Puerto Iguazú.

Um das Naturwunder Iguazu komplett zu erleben, sollte man unbedingt beide Seiten der gigantischen Wasserfälle besuchen – und so stehen wir am Mittwochvormittag gegen elf Uhr an einer Bushaltestelle unweit von unserem Hotel in Foz do Iguaçu und warten auf den Nahverkehrsbus, der uns hinüber nach Argentinien bringen soll. Es dauert gut und gerne eine halbe Stunde, bis der richtige Bus kommt. In der Zwischenzeit hat ein Taxifahrer, der um die Ecke auf Kundschaft wartet, versucht, uns seine Dienste schmackhaft zu machen. Aber wir müssen ihn enttäuschen: Wir haben es nicht eilig, und das Busticket ist viel billiger. Allerdings können wir nicht mit einem Bus durchfahren: Wir geben dem Fahrer Bescheid, dass wir den brasilianischen Ausreisestempel brauchen (im Unterschied zu den Einheimischen). Daraufhin lässt er uns an der Grenzkontrollstelle raus; wir gehen ins Büro, lassen uns die Stempel geben und warten an der Haltestelle auf den nächsten Bus der gleichen Gesellschaft. Mit dem geht es weiter zum argentinischen Grenzposten. Dort müssen alle Passagiere aussteigen, um offiziell einzureisen, und auch das gesamte Gepäck wird durchleuchtet – für uns ist es jetzt das vierte Mal. Tja, Argentinien lässt uns nicht los; die erste Einreise war Ende November, seither sind fast vier Monate vergangen…

Zum vierten Mal reisen wir nach Argentinien ein

Im Petit Hotel Caraguata, wieder eine Empfehlung von Marina und Christian (vielen Dank nach Freital!), werden wir sehr freundlich empfangen. Die größte Mittagshitze – hier herrschen Temperaturen von gut und gerne 30 Grad bei einer recht hohen Luftfeuchtigkeit – überbrücken wir mit einer Siesta, anschließend starten wir zu einer Stadterkundung von Puerto Iguazú. Doch ähnlich wie die ungleich größere brasilianische Schwesterstadt hat auch die knapp 35.000 Einwohner zählende Grenzstadt im äußersten Nordosten Argentiniens kaum Sehenswürdigkeiten zu bieten – kein Wunder, der Ort wurde erst 1901 gegründet.

Plaza San Martín im Zentrum von Puerto Iguazú

Aber als wir am Ufer des Río Iguazú entlang laufen, kommen wir an der Fähranlegestelle vorbei, und entdecken ein Werbeschild für eine einstündige Dreiländer-Bootsrundfahrt auf dem Fluss. Der Preis ist in Ordnung, sodass wir uns spontan dazu entscheiden – und wenige Minuten später, es ist kurz nach halb sechs, sitzen wir auf einem kleinen, für maximal zwölf Personen ausgelegten Boot. Wir sind die einzigen Fahrgäste und kommen so in den Genuss einer Privatfahrt!

Privatfahrt auf dem Río Iguazú mit der Don Enrique

Der freundliche Kapitän, der zwischendurch immer mal wieder anhält und uns in gut verständlichem Spanisch Erklärungen gibt, fährt zunächst flussaufwärts. Bald nähern wir uns der Puente Internacional Tancredo Neves: Das 489 Meter lange und 72 Meter hohe Bauwerk verbindet Brasilien und Argentinien seit 1985. Zuvor waren Fähren die einzige Möglichkeit zur Grenzüberquerung.

Verbindung zwischen Brasilien (links) und Argentinien: Puente Internacional Tancredo Neves

Kurz hinter der Brücke navigiert unser Bootsführer am nördlichen, brasilianischen Ufer in die Mündung eines schmalen Flusses, und wir sehen den kleinen, aber hübschen Salto Tamanduá, der gleich dahinter das Steilufer hinabrauscht.

Stippvisite in Brasilien am Salto Tamanduá

Nun wendet das Boot und fährt flussabwärts: Rechts liegt Brasilien, links – im Süden – Argentinien. Und dort, wo der Iguazú in den noch größeren und breiteren Paraná mündet (seinen Unterlauf haben wir übrigens in Rosario bereits gesehen), kommt am Westufer dieses gewaltigen Flusses das dritte Land in Sicht – dort drüben liegt Paraguay. Alle drei Länder haben hoch über dem Fluss überdimensionale Grenzmarkierungen in den jeweiligen Nationalfarben errichtet; der brasilianische ist allerdings vom Fluss aus nicht gut erkennbar, was auch an einem vorgelagerten großen runden Bauwerk liegt, das früher einmal ein auch von hochrangigen Politikern genutztes Tagungszentrum war, heute aber in einen ruinösen Zustand verfallen ist.

Dieses alte Schiff wird zu einem Hotel mit Casino umgebaut
Am Zusammenfluss von Paraná (links) und Iguazú mit Blick aufs brasilianische Ufer

Noch rechtzeitig vor dem Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder an Land und laufen die Straße am Hochufer entlang bis zum Hito Argentino, der argentinischen Grenzsäule.

Toller Blick vom Steilufer aufs Dreiländereck
Am Hito Argentino

Ähnlich wie auf brasilianischer Seite wurde um sie herum eine schöne Anlage errichtet – von hier hat man einen tollen Blick über die beiden Flüsse aufs Dreiländereck, hier findet nach Einbruch der Dunkelheit aber auch eine farbenprächtige Wasser- und Lasershow statt, die die zahlreichen Touristen unterhält.

Blick von Argentinien auf Paraguay und Brasilien
Bunte Lasershow…
…am Dreiländereck

Wir genießen das Schauspiel und die Aussicht, ehe wir den Rückweg in die Stadt antreten, der uns noch an der gepflegten Plaza San Martín vorbeiführt. In einem Restaurant bestellen wir zum Essen Rotwein – und merken sofort, dass wir wieder in Argentinien sind: Zum warmen Wein wird nämlich ein ganzer Pott Eiswürfel serviert! Europäische Weinkenner wenden sich da mit Grausen ab…

Noch eine argentinische Spezialität: warmer Rotwein mit Eiswürfeln…

Aber gut, wir sind ja nicht in erster Linie zum Weintrinken hierher gekommen, sondern um die Wasserfälle anzusehen. Und dazu stellen wir uns an einem sonnigen, warmen Donnerstagmorgen an die nahe Bushaltestelle, um uns in den argentinischen Parque Nacional Iguazú bringen zu lassen. Das gleiche Spiel wie gestern: Es dauert einige Zeit, bis der richtige Bus eintrifft, und in der Zwischenzeit versucht wieder ein Taxifahrer sein Glück… auch er leider vergebens. Am Besucherzentrum kaufen wir unsere Tickets: Die Preise sind ähnlich wie auf brasilianischer Seite, aber trotz des weltweiten Bekanntheitsgrades ist es nicht möglich, hier mit Karte zu zahlen! Zum Glück wurden wir in unserem Hotel vorgewarnt und haben genügend Bargeld dabei. Von den fünf Wegen, die man hier eigentlich begehen kann, sind allerdings nur zwei offen: Einer wird gerade instandgesetzt, und zwei weitere sind gesperrt, weil dort in den letzten Tagen mehrere Pumas und Jaguare gesichtet wurden. Bleiben nur der Weg zur Garganta del Diablo und der Circuito Superior.

Beide erreicht man mit einer Bimmelbahn, die sich von einem Bahnhof unweit des Besucherzentrums in gemächlicher Fahrt flussaufwärts durch die subtropische Vegetation windet. Bis wir allerdings losfahren können, müssen wir uns in Geduld üben: Die Bahn fährt in halbstündigem Rhythmus, und es stehen schon eine ganze Menge Besucher an. Auch das Thema Beförderung ist, so scheint es uns, auf brasilianischer Seite mit den Shuttle-Bussen effizienter geregelt…

Mit der Bimmelbahn geht’s zu den Wasserfällen

Doch schließlich ergattern wir zwei Plätze in dem rappelvollen Bähnlein und fahren gleich bis zur Endstation. Von hier startet der 1.100 Meter lange Weg in Richtung Garganta del Diablo. Der eiserne Steg führt zunächst über eine ganze Reihe von Flussarmen, in die sich der Iguazu hier verzweigt und die von vielen mit dichtem Regenwald bedeckten Inselchen voneinander abgegrenzt werden. Das Wasser hat eine recht intensive rotbraune Färbung – wie eine Informationstafel erklärt, war dies nicht immer so. Noch vor vierzig Jahren war der Iguazu relativ klar; doch die rapide gestiegene Abholzung der Wälder im Oberlauf und die dadurch verursachte Erosion machen sich vor allem nach Regenfällen farblich deutlich bemerkbar.

Ruhig fließen die Nebenarme des Iguazú durch den Regenwald
Das letzte Stück vor dem Teufelsschlund

Als der Steg dem Teufelsschlund näherkommt (hier stürzt sich der Hauptarm des Flusses in den Abgrund), sehen wir schon von Weitem gewaltige Gischtschwaden – und dann stehen wir ganz dicht am Abgrund, hören und sehen nur noch das Rauschen unvorstellbarer Wassermengen und spüren die Macht und Kraft der Natur. Es ist absolut atemberaubend, was hier vor sich geht!

Hier sieht alles noch ganz harmlos aus
Unvorstellbare Wassermassen…
…schießen in den Abgrund

Der zweite offene Weg, der Paseo Superior, ist etwa eineinhalb Kilometer lang und führt in einer großen Schleife ebenfalls ganz nahe an viele verschiedene Fälle, die von den Nebenarmen des Iguazu gebildet werden. Dabei bieten sich unbeschreibliche Panoramen, die uns immer wieder daran zweifeln lassen, ob das alles real ist oder ob auf einer gigantischen 3-D-Leinwand ein computeranimierter Film vor uns abläuft. Doch es ist tatsächlich wahr!

Eine riesige Arena an Wasserfällen…
…eröffnet sich dem Besucher auf dem Circuito Superior

Das Wasser verschwindet scheinbar im Nichts…

Neben den Wasserfällen erleben wir hier im Nationalpark auch eine ganze Reihe von Tierarten. Schon bei der Fahrt mit dem Zug haben uns unzählige verschiedene Schmetterlinge begleitet; sie sind überall zu finden, setzen sich sogar auf den Fuß oder sammeln sich in Scharen an kleinen Wasserstellen.

Ein ganzer Schwarm von gelben Schmetterlingen…
…wir sehen aber auch viele andere Arten

Unter den Vögeln, die wir hier antreffen, sind die Kappenblauraben mit ihrem schwarz-blauen Gefieder, dem blassgelben Bauch und der auffälligen Haube besonders zahlreich vertreten.

Kappenblauraben…
…sind sehr häufig anzutreffen

Im Wasser entdecken wir nicht nur ziemlich große Fische, sondern auch einige Kaimane, die bewegungslos die vorbeiziehenden Besuchermassen beäugen.

Auch Kaimane tummeln sich im Iguazú

Und an Land, vor allem an den Imbissständen, treiben sich auch auf argentinischer Seite wieder zahlreiche Nasenbären herum. Sie sind etwas dunkler gefärbt als ihre Verwandten auf der brasilianischen Flussseite, aber ihr Verhalten ist kein bisschen weniger nervenaufreibend: Auch hier schleichen sie furchtlos zwischen den Touristen herum, lauern auf fallengelassene Lebensmittel und springen sogar auf die Tische. Ein Mädchen am Nebentisch fängt bitterlich an zu weinen, als ihr ein Nasenbär das Essen aus der Hand reißt und sie dabei sogar beißt. Ein anderes Leckermaul beobachten wir dabei, als er gerade ein fallengelassenes Eis (oder hat er geklaut?) genüsslich schleckt.

Nasenbären im Picknick-Bereich – eine echte Plage!
In ihrem natürlichen Umfeld sind sie uns wesentlich lieber

Als wir nachmittags die Rückfahrt nach Puerto Iguazú antreten, lassen wir die zwei Tage an den Wasserfällen noch einmal Revue passieren und sind uns einig: Beide Seiten haben ihren Reiz, doch wenn man nur einen Tag Zeit hat, dann würden wir auf jeden Fall den Besuch der argentinischen Seite empfehlen. Und auch wenn wir im Verlaufe unserer mittlerweile mehr als siebenmonatigen Reise schon eine Reihe von herausragenden Sehenswürdigkeiten gesehen haben – die Iguazu-Fälle sind ein absoluter Höhepunkt!

Unvergesslich: Unser Besuch an den Iguazu-Wasserfällen