Porto Alegre.

Auch zwei Wochen Urlaub gehen irgendwann zu Ende: Am Mittwochmorgen packen wir unsere Rucksäcke wieder und verlassen die Casa Iruya, in der wir uns mittlerweile richtig daheim gefühlt hatten. Mit dem Transfer zum Busterminal klappt es allerdings nicht (was uns ehrlich gesagt nicht verwundert): Das Restaurant Panes y Peces, in dem wir gestern Abend essen waren, und die Immobilienverwaltung, von der wir den Schlüssel bekommen hatten, gehören zwar zusammen; doch die beiden Mitarbeiter waren nicht mehr greifbar, und der Chef versprach zwar, ihnen auszurichten, dass wir um neun Uhr abgeholt werden sollen, aber… wir sind immer noch in Uruguay, und da nimmt man eben alles nicht ganz so genau.

Zum Glück hatten wir schon vor einer Woche ein Depot für den Hausschlüssel vereinbart – als niemand kommt, laufen wir eben mit unseren Rucksäcken los und sind 20 Minuten später am Busbahnhof. Mehr als rechtzeitig, denn der Bus nach Chuy kommt erst mit einer halben Stunde Verspätung. Bis dorthin konnten wir eine Fahrkarte kaufen; es ist die Grenzstadt zu Brasilien, die meisten uruguayischen Busse enden hier. Im Gegensatz zu den einheimischen Fahrgästen wollen wir allerdings auf der anderen Seite der Grenze weiterreisen. Und dazu brauchen wir erst einmal den uruguayischen Ausreisestempel… was völlig unkompliziert funktioniert. Wir überreichen dem Busbegleiter unsere Pässe, der geht damit zu den Grenzern, deren Amt sich noch vor der Stadt befindet, lässt sie abstempeln und gibt sie uns zurück! Wäre es doch immer so einfach!

Chuy bietet ein Erlebnis der besonderen Art. Der Bus hält an einer kleinen Plaza (ein richtiges Terminal gibt es nicht), wir schnappen uns unsere Rucksäcke und laufen bis zur nächsten Kreuzung, wo eine belebte breite Straße mit einem Grünstreifen in der Mitte durch die Stadt verläuft. Kaum zu glauben, aber wahr: Der Grünstreifen markiert den Grenzverlauf, die südliche Seite der Straße gehört zu Uruguay, die nördliche zu Brasilien!

Links Uruguay, rechts Brasilien: Die Grenze verläuft mitten durch Chuy/Chui

So kann man eine südamerikanische Grenze also auch überqueren: mitten in einer Stadt über die Straße gehen, und schon ist man in einem anderem Land! Einziger Unterschied: Auf der einen Seite wird Spanisch gesprochen und auf der anderen Portugiesisch, wo der Ort dann Chui heißt.

Durch den brasilianischen Teil der Stadt…

Unsere erste Aufgabe im neuen Land besteht darin, das Busterminal zu finden. Wir fragen uns ohne Sprachkenntnisse durch und sind sofort angetan von der übergroßen Freundlichkeit, mit der man uns hier in Brasilien empfängt. Schließlich landen an einem sehr unansehnlichen, uralten Gebäude, das man in Deutschland als Vorkriegsbau klassifizieren würde. Eine dunkle Wartehalle, der Ticketschalter ist vergittert – kein Wunder, dass hier keine Kartenzahlung möglich ist! So viel Bargeld haben wir aber jetzt gar nicht dabei; also müssen wir erst noch an einen Geldautomaten, ehe wir die Fahrkarten nach Porto Alegre kaufen können.

…laufen wir zum altertümlichen Busterminal

Die Fahrtstrecke in die Hauptstadt des südlichsten brasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul beträgt über 500 Kilometer – auf der Landkarte sieht das alles ganz harmlos aus, doch die Distanzen im größten Staat Südamerikas, das merken wir gleich heute, sind enorm. Zuerst müssen wir allerdings erst einmal offiziell einreisen. Dazu brauchen wir erneut nicht den Bus zu verlassen; der junge, äußerst freundliche Fahrer geht mit unseren Reisedokumenten in die Grenzkontrollstelle und übergibt sie uns wenige Minuten später wieder.

Irgendwo unterwegs, nach einigen Stunden, hält der Bus dann, und uns wird erklärt, dass wir hier in einen anderen Bus umsteigen müssen. Ums Gepäck müssen wir uns nicht kümmern; das wird von den Fahrern (Busbegleiter gibt es hier nicht, das ist anders als in allen anderen Ländern, in denen wir bislang unterwegs waren) selbst erledigt. Durch überwiegend flaches, teilweise leicht hügeliges Land fahren wir parallel zur Atlantikküste weiter nordwärts, bis wir nach über achtstündiger Fahrt – längst ist es dunkel geworden – endlich Porto Alegre erreichen.

Müde, aber zufrieden beziehen wir unser Zimmer im siebten Stock des Tri Hotel Poa mit schönem Blick über die Stadt und freuen uns am Morgen über ein richtig gutes, vielfältiges Frühstück – eine tolle Empfehlung von Marina und Christian, die hier ebenfalls übernachtet haben und die heute, wenn alles planmäßig läuft, wieder in Deutschland gelandet sein sollten.

Die Lichter der Großstadt – aus unserem Hotelzimmer…

Eine Erkundung des Zentrums der über 1.400.000 Einwohner zählenden Metropole des brasilianischen Südens ist von unserer Unterkunft aus zu Fuß kein Problem. Schon nach wenigen Minuten stehen wir an der Praça da Matriz. Hier befinden sich mit dem Palácio Piratini, dem Sitz der Regierung des Bundesstaats Rio Grande do Sul, und der Catedral Metropolitana Nossa Senhora Madre de Deus gleich zwei sehr bedeutende Bauwerke der Stadt. Beide sind noch nicht einmal hundert Jahre alt; sie wurden ab 1921 an der Stelle errichtet, an der zuvor bereits eine Pfarrkirche und ein Regierungspalast gestanden hatten.

Im Palácio Piratini sitzt die Regierung des Bundesstaates Rio Grande do Sul
Festlicher Innenraum der Kathedrale

Wichtigste Einkaufs- und Flanierstraße der lebendigen, recht europäisch wirkenden Millionenstadt am breiten Rio Guaíba, an dessen Ufer man allerdings zumindest im innerstädtischen Bereich überhaupt nicht herankommt, ist die Rua dos Andradas. Hier befinden sich Museen, Geschäfte und Restaurants, hier sind aber auch verschiedene Einheiten des brasilianischen Militärs hinter sehenswerten historischen Fassaden untergebracht.

Lebendiges Kulturzentrum in Porto Alegres Altstadt: Casa de Cultura Mario Quintana
Buntes Angebot in der Rua dos Andradas
Eines der Militärquartiere in der Innenstadt

Besonders hübsch ist die auf einer Anhöhe gelegene, blendend weiß gestrichene Igreja Nossa Senhora das Dores, ein Kirchenbau aus dem Jahre 1813.

Architektonische Perle in Porto Alegre: die Igreja Nossa Senhora das Dores

Aufwändig verzierte Fassaden finden sich in Porto Alegre aber auch an anderen Ecken der Innenstadt – so der sehr große Mercado Publico oder das bunte, klassizistisch angehauchte Rathaus, das aus der Zeit um 1900 stammt.

Der Mercado Publico ist wie eh und je ein riesiger Lebensmittelmarkt
Porto Alegres Rathaus an der Praça Montevidéu

Auffällig: Historische Gebäude und moderne, zum Teil sehr fantasielose Hochhäuser stehen in Porto Alegre oft direkt nebeneinander. Ein schlüssiges stadtplanerisches Konzept scheint dem Ganzen wohl eher nicht zugrundezuliegen…

Alt und neu stehen unvermittelt nebeneinander…
Welcher Städteplaner das wohl abgesegnet hat?