Ancud.
Fünf Tage an einem Ort sind für unsere Verhältnisse eine lange Zeit. Entweder es drängt uns danach woandershin, oder wir haben uns fast schon eingelebt und scheiden nur schweren Herzens. Am Freitagmorgen in Puerto Varas ist Letzteres der Fall: Noch einmal gibt es zum Frühstück frisch gebackenen Kuchen von Erika, die uns anschließend herzlich und mit besten Wünschen verabschiedet. In ihrem kleinen, nostalgischen Hostel haben wir uns sehr wohl gefühlt – auch wenn wir nicht ein ganzes Jahr lang Streuselkuchen zum Frühstück brauchen würden…

Ein Minibus bringt uns zunächst ans Terminal nach Puerto Montt, das wir mittlerweile ja schon gut kennen. Hier steigen wir in einen Reisebus um und nehmen auf der Panamericana Kurs Richtung Pargua, einem kleinen Ort an der steilen Nordküste des Canal de Chacao.

Er trennt das Festland von der Insel Chiloé, die wir in den nächsten Tagen erkunden wollen. Bus und Passagiere werden per Fähre in einer knappen halben Stunde auf Chiles zweitgrößte Insel (zum Vergleich: Sie ist etwas größer als Korsika) gebracht. Kurzweilig ist die Überfahrt nicht zuletzt deswegen, weil das Schiff von zahlreichen Seelöwen, Pinguinen und Delphinen begleitet wird – ein Indiz für den Fischreichtum dieses zum Pazifik gehörenden Meeresarms!


Anschließend haben wir bald Ancud, die mit knapp 30.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Chiloés, erreicht. Die einstige Inselhauptstadt zieht sich entlang einer Bucht an der Nordküste, die durch eine vorgelagerte Halbinsel vom offenen Pazifik getrennt ist. An der Avenida Salvador Allende, die vom Hafen aus der nach Südwesten verlaufenden Küstenlinie folgt, lässt sich gemütlich entlangbummeln. Die sanft geschwungenen, von saftig grünen Wiesen und kleinen Wäldern überzogenen Hügel der Umgebung tun ihr Übriges dazu, dass Chiloé vom ersten Augenblick wohltuend beruhigend auf uns wirkt.

Hier sind es tatsächlich vor allem Landschaft und die besondere Insel-Mentalität, die das Flair der Stadt ausmachen. Das Sightseeing-Programm hier relativ schnell erledigt. An der Plaza de Armas fällt die immer noch mit Christbaumkugeln geschmückte Araukarie mehr auf als die nach dem Erdbeben von 1960 in unscheinbarem, modernem Baustil wiedererrichtete Kathedrale.

Hübsch ist außerdem das Denkmal für die Feuerwehrleute, das direkt gegenüber dem Feuerwehrhaus aufgestellt worden ist.

Im Norden der Altstadt ist außerdem die spanische Festung San Antonio bemerkenswert. Der 1770 errichtete Bau war einer der letzten Rückzugsorte für die Kolonialherren; während Chile von Spanien bereits 1818 als selbstständiger Staat anerkannt wurde, hielten sich die einstigen Eroberer auf der Insel noch bis 1826. Heute sind die Reste der Festung als Aussichtspunkt auf die Stadt beliebt.

Zahlreiche alte Holzhäuser, viele von ihnen im Verlauf der Jahre wettergegerbt, prägen das Gesicht der Stadt.

Am „echtesten“ und ungeschminktesten wirkt Ancud rund um den Hafen; hier liegen kleine Fischerboote vor Anker, in den Lokalen rund um den Markt gibt es ein reichhaltiges und günstiges Angebot an Fisch und Meeresfrüchten, und ein alter Bootsmann spielt dazu die passenden Seefahrerlieder, die von den chilenischen Urlaubern begeistert mitgesungen werden.

Ein uriges Holzhaus ist auch unser „Chiloé Austral Hostel“, in dem wir ein kleines Zimmer für zwei Nächte beziehen. Der Blick aus dem Fenster hinunter aufs Meer ist wunderschön, ganz besonders, wenn spätabends die Sonne untergeht.

Am Samstag wollen wir auch etwas von der Gegend kennenlernen und nehmen deshalb an einem dreieinhalbstündigen Ausflug teil, der uns bei traumhaftem Wetter an die Nordwestküste von Chiloé führt. Zuerst kommen wir am unweit der Stadt gelegenen, ruhigen Sandstrand Lechagua vorbei.

Nachdem wir einige Zeit später die mit dem Meer verbundene, zeitweise von Flamingos bevölkerte Lagune Quilo passiert haben, erreichen wir schließlich das kleine Dörfchen Puñihuil.

Ihm vorgelagert sind eine Reihe von kleinen Felseneilanden, die die eigentliche Attraktion der Gegend ausmachen – als Monumento Natural Islotes de Puñihuil sind sie ein bedeutendes Naturschutzgebiet. Man darf die Inseln nicht betreten; die einzige Besuchsmöglichkeit besteht in einer etwa dreiviertelstündigen Bootstour. Da der Sandstrand hier so flach ist, müssen wir auf kleine Wägen, die Gepäckanhängern gleichen, steigen und werden von starken Männern durchs seichte Wasser zum Boot geschoben.

Besondere Bedeutung haben die hier ansässigen Pinguinkolonien: Neben den uns mittlerweile gut bekannten Magellan-Pinguinen leben hier auch die etwas größeren Humboldt-Pinguine.


Zudem sind die Felsen, hinter denen sich der offene Pazifik ausbreitet, von zahlreichen weiteren Seevögeln bevölkert. Wir können hier auch Pelikane, Kormorane und natürlich viele Möwen beobachten. Teilweise kreisen sie ziemlich dicht über unseren Köpfen.

Interessant sind auch die bizarren Felsformationen und die Veränderungen, die vor allem das Valdivia-Erdbeben vom 22. Mai 1960, das mit einem Wert von 9,5 schwerste je gemessene Erdbeben der Welt, ausgelöst hat – eine der Felseninseln wurde durch die gewaltigen Kräfte im Erdinneren fast auseinandergerissen. Die Formation „Piedra de Oso“, die in der aufgrund des Bebens entstandenen breiten Spalte übrig geblieben ist, legt von dem ungeheuren seismischen Ereignis dauerhaft Zeugnis ab.


Hallo ihr zwei,
bei jedem neuen Eintrag lese ich neugierig, was ihr alles über die Region, die ihr gerade besucht, berichtet. Aber auch die eindrucksvollen Bilder machen es möglich, dass ich immer ein bisschen mitreise und Südamerika mitentdecke. Ich wünsche euch weiterhin schöne Erlebnisse und dass ihr nicht müde werdet für uns alles festzuhalten. 👍
Liebe Grüße Lioba
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Hallo Lioba,
schön, dass du unsere Reise durch Südamerika nach wie vor begleitest! Vielleicht können wir ja ein klein bisschen vom chilenischen Sommer hinüberschicken in die bayerische Eiseskälte! Und bei so treuen Leser(inne)n macht es auch immer wieder Freude neue Beiträge auf die Seite zu stellen!
Liebe Grüße
Jana und Wolfgang
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