Bucaramanga.

Der nächste Ortswechsel steht an: Von Barichara nehmen wir einen Kleinbus, der uns in einer Dreiviertelstunde hinunter nach San Gil bringt. Der als Kolumbiens Abenteuer-Hauptstadt bekannte Ort (hier werden Sportarten wie Rafting, Paragliding, Zip-Lining… angeboten) ist für uns aber nur eine Umsteigestation auf dem Weg nach Norden – mit dem nächsten Kleinbus fahren wir zweieinhalb Stunden durch eine spektakuläre, tief eingeschnittene Berglandschaft in die Hauptstadt des Departements Santander, Bucaramanga.

Die gut 520.000 Einwohner zählende Stadt, Kolumbiens fünftgrößte, liegt von bewaldeten Bergen umgeben auf einer Höhe von 960 Metern – hier ist es also noch einmal ein bisschen wärmer als in Barichara, aber nicht unangenehm heiß. Das BGA Hotel, in dem wir für drei Nächte unterkommen, ist ein modernes, elfstöckiges Gebäude im gehobenen, im Osten der Innenstadt liegenden Viertel Cabecera. Um abends zum Essen zu gehen, brauchen wir nur in den Straßenzügen rund um unser Hotel umherzustreifen und finden eine breite Auswahl an Restaurants mit internationaler Küche.

Unser Hotel ist eines von vielen Hochhäusern der Stadt

Die Taxis hier sind grundsätzlich mit Taxameter ausgestattet und man kommt sehr günstig herum – es besteht also kein Grund, sich für die kurze Zeit hier mit dem öffentlichen Nahverkehrssystem auseinanderzusetzen. Bucaramanga, von den Einheimischen kurz Buca genannt, wurde von den Spaniern 1622 als indigenes Dorf gegründet und entwickelte sich zunächst nur langsam. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte der Ort die Bedeutung eines regionalen Zentrums, ausgelöst unter anderem auch durch den Zuzug von deutschen Händlern und Abenteurern.

Parque García Rovira mit der Kirche San Laureano im Hintergrund

Besonders viel Historisches hat Bucaramanga deswegen auch nicht zu bieten. Keimzelle der Stadt ist das Gebiet um den Parque García Rovira, der heute zwar mit vielen Palmen bestanden ist, jedoch nur mit der Pfarrkirche San Laureano und der gegenüberliegenden Capilla de los Dolores noch Bausubstanz aus kolonialer Zeit aufzuweisen hat. Die repräsentativen Gebäude der Departements- und der Stadtregierung sowie der Justizpalast sind neueren Datums.

Haupteinkaufsmeile der Stadt ist die zur Fußgängerzone umgestaltete Calle 36. Als wir durch sie schlendern, fällt uns plötzlich ein gar nicht hierher passendes Haus auf – die Pasteleria Berna wirbt mit Schweizer Küche und ist im Stil einer alpenländischen Berghütte gestaltet. Und das mitten in einer südamerikanischen Großstadt!

Schweizer Berghütte mitten in Bucaramanga

Die Calle 36 führt direkt zum Parque Santander – inzwischen ist er das Zentrum Bucamarangas, ebenfalls ansprechend mit viel Grün gestaltet. Mit den blendend weiß gestrichenen Doppeltürmen der 1895 fertiggestellten Catedral de la Sagrada Familia akzentuieren hier die Wahrzeichen der Stadt die ansonsten von vielen Hochhausbauten geprägte Silhouette.

Die Türme der Catedral de la Sagrada Familia
…überragen den Parque Santander

Will man das historische Zentrum Santanders kennenlernen, muss man von Bucaramanga aus vielleicht zehn Kilometer Richtung Südwesten nach San Juan de Girón, allgemein nur als Girón bezeichnet, fahren. Da die Stadt im Einzugsbereich von Bucaramanga liegt, ist sie inzwischen auch schon auf 190.000 Einwohner angewachsen. Im Kern ist sie jedoch nach wie vor kleinstädtisch und hat ihren kolonialen Charakter mit einheitlich weiß gestrichenen Fassaden bis heute erhalten.

In den Altstadtgassen von Girón…
…ist alles noch wie in spanischen Zeiten

1631 gegründet, war Girón lange Zeit die Hauptstadt Santanders. Mit der Basílica Menor de San Juan Bautista beherbergt sie ein mächtiges Kirchengebäude aus der Gründungszeit der Stadt, das bei den Gläubigen der Region wegen des Bildnisses des Señor de los Milagros nach wie vor als Wallfahrtsziel von großer Bedeutung ist.

Die Basílica Menor de San Juan Bautista ist eine bedeutende Wallfahrtskirche

Ansonsten gefallen in Girón vor allem kleine, gemütliche Plätze wie die Plazuela de las Nieves mit der reizenden, gleichnamigen Capilla Nuestra Señora de las Nieves und eine stimmungsvolle, allerdings derzeit im Umbau befindliche Gasse, die ein kleines Bächlein, über das mehrere alte Brücken hinwegführen, begleitet.

Plazuela de las Nieves mit der gleichnamigen Kapelle
Hübsche Brücke über ein kleines Bächlein

Am Mittwoch lassen wir den Dunstkreis der Großstadt für einen Tagesausflug hinter uns. Dazu legen wir gut den halben Weg, den wir vor zwei Tagen von San Gil aus nach Bucaramanga gefahren sind, noch einmal in umgekehrte Richtung zurück – eineinhalb Stunden in einem engen, stickigen Kleinbus, sodass wir uns während der Anreise schon fragen, ob es das wirklich wert ist.

Sobald wir aber unser Ziel, den Parque Nacional Chicamocha, kurz auch Panachi genannt,erreicht haben, sind diese Zweifel schnell verflogen: Zwar handelt es sich hier nicht um einen typischen Nationalpark, sondern eher um einen von privaten Investoren 2006 errichteten Freizeitpark, doch was es hier zu tun und vor allem zu sehen gibt, ist wirklich toll! In erster Linie gilt das natürlich für den Cañón del Chicamocha: Mehr als 1.500 Meter tief schneidet sich der Río Chicamocha hier in die östliche Andenkette ein und bildet eine majestätische Landschaft von atemberaubender Schönheit.

Herrliche Berglandschaft rund um den Cañón del Chicamocha

Die Parkbetreiber haben sich einen perfekten Ort ausgesucht: Auf einem Bergrücken gelegen, gibt es hier unter anderem einen Aquapark mit einer Traumlage, der in Südamerika seinesgleichen sucht; man kann sich in Ziplining oder Paragliding versuchen oder, wenn einem das zu riskant erscheint, auch in eine Riesenschaukel setzen, die einen direkt über dem Abgrund schweben lässt – ein Adrenalinkick, den auch wir uns noch zutrauen.

Schöner kann ein Bad gar nicht liegen als der Acuaparque Nacional del Chicamocha
Extrem-Schaukel über dem Abgrund

Mit dem gewaltigen Denkmal Monumento a la Santandereanidad, das eine Hommage an revolutionäre Bestrebungen der einheimischen Bevölkerung gegen die spanische Kolonialherrschaft im 18. Jahrhundert, und dem Museo Guane wird hier auch Kultur angeboten. In letzterem werden vor allem Keramikfunde dieses früher hier lebenden indigenen Volkes gezeigt und ausführlich geschildert, wie die Technik der Schädelverformung funktionierte – das Schönheitsideal dieses (und vieler anderer präkolumbischer Völker, wir haben ein ähnliches Beispiel bereits in Peru kennengelernt) Stammes verlangte es, durch Bandagieren in frühester Kindheit die Schädel in eine extrem langgezogene Form zu bringen.

Das Monumento a la Santandereanidad
…stellt Szenen aus der Geschichte der Region dar
Das Museo Guane zeigt Keramiken…
…und durch Abbinden im frühen Kindesalter…
…bizarr verformte Schädel

Dass mehrere Restaurants für das leibliche Wohl der Besucher sorgen, dass es eine Reihe von Läden mit einem Angebot zwischen echter Handwerkskunst und einfachen Souvenirs gibt und dass man am Parkausgang sogar noch Bustickets für die Rückfahrt – wahlweise nach Bucaramanga oder San Gil – buchen kann, vervollständigt den Gesamteindruck, dass bei der Planung und der Umsetzung Vollprofis am Werk waren, die eine Einrichtung realisiert haben, die wir so in den benachbarten Andenländern nirgends gefunden haben. Auch was die Qualität des verwendeten Baumaterials und die Sauberkeit auf dem Gelände angeht…

Auf einem Bergrücken gelegen: der Parque Nacional Chicamocha
Ganz oben auf dem Berg genießt man einen 360-Grad-Rundblick

Hauptgrund für unseren Besuch hier ist allerdings die über sechs Kilometer lange Seilbahn, mit der man in einer 22 Minuten dauernden Fahrt aus einer Höhe von fast 1.500 Metern zunächst den gesamten Cañón hinunter und auf der anderen Seite zur auf über 1.600 Meter gelegenen Mesa de los Santos wieder hinaufschwebt – dort kann man aussteigen, den faszinierenden Ausblick über die weite Berglandschaft genießen und anschließend zurückfahren.

Mit der Seilbahn geht es hinunter in den Cañón del Chicamocha…
…über den Fluss..
…und auf der anderen Seite wieder hoch zur Mesa de los Santos

Dabei erstaunen uns auch die enormen Unterschiede in der Pflanzenwelt, denn je tiefer wir in die Schlucht hinunterkommen, umso mehr Kakteen mischen sich in das Gras- und Buschland, das die Vegetation in größerer Höhe dominiert. Dass auch dieses wunderschöne Bergtal allerdings nicht unberührt von Menschenhand bleibt, zeigt der Blick aus der Gondel: Am Flussufer hat sich ein großes Kieswerk niedergelassen, das den begehrten Bau-Rohstoff zutage fördert…

Große Kakteen wachsen an den tiefer liegenden Hängen
Zum Abschluss ein Kaffee mit Aussicht!