Mitterham.
Samstagmorgen, Start in die Faschingsferien: Frühmorgens um kurz nach fünf Uhr fahre ich mit Jana von unserem Zuhause im schwäbischen Donaumünster los in Richtung Flughafen München. Nur wenig später setzt sich in Mitterham, einem Ortsteil der oberbayerischen Kurstadt Bad Aibling, ein anderes Auto mit demselben Ziel in Bewegung – an Bord unsere Tochter Denise und ihr Freund Peter. Gegen halb sieben Uhr treffen wir uns alle wie verabredet am Terminal 2 des Airports; zum Glück so früh, denn wie wir schnell mitbekommen, ist die Schlange, in die sich Jana und Denise einreihen müssen, eine sehr lange. Die beiden haben nämlich ein winterlich-kaltes Reiseziel im hohen Norden: Für eine Woche fliegen sie ins mittelschwedische Östersund, um dort den verschiedensten Wintersportarten zu frönen. Ski alpin, Ski nordisch und Schlittschuhlaufen stehen auf dem Programm, Tickets für einen Wettkampf der am kommenden Donnerstag dort beginnenden Biathlon-WM haben sie sich ebenfalls besorgt. Und die Skier müssen als Sperrgepäck aufgegeben werden – was bei zwei offenen Schaltern und einer Unmenge von flugwilligen Wintersportlern eben zwangsläufig für eine ziemlich lange Wartezeit sorgt. Die verkürzen wir uns mit einem kurzen Treffen mit Peters Eltern: Birgid und Heinz fliegen rein zufällig fast zeitgleich auch in den Urlaub, allerdings in eine komplett andere Gegend, nämlich aufs frühlingshaft warme Madeira.
Als Jana und Denise ihr Gepäck schließlich losgeworden sind und sich von Peter und mir verabschiedet haben, beginnt auch für uns die Reise – die allerdings nicht aus Bayern hinausführen wird und in den nächsten fünf Tagen den Besuch einer Reihe von verschiedenen Privatbrauereien zum Ziel hat: Biertour mit Kultur heißt das Motto, unter das wir unsere Rundfahrt durchs Bayernland gestellt haben. Getreu der Überzeugung, dass die Brauerzunft und ihre so vielfältigen Erzeugnisse einen wichtigen Beitrag zur traditionellen heimischen Kultur leisten. Eine erste Kostprobe können wir gleich auf dem Flughafen selbst durchführen, wir müssen dazu nur ein paar Minuten zu Fuß zum Terminal 1 laufen.

Dort befindet sich seit 1999 mit dem Airbräu die weltweit einzige Flughafenbrauerei: Sie stellt ihre Biere direkt vor Ort her und schenkt sie im brauereieigenen Restaurant auch gleich aus. Was liegt also näher, als unsere Tour mit einem zünftigen Weißwurstfrühstück direkt hier zu starten? Zuerst machen wir aber Bekanntschaft mit einem bärbeißig wirkenden Kellner: Wir haben uns gerade gesetzt, da fragt er uns, was wir trinken wollen. Wir antworten, dass wir erst einmal auf der Karte schauen möchten – was ihm ein unwilliges Kopfschütteln und halblaut dahingemurmelte Unmutsäußerungen entlockt. Die nächsten zehn Minuten ignoriert er uns dann komplett, ehe er die Bestellung doch aufnimmt. Zum Glück, denn das Bier, das wir da serviert bekommen, kann uns sowohl geschmacklich überzeugen als auch preislich überraschen. Peter hat das naturtrübe helle Weißbier mit dem Namen Kumulus im Glas, ich habe mir das Märzenbier 1918 ausgesucht, das zum 100-jährigen Jubiläum des Freistaates Bayern neu eingebraut wurde. Beide sind wir sehr zufrieden mit unserer Wahl und meinen, dass es auf diesem Niveau gerne weitergehen könnte.


Bis wir unser nächstes Bier probieren werden, vergehen aber erst einmal einige Stunden. Zuerst einmal fahren wir nach Mitterham, legen dort eine kurze Pause ein und steuern dann den nicht allzu weit entfernten, gleich hinter Rosenheim liegenden Ort Stephanskirchen an. Dass es dort eine Brauerei gibt, wissen wahrscheinlich noch nicht allzu viele – kein Wunder, denn die Simsseer Braumanufaktur besteht erst seit Mai 2018. Darauf gekommen ist Peter zufällig bei einer Radtour, die er dank der frühlingshaft warmen Temperaturen vor zwei Wochen unternommen hat. Das Bier probieren können wir dort nicht; die Braukessel und Lagertanks befinden sich in einem garagenartigen Gebäude. Momentan sind die Betreiber gerade dabei, größere Behälter einzubauen, um die Braukapazität zu vergrößern, wie uns der Chef des Brauerei-Start-Ups höchstpersönlich erklärt. Klar, dass wir hier jeweils einen Sixpack mit den drei zur Zeit erhältlichen Sorten – Zwickl-Bier, Weißbier und Pils – mitnehmen, auch wenn die Verkostung erst zu einem späteren Zeitpunkt daheim stattfinden kann.


Sind die beiden ersten Brauereien, die wir an diesem Faschingssamstag besucht haben, Neugründungen, so kann die dritte auf eine jahrhundertelange Tradition verweisen. In Maxlrain, einem Ortsteil der Gemeinde Tuntenhausen, stellt bereits seit 1636 die Schlossbrauerei Maxlrain ihre Biere her und befindet sich noch heute ausschließlich im Familienbesitz der in dem auf das 16. Jahrhundert zurückgehende, sehr gepflegt wirkende Schloss residierenden Grafen.


Zu einer Verkostung der Maxlrainer Biere besuchen wir das direkt neben der Brauerei befindliche Bräustüberl, das mit einem sehr stilvollen böhmischen Gewölbe ausgestattet ist. Peter lässt seinen Schweinebraten von einem Jubilator begleiten, einem dunklen Doppelbock, ich trinke zur Brotzeit ein Aiblinger Schwarzbier. Die Vorschusslorbeeren, die die Schlossbrauerei Maxlrain von vielen Seiten bekommen hat, erweisen sich als vollauf gerechtfertigt: Beide sind wir absolut überzeugt vom Geschmack der gewählten Biersorten. Natürlich haben wir nur einen kleinen Ausschnitt von dem reichhaltigen Programm der Brauerei testen können, aber das reicht, um sie ohne Einschränkung weiterzuempfehlen!


Von Maxlrain sind es nur wenige Kilometer zurück nach Mitterham. In gut 20 Minuten laufen wir von Peters und Denises Wohnung zum Bahnhof von Bad Aibling und fahren mit dem Meridian in wenigen Minuten nach Rosenheim. Die gut 60.000 Einwohner zählende Stadt am Inn, die drittgrößte von Oberbayern, hat vielleicht nicht die ganz großen, herausragenden Sehenswürdigkeiten zu bieten, aber dafür in der Innenstadt rund um den Max-Josefs-Platz zahlreiche mit Arkadengängen gegliederte Häuserfronten aufzuweisen, die sich zu einem sehr harmonischen, gemütlich wirkenden Ensemble vereinigen.


Ein Bummel durch Rosenheim macht Freude, tut gut und bringt uns auf Umwegen an den aufs Jahr 1543 zurückgehenden Flötzinger-Bräu, der gleich neben seinem Brauhaus am Rande der Altstadt auch ein Bräustüberl betreibt, in das wir zu abendlicher Stunde einkehren. Das Ambiente dieser relativ kleinen Traditionsgaststätte ist sehr ansprechend, es gefällt uns hier wirklich sehr gut. Leider gilt das nicht in gleichem Maße für die Biere, die wir hier probieren. Peter kann weder das dunkle noch das naturtrübe helle Weißbier überzeugen; zum Abschluss testet er noch das Zwickl-Bier und kann ihm auch nicht mehr als Durchschnitt attestieren. Ich entscheide mich zuerst für ein bernsteinfarbenes Helles, die sogenannte Trachtler-Hoibe. Auch sie kommt bei mir nicht gerade gut weg – ich finde den Geschmack einfach zu flach. Deutlich besser schmeckt mir anschließend der dunkle Josefi-Bock; das einzige der getesteten Flötzinger-Biere, das wir vorbehaltlos positiv beurteilen können.



Nach kurzer Zugfahrt und längerem Spaziergang wieder zurück in der Wohnung in Mitterham, lassen wir den Tag ruhig ausklingen – schließlich soll es morgen zeitig weitergehen; Ziel wird dann Peters Heimat, die Oberpfalz, sein.
