Antigua Guatemala.

In der Reiseagentur in Panajachel hat man es uns gestern Nachmittag nochmal gesagt: Wir sollen um sechs Uhr morgens abfahrbereit sein, der Tagesausflug von Antigua Guatemala aus startet bereits zu dieser frühen Stunde. Ziel der zweistündigen Fahrt mit einem voll besetzten Kleinbus ist der seit 1963 bestehende Parque Nacional Volcán de Pacaya, dessen Eingang sich in dem kleinen, etwa 50 Kilometer südöstlich gelegenen Dorf San Francisco de Sales befindet. Was wir allerdings wieder erst unterwegs erfahren: Wir werden hier eine etwa dreistündige Bergwanderung unternehmen – „Fahrt zum Vulkan Pacaya“ stand im Programm! Unsere Wanderstiefel haben wir natürlich im Hotel gelassen, doch mit den normalen Sportschuhen (aber leider in Jeans) lässt sich der Weg zum Glück gut meistern. Auch die von den Einheimischen angebotenen Wanderstöcke und Pferdetaxis müssen wir nicht in Anspruch nehmen…

Schon von Weitem durch seine Rauchwolken erkennbar: der Pacaya

So nehmen wir also den etwa 400 Höhenmeter umfassenden Anstieg in Angriff, um den im Zentrum des Nationalparks befindlichen Pacaya, einen der aktivsten Vulkane der Welt, möglichst gut beobachten zu können. Zunächst bietet sich von einem Mirador aus allerdings erst einmal ein toller Blick auf die im Tal liegende Kleinstadt San Vicente Pacaya und die drei dahinter aufragenden Vulkane Fuego (er ist ebenfalls aktiv), Acatenango und Agua. Insgesamt findet man in Guatemala übrigens nicht weniger als 37 Vulkane!

San Vicente Pacaya mit den drei Vulkanen im Hintergrund

Zudem können wir an einem gegenüberliegenden Berghang ein Kraftwerk erkennen, das die geothermischen Kräfte in Elektrizität umwandelt. Eine sehr fortschrittliche, umweltschonende Technik – das einzige Manko aus guatemaltekischer Sicht ist, dass das Unternehmen in ausländischer Hand ist.

Die Erdwärme wird zur Energiegewinnung genutzt

Wir setzen die Wanderung fort und wundern uns plötzlich über das seltsame Zeichen am Himmel: Ein riesiger, perfekter Rauchring schwebt da vom Kraterrand langsam in den Himmel! „Ja, das kann passieren, wenn sich am Vulkan plötzlich eine Explosion ereignet!“ meint unser Bergführer lakonisch. Doch wir informieren uns nach der Tour genauer und stellen fest: So ein Rauchring ist ein wirklich seltenes Ereignis. Als dies kürzlich am Ätna ebenfalls stattfand, berichteten die Online-Medien groß darüber! Welch ein Glück, dieses Naturphänomen miterleben zu dürfen!

Ein Kunstwerk der Natur

Und wir bekommen noch mehr vom Vulkan geboten: Schon während des Aufstiegs hören wir immer wieder ein deutliches Fauchen und Grollen ähnlich wie bei einer Dampflok, das wir aber noch besser wahrnehmen können, als wir nach einiger Zeit an einem Nebengipfel angekommen sind, von dem aus wir einen wunderbaren Blick auf den 2.552 Meter hohen Pacaya genießen.

Beste Aussicht auf den Vulkan…

In das Staunen mischt sich ein wenig Sorge: Was, wenn der Vulkan nun plötzlich richtig ausbricht? Doch die Guides sind da unbesorgt: Dieses hörbare Brodeln im Vulkankrater ist ganz normal und überhaupt nichts Ungewöhnliches.

Der Vulkan faucht und raucht heftig

Die Tour wird nun durch ein scharfkantiges Lavafeld fortgesetzt – es ist noch ganz jung, denn das hier erkaltete Gestein stammt vom letzten großen Ausbruch des Pacaya im Jahre 2014. Dabei kommen wir mit einer vierköpfigen guatemaltekischen Familie ins Gespräch, die ein Teil unserer bunt zusammengewürfelten Gruppe ist. Jana fragt sie nach ihrer Herkunft und sie begrüßen uns daraufhin in bestem Deutsch in ihrem Heimatland. Der Mann ist Arzt und hat vier Jahre lang in Begleitung seiner Familie in Hannover studiert, weshalb auch die Kinder immer noch ein wenig Deutsch können, auch wenn sie damals noch sehr klein waren und bereits seit 2012 wieder in Guatemala leben.

Eine große Rauchsäule steht über dem Pacaya
Wir laufen durchs 2014er-Lavafeld

Die Kräfte des Erdinneren werden uns im Lavafeld an einer Stelle eindrucksvoll demonstriert: Hier tritt heißer Dampf aus einer Öffnung hervor, und über ihr lässt uns der Bergführer auf kleinen Holzstäbchen mitgebrachte Marshmallows braten.

Marshmallows werden mit Erdwärme gebraten

Nach dem Abstieg ins Tal fahren wir zurück nach Antigua Guatemala. Die Gruppe zerstreut sich wieder, doch unser Programm ist damit noch längst nicht beendet. Im Gegenteil: Nach einer einstündigen Mittagspause holt uns ein Stadtführer am Hotel ab, und wir brechen zu einem Stadtrundgang auf, der über gut vier Stunden den gesamten Nachmittag in Anspruch nehmen wird.

Antiguas Gassen mit dem dahinter aufragenden Vulkan Agua

Das ist aber auch kein Wunder, denn die heute nur etwa 35.000 Einwohner zählende Stadt war in kolonialen Zeiten eine der bedeutendsten im gesamten Amerika. 1543 gegründet, entwickelte sich das damalige Santiago de los Caballeros de Goathemala zum politischen und kulturellen Zentrum ganz Mittelamerikas. Entsprechend wurden im Laufe der nächsten Jahrhunderte hunderte von prachtvollen Bauten errichtet, darunter alleine 52 Kirchen. Eigentlich selbstverständlich, dass die heute kurz Antigua genannte Stadt bereits seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Koloniale Pracht in allen Gassen der Altstadt

Unser vielseitig belesener und gebildeter Guide namens Luis Lee (ein Elternteil stammte aus China), der nicht ohne Stolz erzählt, dass er 1999 die weltberühmte chilenische Autorin Isabel Allende samt Gatten durch die Stadt geführt hat, leitet uns zunächst zur Ruine der ehemals prachtvollen Jesuitenkirche und in die danebenliegenden, mustergültig wiedererrichteten Gebäude des jesuitischen Konvents.

Heute eine immer noch beeindruckende Ruine: die Jesuitenkirche

Warum steht von der Kirche nur noch eine unvollständige Frontfassade, warum musste der Konvent wiederaufgebaut werden? Diese Fragen beantworten sich, wenn man einen Blick in die Geschichte von Antigua Guatemala wirft. Aufgrund seiner Lage in einer seismisch aktiven Zone wurde die Stadt wiederholt von Erdbeben heimgesucht; das verheerende Ereignis von 1773 hatte so schwere Schäden zur Folge, dass die Hauptstadt neu gegründet wurde – das etwa 45 Kilometer entfernte Guatemala-City entstand.

Kulisse für ein stilvolles Café im Konvent

Der ehemalige Jesuitenkonvent diente bis weit ins 20. Jahrhundert als Markthalle; nachdem jedoch 1976 erneut ein schweres Erdbeben stattfand, waren die Zerstörungen so enorm, dass ein Neuaufbau erforderlich war – und der erfolgte mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung der ehemaligen Kolonialmacht Spanien, sodass der Konvent heute ein wunderschönes Kulturzentrum ist.

Originalgetreu konstruierter Innenhof des Jesuitenkonvents

Rund um den gepflegten Parque Central mit seinem im italienischen Stil errichteten Barockbrunnen (dem einzigen weltlichen Baudenkmal aus dem 18. Jahrhundert in der gesamten Stadt) befinden sich mehrere besonders sehenswerte Bauwerke.

Italienisch beeinflusster Barockbrunnen im Parque Central

Im Renaissance-Stil sind der Palacio de los Capitanes Generales (der ehemalige Regierungspalast) und der Palacio de Ayuntamiento (das Rathaus) errichtet; barocke Einflüsse zeigt die Catedral de San José, die wir besichtigen, als gerade ein Brautpaar, das ganz offensichtlich der örtlichen Upper Class angehört, vor den Traualtar tritt.

Unverkennbar Renaissance: der ehemalige Regierungspalast
Das Rathaus stammt aus der gleichen Zeit
Reich verzierte Fassade der Kathedrale
Ein Brautpaar schreitet zum Traualtar

Mit Kirchen ist es damit allerdings noch lange nicht genug: Unser Guide zeigt uns die Franziskanerkirche und die herrliche barocke Iglesia La Merced, er führt uns in das ehemalige Dominikanerkloster, das inzwischen zu einem Luxushotel umgewandelt wurde und stellt uns die Iglesia San Pedro mit dem angegliederten Hospital, das sehr verdienstvolle Arbeit für Bedürftige leistet, vor.

Die spätbarocke Iglesia La Merced
Iglesia y Hospital de San Pedro
Das ehemalige Dominikanerkloster…
…ist heute ein Luxushotel und -restaurant

In einem Jade-Museum erfahren wir mehr über die Zusammensetzung, die Bearbeitung und die jahrtausendealten Traditionen des Schmucksteins in der Maya-Kultur, die unter anderem den bereits gestern bei der Baumwollweberin gesehenen Zahnschmuck umfassen.

Jadestein, wie er in der Natur zu finden ist
Jadeit kommt nur an vier Orten der Welt vor, unter anderem in Guatemala
Jade wird traditionell als Schmuck auf die Zähne geklebt

Eine Besonderheit in Antigua ist das 1855 errichtete, zum Wäschewaschen dienende brunnenartige Becken Tanque La Unión, das von einer hübschen Arkadenreihe gesäumt wird. Noch heute, erklärt uns Luis, kommen regelmäßig Frauen aus einem indigenen Dorf zum Waschen hierher, wenn es in ihrem Heimatort mal wieder Wassermangel gibt.

Tanque La Unión – seit über 150 Jahren ein öffentlicher Waschsalon

Doch wo ist das typische Postkartenmotiv von Antigua Guatemala, der Arco de Santa Catalina? Keine Sorge, natürlich führt unser Stadtführer gegen Ende des Rundgangs auch zu diesem Wahrzeichen der Stadt. Das elegante Tor ließen die Nonnen des Katharinenklosters im 17. Jahrhundert errichten, um von ihrem Konvent aus in die auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegende Schule, in der sie unterrichteten, zu gelangen, ohne dabei das Gebäude verlassen zu müssen.

Klassische Ansicht von Antigua Guatemala: Arco de Santa Catalina mit dem Agua im Hintergrund

Eine Stadt, in der man es ohne Zweifel länger aushalten könnte; doch unsere gebuchte Tour lässt uns nur diesen einen Tag Zeit für dieses architektonische Kleinod mit den stilvollen gepflasterten Straßen. Und für ein Abendessen in einem unserem Hotel direkt gegenüber gelegenen österreichischen Restaurant, dass mit einem großen Plakat seine Spezialität bewirbt – Wiener Schnitzel. Das lassen wir uns dann auch schmecken – mitten in Guatemala…

Wiener Schnitzel nach österreichischem Rezept…