San Cristóbal de las Casas.
Nicht nur San Cristóbal selbst ist sehenswert, auch das Umland hat viel zu bieten. So nutzen wir die Zeit in der Stadt zu zwei sehr unterschiedlichen Ausflügen. Der erste führt uns am Sonntag in den eine gute Stunde Fahrzeit westlich liegenden Cañón del Sumidero. Hier hat der Río Grijalva eine bis zu 1.000 Meter tiefe Schlucht durch die Berge der Sierra Madre gegraben – eine spektakuläre Flusslandschaft, die wir mit einer zweistündigen Tour auf einem Motorboot genauer kennenlernen.


Dabei erleben wir bizarre Felsformationen, eine kleine, nur vom Wasser aus zugängliche Höhle, die dem Gründer des hier inzwischen bestehenden gleichnamigen Nationalparks gewidmet ist und gelangen am Nordende der Schlucht bis zu dem 1981 fertiggestellten Chicoasén-Staudamm, der einer der wichtigsten Stromproduzenten Mexikos ist.



Anschließend haben wir noch Gelegenheit zu einem einstündigen Besuch der nahe gelegenen Stadt Chiapa de Corzo. Der 45.000-Einwohner-Ort, ebenfalls am Río Grijalva gelegen, liegt mit einer Höhe von 417 Metern viel niedriger als San Cristóbal; deswegen ist es hier auch spürbar wärmer. Schon die Olmeken besiedelten die Gegend in der Zeit um 1200 v. Chr., weswegen Chiapa eine wesentlich längere Geschichte aufweist als die nicht weit entfernte Provinzhauptstadt Tuxtla Gutiérrez.

Rund um die Stadt gibt es Ausgrabungen, doch für sie fehlt uns hier die notwendige Zeit. So beschränken wir uns auf einen Bummel durch die Innenstadt. Ihr Mittelpunkt ist der Parque Central, den mit der aus Ziegeln im Mudejar-Stil erbauten Fuente Pilar ein eindrucksvolles Bauwerk aus der frühen Kolonialzeit schmückt.

Ebenfalls auf der zentralen Plaza, die von Arkadengängen umgeben ist, befindet sich ein eindrucksvoller Baum, der über tausend Jahre alt sein soll. La Pochota nennen die Einheimischen die mächtige Zypresse.

Sehenswert ist auch die auf das 16. Jahrhundert zurückgehende Iglesia Santo Domingo, um die herum zahlreiche Händler ihre Stände aufgebaut haben.

Zudem bietet sich von einem schattigen kleinen Platz aus ein schöner Blick hinunter auf den breit dahinfließenden Río Grijalva.

So ein Ausflug ist interessant, doch wir wollen in der bergigen Umgebung von San Cristóbal auch endlich mal wieder unsere Wanderstiefel schnüren. Nur: So einfach ist es trotz der Vielzahl von Agenturen gar nicht, ein passendes Angebot zu finden und auf eigene Faust loswandern wollen wir nicht, da es keine ausgeschilderten Wanderwege gibt. Die meisten Büros haben jedoch nur die gleichen Standard-Ausflüge ausgeschrieben. Über Umwege gelangen wir schließlich zu dem in einer ruhigen Seitenstraße befindlichen Anbieter Natutours. Der wird von ein paar Jungs geführt, die sich auf Outdoor-Aktivitäten und Ökotourismus spezialisiert haben. Wir fragen sie nach einer Wanderung für Dienstag. „Oh, Dienstag!“ lautet die erste Antwort – da hat die komplette Mannschaft vor, eine neu ausgekundschaftete Tour ein letztes Mal zu testen, bevor sie sie offiziell anbietet. Am Mittwoch reisen wir allerdings weiter… da beratschlagen sie kurz und bieten uns dann an, an ihrer Pilottour teilzunehmen, wenn wir das wollen. Der Ablauf verspricht interessant zu werden, also stimmen wir zu! Und so geht es am nächsten Morgen eine halbe Stunde mit dem Auto aus der Stadt hinauf in das kleine, ausschließlich von Indigenen bewohnte Bergdorf Pilalchén. Ausländische Touristen sind hierher bislang wohl so gut wie gar nicht gekommen – hier sind wir buchstäblich jenseits der ausgetretenen Pfade unterwegs!

Am Ortsrand steigen wir aus und beginnen die Wanderung – auf 2.200 Metern sind die Temperaturen sehr angenehm, es geht durch einen schönen Mischwald; erstmals seit fast drei Monaten sind wir wieder in der Natur auf Schusters Rappen unterwegs!

Doch nur ein Waldspaziergang – das wäre dem jungen Team von Natutours dann doch zu langweilig. Neben Elias, dem Chef des Ladens, gehört unter anderem auch der in Pilalchén beheimatete Manuel zur Truppe; er kennt sich rund um sein Dorf natürlich bestens aus und hat diese Tour konzipiert. Und so stehen wir plötzlich an einem Felsen, von dem es senkrecht etwa 15 Meter hinabgeht. „Hier seilen wir uns jetzt ab!“ Okay, irgendwas hatten die Jungs gestern wohl schon von Abseilen erzählt; aber hieß es da nicht, es sei auch möglich, zu Fuß abzusteigen? Theoretisch ja – aber jetzt sind wir schon mal hier, die komplette Ausrüstung ist dabei, jetzt wollen wir auch nicht kneifen! Manuel ist der erste, der nach unten schwebt, um anschließend zu sichern – doch kaum ist er angekommen, schon funkt er nach oben: Wir sollen auf keinen Fall runterkommen, denn hier unten sind viele aggressive Wildbienen, die ihn auch schon gestochen haben!


Kommen wir also um die Abseilerei herum? Ein paar Minuten ja, doch dann – wir sind gerade durch eine kleine Höhle gekrochen – stehen wir am nächsten Felsen. Von hier geht’s nur etwa sechs Meter nach unten: perfekt für Anfänger wie uns oder Charly, einen Freund von Elias, der mit dieser Form des Alpinismus bis dahin auch noch nie etwas zu tun hatte. Trotzdem: Es kostet eine ganz schöne Überwindung, sich oben vom Berg wegzudrücken und dann, am Seil hängend, in die Tiefe zu hüpfen.





Das war aber nur der erste Teil. Wir können das Geschirr gleich anbehalten, denn keine halbe Stunde später wartet bereits der zweite Abgrund auf uns – und diesmal hat das schon etwas andere Ausmaße, die Höhe beträgt gut und gerne 20 Meter und der Felsen ist stark überhängend. Ein Blick in die Tiefe lässt uns zögern: Da sollen wir jetzt hinunter? Aber was soll´s, wir vertrauen den Jungs. Als nach dem oberen Teil die Felswand plötzlich zurücktritt und wir keinen Kontakt zum Berg mehr haben, sondern nur noch in der Luft hängen, wird uns ganz schön mulmig. Aber es funktioniert – auch wenn die Knie hinterher zittern!



Im nächsten Abschnitt der Tour werden wir zu wahren Forschern. Mit Helmen und Lampen ausgerüstet, laufen und krabbeln wir durch zwei dunkle Höhlen, die den Einheimischen zwar schon lange bekannt sind, die aber noch nie im Rahmen einer Tour begangen wurden.


Die zweite ist an ihrem Eingang mit zwei grünen Kreuzen geschmückt: Für die Mayas ist dies ein geheiligter Ort, weil sich hier auch eine Quelle befindet. Hier halten sie regelmäßig ihre Zeremonien ab. Und das Kreuz ist ein Symbol, das die Ureinwohner bereits vor der Christianisierung zur Kennzeichnung heiliger Plätze verwendeten – ein klassisches Beispiel für die Verschmelzung von Naturreligion und Christentum.




Vorbei an Schafweiden erreichen wir Pilalchén, das 700 Einwohner zählende Heimatdorf von Manuel. Auf den Straßen und den Feldern sehen wir fast nur Frauen und Kinder – die meisten Männer arbeiten weit weg von der Heimat, viele von ihnen als Illegale in den USA.

Im Haus der Großeltern können wir nicht mehr benötigte Rucksäcke abstellen, um vorbei am bunten kleinen Dorfkirchlein durch den blitzsauberen Ort zu einem Berg aufzusteigen, von dem aus wir eine tolle Aussicht über die herrliche grüne Berglandschaft von Chiapas genießen. Kurios: Hier oben, an der höchsten Stelle, befindet sich der Friedhof! Das hat damit zu tun, erklärt uns Manuel, dass er gleich von drei Dörfern genutzt wird, die rund um diesen Berg liegen.


Wir wandern wieder hinab ins Dorf und kommen ans Wohnhaus von Manuels Familie – es ist für uns kaum vorstellbar, wie einfach eingerichtet die Menschen hier leben: Ein großer Raum mit Betonboden, einigen Regalen an den Wänden und ein paar Matratzen, auf denen Decken liegen; von einer Wohnungseinrichtung kann keine Rede sein!

Einziger „Luxus“ der Familie ist das typische Maya-Dampfbad Temazcal – sie hat es sich hinter ihrem Haus errichtet. Es ist eine niedrige, in dieser Region rechteckige, oft aber auch igluartige Hütte, die wie ein Backofen erhitzt wird. Wir dürfen das Temazcal ausprobieren: Für uns Mitteleuropäer sind die Maße der Hütte nicht unbedingt gemacht, wir müssen, auf dem Holzboden liegend, die Beine anziehen; doch auch wir spüren die wohltuende Wirkung des Dampfbades, das ganz ähnlich wie in unserer Sauna durch das Aufgießen von Wasser auf die über dem noch glühenden Holz angebrachten Steine entsteht.




Danach gibt es noch eine hervorragende Suppe, die von Manuels Frau, zwei Schwägerinnen und der Oma – sie ist wie überall in Mexiko das eigentliche Familienoberhaupt – zubereitet wurde. Als wir gegen Abend zurück in San Cristóbal sind, können wir den äußerst sympathischen Jungs nur bestätigen, dass sie eine wirklich tolle Tour entworfen haben und ihnen alles Gute wünschen. Und wir wollen sie weiterempfehlen: Wer hierher kommt und mehr erleben möchte als die üblichen Busausflüge, sollte sich schon vorab mal die Seite https://www.natutours.com.mx ansehen.
Mutig, mutig. Schön das ihr euch auf die Tour eingelassen habt. Klingt nach einer wirklich tollen Erfahrung. Das Höhlen krabbeln hätte ich ja noch mitgemacht, aber das Abseilen – Alle Achtung. Seit ihr auch auf Kleingetier gestoßen? Wie verkraftet ihr eigentlich die ständigen Temperaturunterschiede? Viele Grüße Tina + Regina
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Hallo, ihr Lieben in Plauen!
Danke für eueren lieben Kommentar! Die Tour war wirklich super, vor allem, weil sie so vielfältig war. Noch dazu war sie sehr privat, da wir ja auch Manuels Familie kennenlernen durften.
Kleintiere sind uns zum Glück keine begegnet. Und das mit den Temperaturunterschieden geht schon, das kennen wir ja auch vom deutschen Wetter.
Wie war´s eigentlich in Sri Lanka? Und was machen die Enkel?
Liebe Grüße auch an Harald,
Jana und Wolfgang
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