf die Lauer zu legen und zu spekulieren, wo an der mehrere Kilometer breiten und bis zu 70 Meter hohen Gletscherwand als nächstes ein größeres Eisstück wegbricht.


Um das herauszufinden, heißt es auch genau hinzuhören. Denn die Eisbrocken, die manchmal als gewaltige Bretter oder mächtige Eisberge abbrechen können, tun das nicht ohne Vorankündigung. Immer wieder knistert und knackt es laut aus dem gewaltigen Eisfeld, manchmal hört es sich an, als ob ein Jäger gerade einen Schuss abgegeben hätte, ein andermal wie eine Sprengung.

Bricht dann ein größeres Eisstück ab, folgt dem ersten Teil sehr häufig bald noch mehr. Gewaltige Flutwellen werden von den ins Wasser stürzenden Gletscherteilen ausgelöst – die Ausflugsboote, die Touren zum Gletscher anbieten, müssen deswegen einen gehörigen Sicherheitsabstand zu der überdimensionalen Eiswand einhalten. Da können wir auf den Beobachtungspfaden näher ran…

Es fällt uns schwer, uns nach über drei Stunden auf den Weg zum Parkplatz zu machen, wo unser Fahrer auf uns gewartet hat. Hier könnte man schier endlos stehen und zusehen, es würde einfach nicht langweilig werden…

So wunderschöne Bilder!!! Herzlichen Dank 🙂 wir sind auf Südamerikatour in unserem Jeep und total gespannt auf Ushuaia und Feuerland 🙂 Lieben Gruß von feli
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Liebe Feli,
wo immer du momentan unterwegs bist: Wir wünschen dir viel Spaß und alles Gute auf deiner/euerer Fahrt durch Südamerika und gute Ankunft in Ushuaia!
Und – auch am Ende der Welt geht’s weiter!
Liebe Grüße!
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Lieber Wolfgang!
Herzlichen Dank 🙂 Jaaa auch am Ende gehts weiter! Wir werden von Ushuaia wieder an der Westküste bis nach Venezuela fahren !
Liebe Grüße 🙂
Feli
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Wunderschöne Bilder!
Weiterhin eine interessante Reise und
herzliche Grüße
Hannelore
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