Panama-Stadt.
Noch einmal sind wir für eine Woche am Pazifik! Die gleichnamige Hauptstadt von Panama liegt im Süden des kleinen Landes, dessen Fläche in etwa der Bayerns entspricht, direkt an der Küste des größten Weltmeeres. Sie zählt über 800.000 Einwohner und hat sehr unterschiedliche Facetten zu bieten, die wir im Verlauf mehrerer Besuchstage kennenlernen. Ganz gut, dass wir so viel Zeit hier zur Verfügung haben; denn zum einen erstrecken sich die Stadtteile von Panama-Stadt über viele Kilometer in die Breite, zum anderen erfordern es die tropischen Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit, dass wir unser Tagesprogramm jeweils auf ein paar Stunden am Vormittag beschränken.

Sucht man in Panama-Stadt ein klassisches Stadtzentrum, dann wird man Casco Viejo, auch Casco Antiguo genannt, besuchen, das Altstadtviertel, das ab 1673 von starken Befestigungsmauern umgeben auf einer kleinen Halbinsel errichtet wurde.

Seit 1997 steht das historische Zentrum auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes; dennoch geht von den Gebäuden in den schmalen, in typisch kolonialer Bauweise schachbrettartig angelegten Gassen zum Teil ein recht morbider Charme aus. Die Gegensätze hier sind krass: Direkt neben vorbildlich restaurierten Häusern bröckeln die Fassaden anderer kolonialer Bauwerke langsam vor sich hin. Anderswo wird gerade saniert, und zwar radikal: Oft wurden nur die Außenmauern stehen gelassen, das Gebäude ansonsten vollkommen entkernt, und die nun in Gang befindliche Umgestaltung sorgt dafür, dass weitere alteingesessene Bewohner der Innenstadt hier nicht mehr bleiben können, weil die Wohnungen – falls hier nicht ohnehin Hotels, Restaurants oder Büroräume entstehen – für sie unbezahlbar werden. Ein Vorgang, der mit dem Fachbegriff Gentrifizierung charakterisiert wird und vielerorts vor sich geht, hier jedoch wie unter einem Brennglas deutlich wird…



Keine Frage: In den Gassen des Casco Viejo lässt es sich gemütlich bummeln – die bunten Fassaden und die filigranen schmiedeeisernen Balkone haben viel Charme, und weil es so eng ist, sind auch nicht viele Autos hier unterwegs.



Zudem gibt es eine ganze Reihe von beeindruckenden architektonischen Zeugnissen der verschiedenen geschichtlichen Epochen zu bewundern, die Panama durchlebt hat. Aus kolonialer Zeit stammen viele Kirchenbauten, die zum Teil nur noch als Ruinen erhalten sind. Doch auch in diesem Zustand präsentieren sich die Iglesia de la Compañía de Jesús und der Convento de Santo Domingo noch sehr würdevoll.


Weitestgehend von Baugerüsten zugestellt zeigt sich dagegen die Catedral Basílica Santa Maria la Antigua de Panamá. Das nach über 100jähriger Bauzeit 1796 fertiggestellte bedeutendste Kirchengebäude Panamas an der Plaza de la Independencia wird derzeit einer Generalrestaurierung unterzogen.

Der schönste Platz der Stadt ist nach unserem Eindruck allerdings die Plaza de Bolívar. Auch hier in Panama wird das Andenken des Freiheitskämpfers in hohen Ehren gehalten. Selbstverständlich erhebt sich ein Denkmal, das an den Helden erinnert; der Palacio Bolívar, heute Sitz des Außenministeriums, war früher ein Franziskanerkloster, die dazugehörige Kirche nebenan wurde nach einem Brand 1918 in neuer Form wiederaufgebaut.



Die moderne Entwicklung und auch die Unabhängigkeit des Staates Panama hängen sehr eng mit dem Kanalbau zusammen. Der dazu mit den USA abgeschlossene Vertrag, der im Gegenzug für die Unterstützung der Abspaltung von Kolumbien das Abtreten einer auf beiden Seiten fünf Meilen breiten Zone an die Vereinigten Staaten vorsah, wurde in Panama später allgemein als ungerecht empfunden. Da erschienen die weiter zurückliegenden Grabungsarbeiten der Franzosen plötzlich in einem wesentlich helleren Licht – und entsprechend wurde 1922 am Rande der Altstadt, mit Blickrichtung zum Meer und zum Kanal, die Plaza Francia mit halbrundem Säulengang, zehn Gedenktafeln und einem Obelisken mit gallischem Hahn an der Spitze errichtet.


Um die ersten Spuren der spanischen Kolonisten nachzuverfolgen, müssen wir aber Casco Viejo verlassen und etwa zehn Kilometer die Küste entlang nach Südosten fahren. An dieser Stelle wurde ab 1519, nur sechs Jahre, nachdem Vasco Núñez de Balboa als erster Weißer dieses Gebiet betreten hatte, eine Siedlung errichtet – die älteste europäische am Pazifischen Ozean. Dem Entdecker ist heute ein großes Denkmal an der Avenida Balboa gewidmet, und auch die panamaische Währung (die allerdings im Verhältnis 1:1 an den US-Dollar gekoppelt ist und von der es nur Münzen gibt) trägt seinen Namen.

Panamá La Vieja oder auch Panamá Viejo, wie sie heute genannt wird, war eineinhalb Jahrhunderte lang die wichtigste Hafenstadt für die Kolonialherren, wurde doch ein Großteil der in Südamerika gefundenen bzw. geraubten Güter per Schiff hierhergebracht und über die panamaische Landenge an die Atlantikseite transportiert, um von dort die Weiterfahrt nach Spanien anzutreten. Das Ende der stolzen Stadt kam 1671: Einer der berüchtigtsten Freibeuter jener Zeit, Henry Morgan, überfiel Panama, das dabei komplett in Flammen aufging. Danach entschloss sich die Kolonialverwaltung, die Stadt an anderer Stelle wiederaufzubauen.

Heute ist Panamá Viejo eine imposante Ruinenstätte von erheblicher Ausdehnung und seit 2003 ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe. Die noch erhaltenen Mauerreste vermitteln einen anschaulichen Eindruck von der Größe und auch dem Wohlstand der Stadt, denn die einfache Bevölkerung konnte sich damals Häuser aus Stein nicht leisten. Besonders gut erhalten ist die Plaza Mayor mit der Catedral Nuestra Señora de la Asunción, deren Glockenturm sich mächtig in die Höhe streckt.

Auch einige Klosterbauten lassen sich noch sehr gut nachvollziehen: der Convento de Santo Domingo zum Beispiel gleich nach dem Eingang, der Jesuitenkonvent und insbesondere das Kloster der Konzeptionistinnen mit seiner Kirche, die aufgrund von Morgans Überfall nie fertiggestellt wurde.


Eine grundlegende Schwäche der Stadtanlage von Panamá Viejo war, dass sie kaum effektive Befestigungsanlagen hatte – sicher ein wichtiger Grund für ihren Untergang. Nur am westlichen Ende der Stadt findet man mit dem Fortín de la Natividad und der davor liegenden, über einen schmalen Fluss führenden Puente del Matadero eine kleine Bastion.


Doch Panamas heutiges Stadtbild wird nicht von den Bauwerken der vergangenen Jahrhunderte bestimmt. Das Gesicht der Stadt präsentiert sich ausgesprochen modern, und wichtigster Auslöser dafür war natürlich der vor gut 100 Jahren erfolgte Bau des Panama-Kanals. Eine direkte Folge davon ist die Calzada de Amador: Der Damm, der Panamas südwestlichen Stadtteil Amador seit 1913 mit den vorgelagerten Inseln Naos, Culebra, Perico und Flamenco verbindet, wurde aus dem Material errichtet, das bei dem Kanal-Durchstich abgetragen wurde. Er dient als Wellenbrecher zwischen dem offenen Meer und der Kanaleinfahrt.

Heute ist der Damm ein beliebter Ort, um wahlweise tolle Ausblicke in Richtung Stadt oder zum Kanal zu genießen, in ruhiger Umgebung mit frischer Meeresbrise zu bummeln, Rad zu fahren, zu skaten oder mit einer Fähre auf die vorgelagerten Inseln überzusetzen. Auch unser Bootsausflug auf dem Panama-Kanal endete hier an einem kleinen Yachthafen. Der benötigt einen ordentlichen Tiefgang, denn bei Ebbe liegen hier weite Küstenabschnitte frei.



Am atemberaubendsten ist sicher das Panorama der Skyline von Panama-Stadt. Acht der zehn höchsten Wolkenkratzer Lateinamerikas stehen hier, insgesamt kann die Stadt auf 22 Hochhäuser mit einer Höhe von über 200 Metern verweisen. Wie kam dieses kleine Land zu einer solch gigantischen Ansammlung von in den Himmel ragenden Konstruktionen aus Glas, Stahl und Beton? Die erklecklichen Einnahmen, die der Kanal abwirft, sind sicher ein Grund, aber gewiss nicht der einzige. Eine mindestens genauso große Rolle spielt die Finanzpolitik des Landes. Weil die Steuern sehr niedrig sind (wir bekommen das im Restaurant oder beim Einkaufen mit: Die Mehrwertsteuer liegt gerade mal bei sieben Prozent) und die Finanzbehörden sehr diskret, haben Bankhäuser aus aller Welt hier Niederlassungen errichtet, damit Wohlhabende ihr Geld hier anlegen (oder auch verstecken) können – und dass Banken gerne Hochhaustürme als Statussymbole errichten, kennt man ja auch aus der Heimat…


Die Skyline ist wohl das auffälligste Symptom einer Besonderheit, die uns in Panama-Stadt extrem auffällt: Die Metropole ist sehr stark amerikanisiert. Das zeigt sich in den Geschäften und im Warenangebot, aber vor allem auch im alltäglichen Gebrauch der englischen Sprache, den zahlreichen amerikanischen Touristen, dem hohen Preisniveau und den mehrspurigen Schnellstraßen, die sich durch die Stadt ziehen. Die Autos, die hier unterwegs sind, unterscheiden sich in einem Punkt dann aber doch grundlegend von den USA (und auch von allen anderen Ländern, die wir bisher besucht haben): Sie sind nur hinten mit Nummernschildern bestückt!


Von der Nähe aus lässt sich die Silhouette des modernen Panama, das scherzhaft auch als Klein-Dubai von Lateinamerika bezeichnet wird, am besten auf der Cinta Costera betrachten, einer langgezogenen Küstenpromenade, die das Casco Viejo mit dem Bankenviertel verbindet.


Einige Konstruktionen stechen aus den vielen Hochhäusern hervor: Am auffälligsten ist sicher der wie ein Schraubengewinde in sich verdrehte, 243 Meter hohe F&F Tower, anfangs als Revolution Tower bekannt, der zwischen 2008 und 2011 errichtet wurde.


Wie ein nostalgischer Fremdkörper wirkt da die Iglesia Nuestra Señora del Carmen – das neogotische, filigrane Kirchlein, das zwischen 1947 und 1951 gebaut wurde, befindet sich direkt neben der gleichnamigen Metro-Station im Stadtteil El Cangrejo. Diese Metro besteht bis jetzt nur aus einer einzigen Linie und ist auch erst seit 2014 in Betrieb; doch weitere Trassen sind geplant und werden den momentan noch ziemlich chaotischen Verkehr in der Stadt hoffentlich entlasten.

Von hier ist es nicht weit zu Fuß in unser Hotel, wo wir aus unserem Zimmer einen gigantischen Blick auf die Hochhaussilhouette genießen. Und wir können das sogar noch toppen: Dazu müssen wir nur mit dem Fahrstuhl den Swimmingpool auf der Dachterrasse ansteuern, dann erleben wir speziell bei Sonnenuntergang ein Panorama der Sonderklasse!

