Donaumünster.
Die Dämmerung senkt sich bereits über Abisko, als wir gegen 16.45 Uhr in den Zug einsteigen: dasselbe Liegewagenabteil wie vor drei Tagen, wieder werden wir 17 Stunden hier verbringen und dabei 1.500 Kilometer zurücklegen. Dann, kurz vor zehn Uhr, haben wir es geschafft: Wir sind am Hauptbahnhof in Stockholm angekommen und damit wieder mitten in der Zivilisation! Um von hier zu unserer Unterkunft zu kommen, müssen wir nur vier Stationen mit der U-Bahn, in Stockholm Tunnelbana genannt, fahren und dann noch etwa zehn Minuten zu Fuß laufen: Auf Södermalm, einer der vielen Inseln, über die sich die schwedische Hauptstadt erstreckt, befindet sich in einer ruhigen Seitenstraße das STF Zinkensdamm Hostel – eine Jugendherberge, in der wir zwei kleine, saubere Zimmer für eine Nacht beziehen und uns anschließend aufmachen können, die Stockholmer Innenstadt zu erkunden.

Deren Herz besteht aus der Gamla stan, der Altstadt, auf Stadsholmen: Schmale Kopfsteinpflastergassen mit historischen Fassaden ziehen sich über die kleine, mit Brücken an die größeren Nachbarinseln angebundene Schäre. Im Sommer schieben sich hier die Touristenmassen durch, heute – bei Temperaturen knapp über der Null-Grad-Grenze – hält sich der Besucherandrang in Grenzen, und die zahlreichen Souvenirläden machen sicherlich keinen Rekordumsatz.



Vorbei an der Nikolaikirche, dem Stockholmer Dom, erreichen wir den Stortorget, der den Mittelpunkt der Altstadt bildet. Er ist umgeben von zahlreichen schönen Bürgerhäusern sowie von der beeindruckenden Fassade der ehemaligen Börse, in der sich heute das Nobel-Museum befindet. Da wir in Erfahrung bringen, dass freitags der Eintritt zwischen 17 und 20 Uhr jeweils kostenlos ist und noch dazu in diesem Zeitraum auch Führungen angeboten werden, verschieben wir den Besuch dieser Einrichtung auf den Abend.


Ein weiteres Museum, das in Stockholm eigentlich ein Muss ist, haben wir bei einer Schweden-Reise vor zehn Jahren bereits kennengelernt – das Vasa-Museum auf der Insel Djurgården wurde rund um das Wrack des weltbekannten, 1628 bei seiner Jungfernfahrt gesunkenen schwedischen Kriegsschiffes errichtet, das nach seiner Bergung 1961 aufwändig restauriert wurde und heute einen einzigartigen Einblick in die Schiffsbautechnik zur Zeit des 30-jährigen Krieges ermöglicht.

Bevor wir Gamla stan verlassen, kommen wir unweigerlich am Königlichen Schloss vorbei: Der gewaltige, im 18. Jahrhundert errichtete Barockbau ist der offizielle Amtssitz des schwedischen Königs, wird von der Königsfamilie aber schon seit 1982 nicht mehr bewohnt – die zog es vor, sich auf Schloss Drottningholm zurückzuziehen, einem wunderschönen Landsitz auf einer Insel im Mälaren, die zur westlich von Stockholm liegenden Gemeinde Ekerö gehört.


Die Strömbrön verbindet nicht nur die Gamla stan mit dem modernen Zentrum der Hauptstadt, Norrmalm, von hier gibt es auch tolle Stadtpanoramen zu bewundern: nach links zum Reichstagsgebäude auf Helgeandsholmen, nach rechts zur Insel Skeppsholmen mit verschiedenen Museumsgebäuden und der oktagonalen Skeppsholmskyrkan, die seit 2009 einen Konzertsaal beherbergt.



Norrmalms Hauptachse ist die zur Fußgängerzone umgestaltete Drottninggatan.

Hier trennen sich die Wege von Jana und Denise sowie von Peter und mir für zwei Stunden: Während Mutter und Tochter bummeln gehen, drehen wir eine Runde über die westlich davon gelegene Insel Kungsholmen, auf der sich unter anderem das massive Backsteingebäude des Stadshus befindet – hier, im Rathaus von Stockholm, findet jedes Jahr das Festessen anlässlich der Vergabe der Nobelpreise statt.


Nicht damit zu verwechseln: Das Rådhus, das im Deutschen am treffendsten mit dem Begriff Amtshaus wiedergegeben werden kann. Der im Vergleich dazu schlichtere Bau, der ebenfalls aus dem frühen 20. Jahrhundert stammt, befindet sich nur wenige hundert Meter davon entfernt in einer Seitenstraße.

Zurück in Norrmalm, kommen wir noch am Hötorget mit einem großen Blumenmarkt und dem Konzerthaus – hier werden die Nobelpreise verliehen – sowie am größten Park der Stadt, dem Kungsträdgården, vorbei, bevor wir uns am Nobel-Museum wieder treffen.


Hier erfahren wir bei der Führung viele interessante Details rund um den Nobelpreis: Etwa, dass Stifter Alfred Nobel die Vergabebestimmungen in seinem handschriftlich abgefassten Testament recht kurz und unpräzise formulierte; dass es bei Preisverleihung bereits zu diplomatischen Verwicklungen kam, als ein amerikanischer und ein sowjetischer Preisträger ihre Medaillen vertauschten; oder, dass viele Wissenschaftler mit doppelter Staatsbürgerschaft lieber eine europäische Staatsangehörigkeit angeben, da in der EU das Preisgeld im Gegensatz zu den USA nicht versteuert werden muss.


Interaktive Stationen, an denen man sämtliche Preisträger anklicken kann; ein Raum, in dem Kinder Experimente von Nobelpreisträgern nachspielen können, ein anderer, in dem die verschiedensten thematisch passenden Kurzfilme gezeigt werden und Bistrostühle mit den Unterschriften der aktuellen Laureaten auf der Sitzunterseite: Das Nobel-Museum hat tatsächlich sehr viel zu bieten und ist derzeit lediglich aufgrund der Größe des Gebäudes limitiert – doch das soll sich bald ändern, ein Neubau an anderer Stelle ist bereits geplant.


Stockholm hätte ganz sicher noch mehr zu bieten – doch unsere Woche in Schweden ist bereits wieder vorbei, am Samstagvormittag verlassen wir unser Kurzzeit-Domizil und verabschieden uns am Hauptbahnhof von Denise und Peter. Sie fahren mit dem Zug zurück nach Örebro, während wir einen Shuttle-Bus hinaus zum gut 35 Kilometer entfernten Arlanda Airport nehmen: Dort ist für kurz nach drei Uhr nachmittags der Abflugtermin für einen Airbus 320 von Lufthansa angesetzt, der uns in zwei Stunden zurück nach München bringen soll. Doch bis wir endlich loskommen, hat sich die Verspätung auf eineinhalb Stunden summiert: In der bayerischen Landeshauptstadt schneit es stark, der Flugbetrieb ist dementsprechend betroffen. Gerade Kurzstreckenflüge fallen reihenweise aus, wir sind froh, dass wir überhaupt fliegen und nach langer Wartezeit auf den Koffer, einem guten Abendessen in Freising und einer anstrengenden Heimfahrt über teilweise matschige Autobahnen kurz vor Mitternacht wieder gut daheim angekommen sind.

