Valladolid.
Die Halbinsel Yucatán ist reich an touristischen Anziehungspunkten, sowohl was ihre Natur als auch die Kultur angeht. Zwei Ausflüge vom dafür perfekt gelegenen Valladolid aus geben uns die Gelegenheit, einige Eindrücke zu sammeln. Am Sonntag lassen wir uns morgens um halb acht Uhr von einem Kleinbus am Hotel abholen. Zusammen mit einer jungen Niederländerin und zwei Deutschen (Mutter und Tochter) aus dem Ruhrgebiet bilden wir eine fünfköpfige Kleingruppe, die sich in einer gut eineinhalbstündigen Fahrt an die Nordküste bringen lässt, in den kleinen Fischerort Río Lagartos.

Er hat seinen Namen von der gleichnamigen Lagune, einer durch einen schmalen Zugang mit dem Karibischen Meer verbundene Brackwasserzone, die sich in flussähnlicher Form über viele Kilometer hinter einer schmalen Nehrung entlangzieht. An seinem Ufer liegt das 3.000-Einwohner-Dorf; von hier fährt das Motorboot ab, das uns auf dem auch Ría Lagartos genannten Gewässer, das beiderseits von dichtem Mangrovenwald gesäumt ist, schippert.


Die Region ist ein durch die internationale Ramsar-Konvention geschütztes Feuchtgebiet für Wasser- und Watvögel, die sich hier sehr gut beobachten lassen. Auf unserer Fahrt sehen wir unter anderem Fischadler, Kormorane, Ibisse und Pelikane; Hauptattraktion sind jedoch die hier zahlreich anzutreffenden, besonders farbenprächtigen Roten Flamingos, auch als Kubaflamingos bekannt. Ihre intensive Rosafärbung verdanken sie auch dem Plankton, das sie aus dem Wasser filtern und das ein Hauptbestandteil ihrer Nahrung ist.





Auf eine ganz besondere Sehenswürdigkeit hat uns Cindy schon vor einiger Zeit hingewiesen: die pinkfarbene Lagune Las Coloradas, die sich hier befinden soll. Die Bilder, die wir von ihr per WhatsApp erhalten haben, zeigten wir deswegen auch in dem Büro der Reiseagentur, bei der wir diese Tour buchten. Worauf der Inhaber, ein ausgewanderter Belgier, uns sogleich fragte, woher wir davon wüssten – und uns anschließend die Illusion raubte, wir könnten dieses vermeintliche Naturwunder mit eigenen Augen erleben. Die Lagune ist in Wirklichkeit nämlich das letzte einer ganzen Reihe von Becken, die zu einer großen Saline gehören; und derzeit liegt sie trocken, weil gerade Salz geerntet wird. In einigen Monaten, wenn sie wieder geflutet wird, wird sie die vom Plankton herrührende Rosa-Färbung wieder annehmen… Wir können am Ufer zumindest einen Blick auf zwei weiter oben liegende Salzteiche werfen, die allerdings eher braun als rötlich schimmern.

Dafür sehen wenig später wir selbst stark verändert aus: Unser Bootsführer hat einen ganzen Eimer weißlichen Schlamms aus der Lagune geholt, mit dem wir uns nun den ganzen Körper einschmieren dürfen. Dieses angeblich traditionelle Maya-Bad soll gut für die Haut sein – auf alle Fälle wirken wir fünf anschließend wie gerade aus dem Urwald entsprungen und haben viel Spaß mit den lustigen Fotos, die mit dieser „Kriegsbemalung“ entstehen.


Auf der Rückfahrt sind wir für die entgegenkommenden Ausflügler natürlich die große Attraktion – alle schauen sie zu uns „Wilden“ herüber… Bevor wir allerdings nach Río Lagartos zurückkehren und dort ein gutes Fischgericht genießen, können wir uns an einer flachen, sandigen und garantiert krokodilfreien Stelle der Lagune noch gründlich waschen.


Die Rückfahrt endet erst einmal etwa 30 Kilometer vor Valladolid: Wir besuchen die Maya-Ruinen von Ek Balam, übersetzt Schwarzer Jaguar, die, mitten im Urwald gelegen, erst seit 1997 freigelegt wurden. Der Ort war von etwa 200 – 1200 besiedelt und ist bislang erst zu einem kleinen Teil archäologisch untersucht worden.

Sein bedeutendstes Bauwerk ist die 31 Meter hohe Akropolis, eine sechsstöckige Stufenpyramide, die über eine steile Haupttreppe begehbar ist. An ihren Seitenfronten sind zahlreiche Reliefs mit Darstellungen von Gottheiten und Tieren, vor allem Jaguare und Schlangen, erhalten.




Zahlreiche kleinere Nebengebäude gruppieren sich um das höchste in Yucatán noch existierende Maya-Bauwerk: Tempel, Wohngebäude vornehmer Mayas und der sowohl sozial als auch rituell sehr wichtige Ballspielplatz mit seinen langen, schrägen Seitenwänden, über die der Ball, der nur mit Ellbogen, Hüften und Knien gespielt werden durfte, wieder zurück ins Spielfeld prallte. Ein technisch sehr anspruchsvoller Sport, der von den heutigen Maya-Nachfahren wieder gepflegt wird; es gibt inzwischen sogar nationale und internationale Wettbewerbe, an denen auch Teams aus anderen mittelamerikanischen Staaten teilnehmen.


Der Tagesausflug war vielseitig und interessant, aber nicht gerade billig; deswegen beschließen wir, die nächste Expedition am Montag auf eigene Faust durchzuführen. Das ist gar nicht schwierig: Mit dem ersten Linienbus, der am Morgen um 7.45 Uhr losgeht, fahren wir von Valladolid aus etwa eine Dreiviertelstunde in Richtung Westen und werden direkt vor dem Eingang zu einer der meistbesuchten archäologischen Stätten Mexikos abgesetzt, seit 1988 UNESCO-Weltkulturerbe und 2007 in einer Internet-Abstimmung zu einem der sieben neuen Weltwunder gewählt: Chichén Itzá, unweit der Kleinstadt Pisté gelegen. Am Rande des Brunnens der Itzá (Name des hier ansässigen Volksstammes) bedeutet der Name in der lokalen Maya-Sprache.

Gut, dass wir hier so früh am Morgen eintreffen, denn so weichen wir den großen Reisegruppen aus, die im Laufe des Tages das Gelände überfluten, und wir entgehen auch der größten Hitze – eine Besichtigung in den Nachmittagsstunden wäre wirklich alles andere als ein Vergnügen. Wir laufen vom Besucherzentrum aus ein paar hundert Meter durch die dichte Dschungelvegetation und stehen gleich vor dem bekanntesten, unglaublich beeindruckenden Bauwerk dieser einstmals gewaltigen, bis zu 90.000 Einwohner zählenden Stadt: die 30 Meter hohe Pyramide des Kukulcán, von den Spaniern auch als El Castillo bezeichnet, mit einer Grundkantenlänge von 55 Metern. Von allen vier Seiten führen Treppenstufen zur Spitze, auf der ein Tempel thront – jeweils 91, auf der Nordseite sind es 92, sodass sich eine Gesamtzahl von 365 ergibt. Also genau die Anzahl der Tage eines Jahres: Deswegen und wegen einiger anderer Merkmale wird dem Bauwerk gerne eine wichtige Bedeutung für den Maya-Jahreskalender gegeben; viele Wissenschaftler bezeichnen dies jedoch als sehr spekulativ, zumal die genaue Anzahl der Stufen das Ergebnis von Restaurierungsarbeiten im 20. Jahrhundert ist.

Eine unumstrittene Tatsache ist allerdings das Schauspiel der gefiederten Schlange: Zur Tag- und Nachtgleiche 20./21. März und 22./23. September fällt der Schatten der Pyramidenkanten auf die Treppenwangen an der Nordseite, sodass es aussieht, als würde sich dort eine Schlange herunterwinden. Deswegen enden nur die nördlichen Treppen in zwei Schlangenköpfen.

Bestiegen werden darf die Pyramide – genau wie alle anderen Bauwerke Chichén Itzás – schon seit gut zehn Jahren nicht mehr. Über den Grund dafür gibt es unterschiedliche Angaben: Zum einen heißt es, dies sei angeordnet worden, nachdem 2006 eine Touristin zu Tode gestürzt war; meist kann man jedoch lesen, dass dies dem Schutz der Bausubstanz dient. Bei den hiesigen Besuchermengen ist das absolut nachvollziehbar; noch verstärkt, nachdem man vor zwei Jahren herausgefunden hat, dass die Pyramide wohl über einem Cenote errichtet wurde und damit potenziell einsturzgefährdet ist – das wäre die größte anzunehmende Katastrophe für den Zentralbau von Chichén Itzá.

Die weit ausgedehnte Stadtanlage, die trotz einer seit weit mehr als hundert Jahren währenden Forschungstätigkeit von Archäologen immer noch nicht vollständig freigelegt ist, bietet in ihren zugänglichen Bereichen noch eine Fülle von weiteren hoch interessanten Bauwerken. Da ist zunächst der von zahlreichen Kriegerstatuen, Schlangen, Adlern und Jaguaren geschmückte Templo de los Guerreros (Kriegertempel), der an drei Seiten von langen Säulenreihen, der Grupo de las Mil Columnas, umgeben ist.


Ihr gegenüber befinden sich mit dem großen Ballspielplatz und dem Jaguartempel zwei weitere eindrucksvolle Hinterlassenschaften der Mayas und der Tolteken, die diese Stadt nach heutigem Wissensstand wohl nacheinander bewohnten. Zwei hoch oben an den Seitenwänden angebrachte Ringe waren das Ziel, durch das der aus Kautschuk bestehende, fast gleich große Ball befördert werden sollte – angesichts der Höhe, der Größe des Spielfeldes und der für die Ballberührung erlaubten Körperteile äußerst schwierig. Ob diese Spiele tatsächlich rituellen Charakter besaßen, ob die Verlierer tatsächlich den Göttern geopfert wurden, ist unter Wissenschaftlern bis heute umstritten – aufgrund der dürftigen Quellenlage bleibt vieles im Reich der Spekulation.

Gesichert ist allerdings, dass die Maya ihre Ansiedlungen in Yucatán grundsätzlich in der Nähe eines Cenote errichteten; diese Wasserquellen waren in dem heißen und trockenen Klima überlebenswichtig. So gibt es auch in Chichén Itzá eines dieser wassergefüllten Karstlöcher zu bewundern, das hier den Namen Cenote Sagrado (Heiliger Brunnen) trägt.

Zahlreiche Plattformen, deren Seiten oft reich verziert sind, prägen die Ruinenstätte – eine davon, mit dem Namen Tzompantli, zeigt hunderte von Schädeln, sodass man annimmt, dass hier auf einem Holzgerüst die Köpfe geopferter Personen ausgestellt wurden, wie es von anderen mesoamerikanischen Städten bekannt ist.

Etwas entfernt von der zentralen Pyramide stoßen wir auf eine Gruppe weiterer beeindruckender Baudenkmäler. Zunächst passieren wir das Osario, das sogenannte Hohepriestergrab, dessen Name allerdings der Phantasie eines Entdeckers entspringt und nichts mit der nicht vollständig geklärten tatsächlichen Bedeutung des Gebäudes zu tun hat. Es handelt sich um eine kleinere, im Aufbau dem Castillo ähnelnde Stufenpyramide.

Ähnliches gilt auch für Las Monjas und La Iglesia: Die spanischen Entdecker dachten bei ihrem Anblick an ein Nonnenkloster und an eine danebenliegende Kirche, was aber sicher nicht dem ursprünglichen Nutzungszweck der Gebäude entspricht.


Eindeutiger ist da schon der Zweck des von den Spaniern Caracol genannten Gebäudes, das von einer hier einzigartigen runden Kuppel gekrönt wird – es diente als Observatorium, von dem aus die Maya-Priester durch die Beobachtung der Gestirne periodisch wiederkehrende Festtage berechnen oder die Termine für wichtige Ereignisse wie Aussaat und Ernte bestimmen konnten.

Das sind nur einige von noch vielen weiteren Überresten einer immer noch geheimnisvollen, längst versunkenen Zivilisation – die Wissenschaftler sind bis heute nicht ganz sicher, ab welchem Zeitraum Chichén Itzá besiedelt wurde; man geht heute vom 7./8. Jahrhundert aus. Zunächst stand sie im Schatten von Ek Balam, erst im Laufe der Zeit änderten sich die regionalen Machtverhältnisse. Als Siedlung aufgegeben wurde Chichén Itzá im 15. Jahrhundert; als die Spanier Yucatán eroberten, lag der Ort bereits verlassen da.

Great pictures and interesting stories indeed! I went to chitzen itza in november. So great that you guys get to see it. Where are you off to next? Hope all is well. Kara
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Hi Kara,
so nice, that you still are following us! Yes, Mexico is really very interesting. Every day we can find new food to taste, and each region has different meals.
At the 1st of June we’ll fly to Colombia. And what about you? Hope to meet any time again – maybe in Germany, when we are back home!
Jana and Wolfgang
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