Montevideo.
Gleich das erste Ziel, das wir nach unserer Ankunft in Uruguay besuchen, ist die Hauptstadt des zweitkleinsten Landes von Südamerika. Drei Tage haben wir Zeit dafür, Montevideo kennenzulernen – ausreichend für die gut 1,3 Millionen Einwohner zählende Stadt; die auf der anderen Seite des Río de la Plata liegende argentinische Metropole Buenos Aires ist etwa zehnmal so groß! Und älter ist der nicht gerade sehr geliebte „große Bruder“ auch – Montevideo wurde erst 1724 als spanische Festung am Nordufer des unübersehbar breiten Flusses gegründet, um die hier immer wieder aufkreuzenden Portugiesen besser in Schach halten zu können. Der Name der Stadt bezieht sich auf einen dem Hafen gegenüberliegenden, 132 Meter hoch aufragenden Hügel, den die indigenen Guaraní Yvyty (Felsen) nannten: Monte Yvyty veränderte sich in der spanischen Schreibweise allmählich zu Montevideo.

Das historische Zentrum Montevideos, die Altstadt, konzentriert sich auf eine langgestreckte Halbinsel, die nach Osten in den Río de la Plata hineinreicht. Ihre Hauptachse wird von der als Fußgängerzone gestaltete Calle Sarandí gebildet; ihr entlang finden wir gleich einige schöne Beispiele der zahlreichen vornehmen Bürgerhäuser, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, als Handel und Agrarwirtschaft in Uruguay blühten, errichtet wurden.


Zentrum der Altstadt ist die Plaza de la Constitución: ein recht großer, angenehm grüner Platz, an dessen Ostseite sich die Catedral Metropolitana de Montevideo befindet. Sie wurde zwischen 1790 und 1804 in neoklassizistischem Stil errichtet und wirkt im Inneren gleichzeitig feierlich und doch auch gemütlich.



Richtig lebendig geht es ein paar Straßenzüge weiter am Mercado del Puerto (Hafenmarkt) zu: In der 1865 bis 1868 erbauten Markthalle reiht sich ein Grillrestaurant ans andere und lockt vor allem die Touristen an, die fasziniert auf die riesigen Mengen Fleisch und Wurst blicken, die da über dem offenen Feuer brutzeln und verführerisch duften.


Und wer da nicht hängen bleibt, den lockt draußen eine Rhythmusgruppe mit einer attraktiven Tänzerin. Zum Karneval? Das Karnevalsmuseum ist jedenfalls gleich um die Ecke…

Noch einen Straßenblock weiter, und wir haben den Hafen erreicht – ein äußerst weitläufiges Gebiet, in dem das 1931 im Art-déco-Stil fertiggestellte Gebäude der Nationalen Zolldirektion eine massive Landmarke bildet.

Gleich neben dem Fährhafen befindet sich das Containerterminal, und wir kommen uns beim Vorbeilaufen fast so vor, als ob wir plötzlich wieder in der Heimat sind. Auf den meisten Containern prangt nämlich unübersehbar die Aufschrift Hamburg-Süd…

Hat man die Ostspitze der Halbinsel, auf der sich die Altstadt befindet, umrundet, kann man auch als Spaziergänger direkt am Fluss entlangbummeln, der hier allerdings eher wie ein Meer wirkt – kein Wunder bei einer Breite von bis zu 200 Kilometern! Allerdings vermischt sich hier in Montevideo das Flusswasser bereits mit dem Wasser des Atlantischen Ozeans, in den der Zusammenfluss von Río Paraná und Río Uruguay schließlich mündet.

Längst ist Montevideo über die Grenzen seiner früheren Stadtbefestigung hinausgewachsen. An sie erinnert nur noch die sorgfältig restaurierte Puerta de la Ciudadela an der Ostseite der Plaza Independencia, die zum wahren Zentrum der uruguayischen Hauptstadt aufgestiegen ist.

Ihren Mittelpunkt bildet das riesige Reiterstandbild, das zu Ehren von José Artigas errichtet wurde. Der uruguayische Nationalheld hatte maßgeblichen Anteil daran, dass sich das kleine Land nach der Loslösung von der Kolonialmacht Spanien dem Einfluss des mächtigen Nachbarn Argentinien entziehen konnte und die eigene Unabhängigkeit erreichte.

Als zwischenzeitlich allerdings dann Brasilien Uruguay besetzte, floh der General ins Exil nach Paraguay, wo er 1850 starb. Jahre später wurden seine sterblichen Reste in die Heimat überführt und dort in allen Ehren bestattet. Das in den 1920ern auf der Plaza errichtete Reiterstandbild war der Militärdiktatur, die auch hier zwischen 1973 und 1985 zwölf Jahre lang eine Terrorherrschaft ausübte, wohl nicht ehrenvoll genug: Sie ließ bis 1977 unterhalb des Monuments ein düsteres Mausoleum errichten, in dessen Zentrum sich eine Urne mit der Asche des Nationalhelden befindet. Obwohl dieser Bau seit der Wiedererlangung der Demokratie äußerst umstritten ist, gibt es ihn bis heute – eine zweiköpfige Ehrenwache steht sich im Halbdunkel die Füße platt.

Rund um die Plaza Independencia befinden sich gleich mehrere bedeutsame Bauwerke. Besonders ästhetisch wirkt das schon auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgehende Teatro Solís, das zweitgrößte Theater des Kontinents, mit seiner neoklassizistischen Fassade.

Sehr modern – und im internationalen Vergleich damit ungewöhnlich – ist dagegen der Sitz des uruguayischen Staatspräsidenten (seit 2015 hat dieses Amt der linksgerichtete Tabaré Vázquez inne) gleich nebenan: Der Torre Ejecutiva mit großflächigen Glasfronten wurde erst 2009 eingeweiht. Das Präsidialamt belegt aber nur die obersten drei Etagen des 56 Meter hohen Bauwerks; die unteren neun Stockwerke sind anderen Behörden vorbehalten.

Das bekannteste Gebäude, heute ein Wahrzeichen Montevideos, ist jedoch zweifellos der an der Westseite der Plaza Independencia aufragende Palacio Salvo. José und Lorenzo Salvo, ein aus Italien stammendes Brüderpaar, das mit der Herstellung von Textilien zu Ruhm und Reichtum gekommen war, ließ den 105 Meter hohen Prachtbau von 1922 bis 1928 errichten. Zwei Punkte zogen jedoch vielfache Kritik der Zeitgenossen auf sich: Zum einen musste dafür die Confiteria La Giralda weichen, eine Institution der Stadt, in der 1917 auch der Tangoklassiker La Cumparsita, inzwischen eine Art inoffizielle Nationalhymne Uruguays, entstand. Hinzu kam die exzentrische Bauweise des Palastes: Architekt Mario Palanti ließ sich nicht von gängigen Vorstellungen leiten, sondern kreierte einen eigenwilligen Hochhausturm – genau wie einige Jahre zuvor bereits in Buenos Aires den Palacio Barolo, der dort ähnliche Reaktionen hervorrief.

Wir haben den Bau in den argentinischen Hauptstadt erst kürzlich besucht – klar, dass wir nun auch den Palacio Salvo besichtigen wollen! Am Sonntagvormittag geleitet uns ein im Stil der 20er Jahre gekleideter junger Mann mit dem Aufzug ins Obergeschoss des Baus, von wo wir weit über Altstadt und Río de la Plata blicken können – leider nur durch einige nicht besonders saubere Fenster.


Weiter unten erfahren wir mehr über den Palacio Salvo, der im Inneren wesentlich schlichter gehalten ist als sein Schwesterhaus. Er wurde jahrzehntelang als Hotel genutzt; mittlerweile sind die 400 Räume zu Wohnungen umgestaltet. Am schönsten sind die detailreich verzierten Marmorböden und die verspielten Geländer in den unteren acht Stockwerken. Sie erinnern am ehesten an den wesentlich glanzvolleren Palacio Barolo in Buenos Aires. Eine Radiostation in der ersten Etage, ein Fernsehstudio ganz oben im Turm und ein Tangomuseum im Erdgeschoss haben sich ebenfalls in dem imposanten Bauwerk angesiedelt.


Apropos Tango: Montevideo und Buenos Aires liefern sich einen erbitterten Wettstreit darum, welche Stadt als Geburtsort dieses Tanzes gelten darf. Völlig auflösen lässt sich diese Frage wohl nicht; doch als gesichert kann gelten, dass musikalische Einflüsse verschiedenster Einwanderergruppen auf beiden Seiten des Río de la Plata sich im Tango wiederfinden. Eine Posse besonderer Art ist der Streit darum, wo Carlos Gardel, der berühmteste Tangosänger aller Zeiten, geboren ist. Berühmt geworden ist er in Buenos Aires, doch dass er in einer kleinen Provinzstadt in Uruguay zur Welt kam, darauf schwört man hier Stein und Bein – wenngleich durchaus ernstzunehmende Quellen auch einen Geburtsort in Frankreich nahelegen. Sei’s drum: Ein Denkmal an der Haupteinkaufsstraße, der Avenida 18 de Julio, hat man Gardel auf jeden Fall gesetzt…

Und an diesem breitesten Boulevard der Stadt finden wir auch sonst noch so einiges Sehenswertes: Da ist gleich neben dem Gardel-Denkmal der originelle Fuente de los Candados, ein kleiner Brunnen mit rotem Herz, an dessen Umzäunung glückliche Paare viele tausende von Vorhängeschlössern befestigt haben. Auf dass die Liebe niemals ende…

Gesäumt wird die Straße von prachtvollen Stadtpalästen, deren Pretiosen sich oft erst bei genauerem Hinsehen offenbaren: Marmorsäulen, verzierte Türmchen, verschiedenfarbige Dächer…



Schlank und elegant wirkt die Friedenssäule an der Plaza de Cagancha, viel Grün lockert die dichte innerstädtische Bebauung an der großzügigen Plaza Juan Pedro Fabini auf.


Verlässt man jedoch die wie in jeder großen Stadt modern wirkenden Hauptstraßen, fühlt man sich in den platanenbestandenen Straßen Montevideos schnell wie in einer Zeitmaschine, die einen in die Vergangenheit zurückversetzt.

Das führt manchmal zu richtig nostalgischen Szenen: Im Café Brasilero wird der Kaffeehausstil des späten 19. Jahrhunderts noch heute zelebriert, grüngestrichene Kioske im Stil von Paris bieten wie eh und je Waren feil, und in unserem Hotel Europa untermalt ein reizender alter Herr am Klavier mit dezenten Melodien das Frühstück.



Oft schlägt die Nostalgie aber in Melancholie um, wenn man in den Seitenstraßen langsam zerbröselnde historische Fassaden erblickt, vor sich hinrostende Oldtimer entdeckt, sich über den auf den Gehwegen herumliegenden Müll ärgert oder gar die Estación Central General Artigas ansehen muss, den 1897 in Betrieb genommenen Hauptbahnhof der Stadt.


2003 wurde er stillgelegt, und nun liegt ein gigantisches altstadtnahes Areal brach. Die prunkvolle Fassade verfällt immer mehr, die sich über viele hundert Meter entlang einer Platanenallee hinziehenden Werkstätten und Lagerhallen muten an wie die Kulisse für einen Gruselfilm.


Und dann gleich dahinter ein hochmoderner, 2003 fertiggestellter Bau aus Glas und Stahl – verwirrendes Montevideo! Der Torre Antel, Sitz des staatlichen Telekommunikationsunternehmens, ragt 157 Meter hoch über die Bucht von Montevideo und kündet von den modernen Zeiten.

Nicht weit daneben finden wir schließlich ein weiteres Monumentalgebäude, umgeben indes von ärmlichen Wohnsiedlungen: Der zwischen 1908 und 1925 erbaute Palacio Legislativo, ein gewaltiges neoklassizistisches Gebäude, dient beiden Kammern des uruguayischen Parlaments als Tagungsort und ist gleichzeitig aufgrund seines Einweihungsdatums ein Denkmal zur hundertjährigen Unabhängigkeit des Landes. Das wir in den folgenden Wochen noch näher kennenlernen wollen…

Hallo!
Scheint ja eine sehenswerte Stadt zu sein, Montevideo.
Heute hatten wir eine Überraschung im Briefkasten.
Eine Karte aus Chile, aber…..nicht von Jana und Wolfgang, sondern von Anja und Florian!?
Wir staunten nicht schlecht! Das ist echt nett von den beiden und wir hoffen, dass sie das hier lesen. Vielen Dank an euch, unbekannterweise und auch euch Alles Liebe und gute Weiterreise!
Herzliche Größe
senden die Seltmänner😘
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P.S. Natürlich Grüße!
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Hallo, nun seid ihr schon ein halbes Jahr unterwegs und schreibt für uns Daheimgebliebene einen „Reiseführer“ , der einfach super ist. Wünsche euch weiterhin eine schöne Zeit!😊
Liebe Grüße Lioba
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Hallo, treue Leserin!
Es ist faszinierend und schön, dass du immer mit uns reist! Für uns ist es auch besser, Stück für Stück von unserer Reise zu berichten, als wenn wir nach unserer Rückkehr alles auf einmal erzählen müssten!
Wir hoffen, dir geht’s gut und wir wünschen dir schöne Ferien!
Liebe Grüße
Jana und Wolfgang
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