Termas del Daymán.
Busfahren in Uruguay ist eigentlich eine unkomplizierte Angelegenheit: Das Land ist klein, die Anzahl der Ziele überschaubar, die Straßen sind gut ausgebaut und führen durch flaches bis sanftwelliges Gelände. Dennoch brauchen wir für die gut 400 Kilometer von Colonia del Sacramento nach Termas del Daymán, einem Stadtteil von Salto, fast siebeneinhalb Stunden. Wie kann das sein? Die Erklärung ergibt sich unterwegs: Überall, wo im Umkreis von zehn Kilometern drei Bauernhöfe stehen, wird angehalten – an den unmöglichsten Orten steigen Passagiere aus und ein. Und die planmäßigen Stopps an den Busterminals der paar kleinen Städte auf der Strecke bedeuten sowieso jedesmal einen erheblichen Umweg. So kommen wir erst kurz vor zehn Uhr abends an und müssen noch eine gute Viertelstunde zu Fuß laufen, ehe wir unsere Unterkunft, die Armonía Aparts, erreicht haben. Hier bleiben wir gleich für sechs Nächte: In dem Apartment mit kleiner Küchenzeile (allerdings gibt es statt eines Herds nur eine Mikrowelle) und Kühlschrank können wir uns auch mal selbst verpflegen.

Ein anderer Grund ist, dass der Westen Uruguays, in dem wir uns nun befinden, nur dünn besiedelt ist und es nicht viele Alternativen gibt, um ein paar Tage zu bleiben. Termas del Daymán ist da eine Ausnahme: Der kleine Ort, der gerade einmal 350 Einwohner zählt, erfreut sich bei Einheimischen und im angrenzenden Argentinien großer Beliebtheit, da hier im Jahre 1957 bei einem gescheiterten Versuch, nach Öl zu bohren, 45 Grad warme Quellen entdeckt wurden.

Das daraufhin entstandene Thermalbad, das seinen Namen vom direkt daneben vorbeifließenden Fluss erhielt, ist für südamerikanische Verhältnisse recht modern und gepflegt.

Der Eintritt kostet gerade einmal vier Euro und gilt für den ganzen Tag; man kann das Bad zwischendurch verlassen, sich in einem der zahlreichen kleinen Imbisse und Restaurants im Umkreis der Therme verköstigen oder sich zur Siesta auf sein Zimmer zurückziehen, wenn man nicht die ganze Zeit auf dem Gelände des Bades bleiben möchte.


Eine Thermenlandschaft, wie wir sie aus Europa kennen, gibt es hier freilich nicht: Ein paar Becken mit Thermalwasser, überdacht oder im Freien, große Liegewiesen, und das war es dann auch schon. Das Kaltwasserbecken ist aus irgendeinem Grund gerade nicht zugänglich – dabei bräuchte man jetzt im Hochsommer eigentlich in erster Linie eine Abkühlung; das Klima hier ist subtropisch schwül, schon der viertelstündige Spaziergang von unserem Aparthotel zur Therme sorgt dafür, dass wir schweißgebadet sind. Und dann gibt’s statt einer Erfrischung ein heißes Bad…



Am schönsten ist es in der Therme gegen Abend. Die Temperaturen sind dann erträglicher, und die untergehende Sonne zaubert ein prächtiges Farbenspiel an den Himmel. Am Wochenende erleben wir diese wunderbare Stimmung allerdings zusammen mit hunderten von anderen Besuchern: Becken und Liegewiesen sind voll belegt, viele Familien sind mit Kind, Kegel und dem unvermeidlichen Mate-Becher samt Thermoskanne unterwegs – die Sommerferien in Uruguay enden erst am 6. März.


Zweimal allerdings verzichten wir während unserer fünf Tage ganz auf einen Thermenbesuch: Einmal verwandelt ein nicht enden wollender, heftiger Gewitterregen die nicht asphaltierte Straße vor unserer Unterkunft in einen Fluss, und zwei Tage später ist es tagsüber dermaßen drückend feuchtheiß, dass wir gar keinen Schritt vor die Tür setzen wollen. Wir passen uns immer mehr dem sehr gemächlichen Lebensrhythmus der Einheimischen an…

Einen Ausflug machen wir von dem kleinen Thermendorf aber doch: Mit dem städtischen Linienbus geht es in die knapp zehn Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Salto. Zählt man die erst seit gut 20 Jahren selbständige Ciudad de la Costa, eine Trabantenstadt von Montevideo, nicht mit, ist Salto mit seinen etwa 105.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Uruguays. Von denen sehen wir allerdings nicht viele, denn am Sonntagnachmittag wirkt der Ort wie ausgestorben.

Die Läden in der Innenstadt sind geschlossen, Restaurants gibt es nicht viele, und der Großteil der Bevölkerung döst anscheinend auf der Couch oder in der Hängematte vor sich hin. So kommen wir uns bei unserem Bummel auf der Avenida Uruguay teilweise vor wie in einem riesigen Freilichtmuseum… mit einer Reihe von wirklich schönen Fassaden, die vom Wohlstand der Oberschicht in der Zeit um 1900 zeugen.


An einer Straßenecke steht eine lebensgroße Hartplastikfigur des weltweit wohl berühmtesten – und international alles andere als unumstrittenen – Sohnes der Stadt, der im gesamten Land Heldenstatus genießt: Vor fast 30 Jahren kam hier Luis Suárez, heute Stürmerstar des FC Barcelona, zur Welt. Dass er als Torjäger absolute Weltklasse ist, steht in Fachkreisen außer Zweifel; sein Verhalten gegenüber Gegenspielern gab jedoch bereits mehrfach Anlass zu Empörung und zu teilweise drastischen Strafen, zuletzt, als er bei der Fußball-WM 2014 einem italienischen Gegenspieler in die Schulter biss. Vor diesen Vorkommnissen verschließt man in seinem Heimatland indes gern die Augen…

Zwei große Plätze werden durch die Avenida Uruguay miteinander verbunden: Zentral in der Stadt liegt die Plaza Artigas – natürlich mit einem Reiterstandbild des Nationalhelden und mit der doppeltürmigen Catedral de San Juan Bautista, dem Sitz des örtlichen Bischofs. Stolz wird darauf verwiesen, dass Papst Johannes Paul II. sie fast genau ein Jahrhundert nach der Fergtigstellung, nämlich 1988, besucht hat.

Auch am zweiten wichtigen Platz von Salto steht eine große Kirche – die Nuestra Señora del Carmen ist sogar um einiges älter als die Kathedrale (sie geht auf das Jahr 1855 zurück) und beherbergt in ihren Türmen Glocken, die im Jahre 1686 von den Jesuiten hierhergebracht wurden. Die schöne, blumengeschmückte und mit eleganten Figuren versehene Plaza de los 33 Orientales selbst erinnert an die Erlangung der Unabhängigkeit Uruguays: Die 33 von Juan Antonio Lavalleja angeführten Freiheitshelden schafften es, von Argentinien aus kommend, die Brasilianer, die das Gebiet bis zum Río de la Plata in Besitz genommen hatten, zu verdrängen.


Der neu entstandene Staat bekam den offiziellen Namen República Oriental del Uruguay (Republik östlich des Uruguay). Was es damit auf sich hat, lässt sich leicht verstehen, läuft man in Salto die Avenida Uruguay bis zu ihrem Ende entlang – linker Hand flanieren wir an der neoklassizistischen Fassade der Casa de Gobierno vorbei, überqueren anschließend die hübsche Plazoleta Roosevelt und stehen wenig später auf der Muelle Negro, einem ehemaligen Bootssteg, der weit in den Río Uruguay hineinragt. Mit Blick hinüber zum Westufer des Flusses – und damit auf die argentinische Nachbarstadt Concordia. Der in Brasilien entspringende Uruguay bildet die Westgrenze des gleichnamigen Landes; das liegt demzufolge östlich des Flusses, und daher auch die Staatsbezeichnung!



Auf einen weiteren Ausflug in die Umgebung von Termas del Daymán verzichten wir – besondere Sehenswürdigkeiten werden wir deswegen nicht verpassen, die Temperaturen sind nicht gerade optimal für Stadterkundungen, und außerdem werden wir ab morgen eine Woche lang die Gelegenheit haben, noch viele versteckte Orte im Landesinneren kennenzulernen – wir werden ein Mietauto abholen und zum ersten Mal nach einem halben Jahr wieder selbst hinter dem Steuer sitzen!