Oaxaca.

Die Gegend rund um Oaxaca hat wirklich eine Menge an attraktiven Zielen zu bieten. Deswegen entscheiden wir uns zu zwei Ausflügen – was logistisch kein Problem darstellt, denn ähnlich wie in Peru gibt es auch hier in Mexiko zahlreiche Agenturen, die um Kunden werben und täglich mehrere Fahrten im Programm haben. Wir können also in Ruhe vergleichen und auswählen, wie und mit welchem Anbieter wir wohin fahren wollen.

Unsere erste Fahrt beginnt am Gründonnerstag um zehn Uhr: Mit einem Kleinbus geht es von Oaxaca aus nach Osten und wir erreichen nach wenigen Kilometern die Kleinstadt Santa María del Tule, kurz El Tule genannt. Sie hat eine ganz besondere Attraktion zu bieten – den Árbol del Tule. Diesem riesigen Exemplar der Mexikanischen Sumpfzypresse wird ein Alter von 2.000 Jahren nachgesagt; mit einem Stammdurchmesser von über 14 Metern ist er der dickste der Welt, erreicht einen Umfang von 46 Metern und soll etwa 636 Tonnen schwer sein.

Mit 14 Metern Durchmesser der dickste Baum der Welt: Árbol del Tule

Es ist unglaublich beeindruckend, welche Ausmaße dieser Baum hat – im Vergleich mit den umgebenden Bauwerken, insbesondere der gleich nebenan befindlichen Kirche, wird dies besonders deutlich. Auch die zahlreichen Besucher, die um ihn herumlaufen, wirken dagegen winzig. Wie wir hier feststellen, sind wir übrigens mit unserem Kleinbus nur Teil einer insgesamt fünf Fahrzeuge umfassenden Flotte, die die gleiche Tour macht und von ein und demselben Guide mit Informationen versorgt wird; so um die 75 Leute – es ist halt Hochsaison…

Der riesige Baum lässt die Kirche klein wirken

Aber so ergeben sich auch mal wieder Möglichkeiten, Kontakte zu anderen Reisenden zu knüpfen. Eine mexikanische Familie, die hinter uns sitzt, spricht uns an – die Eltern haben gehört, dass wir Deutsch sprechen und fragen uns, woher wir kommen; sie haben vor über zehn Jahren mal zwei Jahre in Stuttgart studiert und werden im August wieder einmal Deutschland besuchen. Vielleicht können wir uns dort sogar treffen; sie wollen nämlich auf jeden Fall auch ins Legoland nach Günzburg, und das ist von uns daheim ja nun wirklich nicht allzu weit entfernt…

Die Karawane setzt sich wieder in Bewegung – nächster Halt ist der kleine Ort Teotitlán del Valle, der als Weberdorf weithin bekannt ist. Diese Handwerkstradition geht schon auf vorkoloniale Zeiten zurück und wird hier bis heute in überlieferter Weise gepflegt: Die Stoffe bestehen aus Schaf-, Ziegen- oder Baumwolle, für das Färben werden Naturprodukte wie Indigo oder Schildläuse verwendet. In einem kleinen Betrieb werden uns die Produktionsschritte anschaulich demonstriert, bevor Gelegenheit zum Einkauf besteht. Ein Teppich ist uns zu unhandlich; aber ein kleiner Tischläufer in zu unserem Esszimmer passenden Farben hat noch Platz im Rucksack, meint Jana.

Anschauliche Erläuterung der natürlichen Farbstoffe
Traditioneller Teppichwebstuhl
Typisch zapotekische Muster

Es lohnt sich kaum, ins Fahrzeug zu steigen, denn der nächste Stopp folgt nur wenige Minuten später – jetzt sind wir an der Mezcal-Brennerei El Rey de Matatlán angekommen und werden in die Herstellung des hier beheimateten Agavenschnapses eingeweiht. Die Gegend um Oaxaca ist das Zentrum der Mezcal-Produktion; die Spirituose wird aus dem Fruchtfleisch der Agaven gewonnen, die durchschnittlich acht Jahre wachsen müssen, ehe der ananasförmige Kern der Pflanzen geerntet, gekocht, zu einem Brei zerstoßen und anschließend fermentiert wird.

Viele Agavenfelder prägen die Landschaft rund um Oaxaca
Zu Gast in einer Mezcal-Brennerei
Hier findet der Destillationsprozess statt

Je nach Lagerungsdauer und Reife wird der Mezcal unter verschiedenen Altersbezeichnungen abgefüllt und verkauft – bei einer Verkostung haben wir Gelegenheit, die unterschiedlichen Varianten zu probieren und stellen fest, dass der Geschmack umso milder ist, je älter das Destillat ist. Auch verschiedene Likörvarianten mit dem Aroma unterschiedlicher Früchte bietet der Hersteller an; uns schmeckt die Variante mit Maracuja am besten.

Wir dürfen von all diesen Sorten probieren…

Mezcal ist übrigens nicht dasselbe wie der bei uns bekanntere Tequila; der kommt aus einer anderen Region Mexikos und wird ausschließlich aus der blauen Agave hergestellt. Was in Deutschland allerdings oft als Tequila mit Wurm bezeichnet wird, ist tatsächlich ein Mezcal – den gibt es auch in Mexiko mit dieser ungewöhnlichen Zutat zu kaufen. Es handelt sich dabei um eine bestimmte Schmetterlingsraupe, deren Beigabe als Marketing-Gag gilt, aber wohl auch eine Art Qualitätstest darstellt: Löst sich die Raupe auf, ist der Schnaps schlecht. Hierzulande gilt das Insekt keineswegs als ekelerregend: Zermahlen ist es auch ein Bestandteil des Sal de Gusano, eines zudem aus Salz und Chili bestehenden Pulvers. Darin taucht man ein Limetten- oder Orangenstück ein, das zum Mezcal gegessen wird.

Dazu gibt’s Orange mit Sal de Gusano (Raupensalz)

Unsere Tour geht weiter nach Mitla – in der kleinen Stadt befindet sich eine bedeutende archäologische Stätte, die ihre größte Bedeutung als religiöses Zentrum der Zapoteken wohl in den letzten zwei, drei Jahrhunderten vor der spanischen Landnahme hatte. Der umfangreiche Gebäudekomplex, der nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen vor allem hohen Priestern und den Königen vorbehalten war und in dem auch zahlreiche Menschenopfer vorgenommen wurden, ist aus architektonischer Sicht vor allem aufgrund seiner geometrischen Mosaiken bedeutend. Die verschiedenen Muster wurden aus exakt zugeschnittenen Steinstücken erstellt, die mit Mörtel in das Mauerwerk eingefügt und bemalt wurden.

Mächtiger Tempelkomplex von Mitla
Mauer in der Originalfarbe
Beeindruckende geometrische Muster

Rund um die von drei Kuppeln gekrönte Iglesia de San Pablo, die die Spanier 1590 über Teilen der alten Tempelstätte erbauten, drängen sich die Touristen durch die für die Öffentlichkeit freigegebenen Bereiche – zum Teil sind die Warteschlangen so lang, dass wir gar nicht alles ansehen können. Dafür kommen wir mit einem Neuseeländer aus einem anderen Kleinbus ins Gespräch, der uns auf Deutsch anspricht – er war lange mit einer Österreicherin verheiratet, hat zwischenzeitlich in Graz gelebt und betreibt heute in Auckland ein kleines Musikstudio, in dem er vor allem Kindermusik produziert. Aus der Steiermark ist ihm vor allem eine Band in Erinnerung geblieben – STS. Was dazu führt, dass wir beide spontan den Klassiker Und irgendwann bleib i dann dort ansingen…

Die Iglesia de San Pablo wurde auf den Grundmauern des Zapotekentempels errichtet

Letzte Anlaufstelle und gleichzeitig der am weitesten von Oaxaca entfernte Ort ist schließlich die nahe des kleinen Dorfes Roaguía gelegene geologische Sehenswürdigkeit Hierve el Agua. Hoch über einem Tal der Sierra Madre del Sur entspringen hier sehr mineralreiche, kohlendioxidhaltige Wasserquellen, die zunächst eine Reihe von wunderschönen kleinen Kalksinterterrassen formen, ehe sie den Abhang hinabrieseln. Jetzt, in der Trockenzeit, läuft zwar nur sehr wenig Wasser ab; dennoch bildet die Kalkformation, die im Laufe von Jahrmillionen entstanden ist und 30 Meter tief hinunterreicht, zauberhafte steinerne Wasserfälle.

Hierve el Agua in der Sierra Madre del Sur
Wasserfall aus Stein
Eindrücke von den Kalksinterterrassen…

Einen zweiten Ausflug unternehmen wir am Samstag zur unweit von Oaxaca gelegenen Ruinenstätte Monte Albán. Sie liegt auf etwa 1.900 Metern hoch über der Stadt, gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und war einst wohl über ein Jahrtausend lang die Hauptstadt der Zapoteken, eines zwischen 1500 v. Chr. und etwa 900 n. Chr. hier herrschenden Volkes. Ein touristischer Anziehungspunkt ersten Grades, was auch wir feststellen, als wir mit einem der regelmäßig verkehrenden Linienbusse hinauffahren – schon weit vor dem Eingang stehen die parkenden Autos am Straßenrand, und an der Kasse hat sich eine lange Schlange gebildet.

Großer Andrang vor dem Eingang von Monte Albán

Doch zum Glück ist Monte Albán sehr weitläufig, sodass sich die Besuchermassen auf dem Gelände verteilen. Schließlich sollen hier zur Blütezeit des Zapotekenreichs etwa 25.000 Menschen gelebt haben. Und so erhalten wir bei unserem knapp zweistündigen Rundgang einen anschaulichen Eindruck von der Größe und der eindrucksvollen architektonischen Substanz, die das Zentrum der zapotekischen Kultur nach den seit dem 19. Jahrhundert erfolgten Ausgrabungen und Restaurierungen heute vermittelt.

Überblick von der nördlichen Plattform

Rund um den großen Hauptplatz, der etwa 300 x 200 Meter misst, gruppieren sich verschiedene Tempel, Plattformen, die zum Teil astronomischen Zwecken dienten und über monumentale Treppen bestiegen werden können, Wohnanlagen und auch ein Ballspielplatz.

Der Ballspielplatz gehörte zum Alltagsleben
Tempelanlagen in Monte Albán
Steile Treppen führen zu den höher liegenden Plattformen

Dazu sind an einigen Wänden gut erhaltene Reliefs zu sehen, die als Danzantes (Tänzer) bezeichnete Figuren zeigen, die von den Wissenschaftlern als gefangene und anschließend geopferte Krieger feindlicher Stämme gedeutet werden. Die Darstellungen weisen Ähnlichkeiten zu den Figuren auf, die das weiter im Nordosten ansässige Volk der Olmeken anfertigte – ein deutlicher Hinweis darauf, dass die beiden Kulturen Verbindungen zueinander unterhielten.

Reliefs mit den Danzantes

Dass Monte Albán nach 900 allmählich aufgegeben wurde und verfiel, lag daran, dass die Zapoteken mehr und mehr von den immer mächtiger werdenden Mixteken beherrscht wurden. Als schließlich die Azteken und noch später die Spanier hierher kamen, war der Ort bereits verlassen – doch heute bietet er ein eindrucksvolles Exempel für die hoch entwickelten Gesellschaften, die in Mittelamerika lange vor der Ankunft der Europäer bestanden.

Monte Albán hoch über dem Oaxaca-Tal