Nürnberg.
Mittelfranken war uns bislang nicht als absolute Faschingshochburg bekannt – nach den heutigen Erfahrungen sehen wir das allerdings mit etwas anderen Augen: Voller Elan fahren wir am Vormittag in deutlich mehr als einer Stunde von Bamberg nach Spalt, um in dem 5.000-Einwohner-Städtchen an der Fränkischen Rezat im Landkreis Roth, als Zentrum des ältesten Hopfenanbaugebiets Deutschlands bekannt, zunächst eine Runde durch die wirklich sehenswerte, mit vielen Fachwerkhäusern, einer alten Stadtmauer und schönen Kirchen bestückte Innenstadt zu drehen und dabei auch an der 1879 entstandenen Stadtbrauerei vorbeizukommen – die einzige in Deutschland, die vollständig im Besitz der Stadt ist, was jeden Einwohner Spalts zu einem Miteigentümer macht.




Zurück am Ausgangspunkt, betreten wir das Kornhaus, im 15. Jahrhundert von den Eichstätter Fürstbischöfen errichtet und mittlerweile zum Hopfen- und Biermuseum HopfenBierGut umgewandelt. Wir wollen das Museum besuchen, doch da schüttelt der freundliche Mitarbeiter bedauernd den Kopf: Es ist kurz vor zwölf Uhr, in wenigen Minuten wird zugesperrt. Am Eingang steht aber doch: „Bis 17 Uhr geöffnet“? Normalerweise schon, doch heute ist Faschingsdienstag, in einer Stunde beginnt der große Faschingsumzug durch Spalt. Die Narren treffen sich bereits in einem Bierzelt hundert Meter vom Kornhaus entfernt, immer mehr Faschingswägen steuern auf die Stadt zu. Im angeschlossenen Museumsladen können wir zumindest noch schnell ein bisschen Bier mitnehmen, doch mehr richten wir – noch dazu völlig unmaskiert – heute hier nicht mehr aus.

Also zurück ins Auto und weiter nach Barthelmesaurach, einem ebenfalls im Landkreis Roth gelegenen Ortsteil der Gemeinde Kammerstein. Hier wird schon seit 1602 Bier gebraut, mittlerweile in der fünften Generation von der Familie Gundel, nach der die Brauerei Gundel benannt ist. Und gleich gegenüber befindet sich das Bräustüberl, in dem wir – auf ein Frühstück haben wir ja verzichtet – sicherlich nicht nur ein Bier verkosten, sondern auch ein gutes Mittagessen genießen können. Diese Illusion zerplatzt jedoch schnell: Die Wirtschaft ist zugesperrt, alles ist dunkel. Und das, obwohl doch eigentlich nur am Montag Ruhetag ist… Na ja, zumindest wollen wir dann ein paar Flaschen kaufen. Die Türen der Brauerei und des angeschlossenen Verkaufsraums stehen weit offen, einige volle Bierkästen sind auf einem Stapler, der im Hof herumsteht; nur von einem Mitarbeiter ist weit und breit nichts zu sehen. Gut, es ist mittags um halb eins, aber von einer Mittagspause steht nichts an der Tür, und wenn es eine gäbe, dann müsste ja eigentlich alles zugesperrt sein… Also warten wir fast eine Viertelstunde. Dann kommt zufällig eine andere, ortskundige Kundin, die sich verwundert umsieht, als niemand da ist, bis dann eine Frau – wir nehmen an, es ist die Seniorchefin – erscheint. So kommen wir wenigstens noch zu ein paar Flaschen Bier – der naturtrübe Fastenbock erweckt unser besonderes Interesse.

Warum die Brauereigaststätte gegenüber geschlossen ist, erfahren wir bei dieser Gelegenheit auch: Der Wirt wohnt in Schwabach, dort findet heute auch der Faschingsumzug statt. Und deswegen wird die Wirtschaft heute erst um 17 Uhr geöffnet… wieder spielt uns also die fünfte Jahreszeit einen Streich auf unserer Tour. Ob es wenigstens ein Gasthaus in der Nähe gibt, in dem wir zu Mittag essen können? Die Bierverkäuferin empfiehlt uns das Landgasthaus Zwick im Nachbarort Rudelsdorf, auch wenn das bedauerlicherweise kein Gundel-Bier ausschenkt. Also können wir hier hinsichtlich unserer Biertour keine neuen Erkenntnisse gewinnen, zumal es zwischen der Bedienung und uns offensichtlich zu einem Missverständnis kommt. Das hier standardmäßig angebotene Tucher-Bräu ist ein Bierkonzern, der uns eigentlich nicht interessiert. Außerdem gibt es angeblich aber noch ein Bier der kleinen Brauerei Zeilinger aus Oberasbach. Wir verstehen die Aufzählung der Dame so, dass es davon wahlweise Helles oder Dunkles gibt. Als die beiden Krüge auf den Tisch gestellt werden, wundern wir uns schon beim Hinschauen: Das Bier sieht sehr stark gefiltert aus – ungewöhnlich für einen Hausbrauer. Der Geschmack ist flach; auch das ein Indiz für ein Industriebier. Und als wir schließlich auf der Website von Zeilinger nachsehen, ist endgültig alles klar: Dort wird ausschließlich helles Hefeweizen gebraut, wir haben also entgegen unserer Absicht Tucher-Bier im Glas…

Mit dem Gefühl, dass der Tag bisher nicht gerade optimal verlaufen ist, fahren wir weiter nach Nürnberg. Dort haben wir erneut ein zentrumsnahes Hotel gebucht – diesmal ist es das B&B-Hotel Hauptbahnhof. Als wir gegen halb vier Uhr nachmittags unseren Spaziergang durch die Stadt beginnen, fängt es leider gerade zu regnen an, was das Flair der alten Reichsstadt natürlich schon beeinträchtigt. Dennoch lassen wir es uns nicht nehmen, bekannte Wahrzeichen der Stadt wie das Heilig-Geist-Spital an der Pegnitz, den Schönen Brunnen, die Kaiserburg, die massiven Stadtmauern oder die wichtigsten Kirchenbauten, wie z. B. die auf die Romanik zurückgehende Sebalduskirche, in Augenschein zu nehmen.






Und wir finden zwischendrin im Restaurant Oberkrainer direkt am Hauptmarkt Gelegenheit, zumindest eines der am Vormittag gekauften Biere noch zu verkosten: Peter ist vom dunklen Export der Spalter Stadtbrauerei ebenso angetan wie ich vom Pils.

Ehe sich der Tag dem Ende zuneigt, steuern wir aber die erste der beiden Nürnberger Brauereien an, die wir heute kennenlernen wollen: Gleich unterhalb der Burg, in der ruhigen Bergstraße, wird seit 1984 in der Hausbrauerei Altstadthof Bier hergestellt und im dazugehörigen, kleinen und urigen Bräustüberl ausgeschenkt. Als wir die Karte studiert haben, ist sofort klar, welches Bier wir hier versuchen werden: Unsere Wahl fällt auf das Nürnberger Rotbier, eine für die Frankenmetropole typische Biersorte mit rötlich-bernsteinfarbenem Glanz und einem würzigen, wunderbar runden Geschmack, der mich an das amerikanische Amber erinnert. Auch die Rote Weiße, die Peter anschließend bestellt, und das Schwarzbier, das ich nachlege, schmecken durchaus gut; ans Rotbier kommen sie aber nach unserer Meinung nicht heran.


Gar nicht schlecht, dass der anschließende Weg zur zweiten Anlaufstelle des Abends – der Regen hat mittlerweile praktisch aufgehört – quer durch die ganze Altstadt führt. So sind wir ein bisschen unterwegs, bis wir in der Luitpoldstraße die Brawerkstatt Bruderherz erreicht haben. Peter ist vor einigen Wochen am Rande einer Dienstreise auf sie aufmerksam geworden. Dabei handelt es sich genau genommen um das Zweitprojekt der privaten Brauerei Gutmann aus Titting, die vor allem durch ihr Weizen bekannt geworden ist. Aber auf jeden Fall ist es kein Braukonzern, der hier dahintersteht – also können wir das Bruderherz getrost in unsere Biertour integrieren. Nur mit der Auswahl ist es etwas mau: Momentan gibt es nur dunkles Zwickl. „Der Braumeister ist gerade in Urlaub und kommt erst morgen zurück!“ erklärt uns die freundliche Bedienung, die uns auch darüber informiert, dass das Bruderherz erst im September 2018 eröffnet wurde – also noch ein paar Monate später als die Simsseer Braumanufaktur in Stephanskirchen, die auch noch kein Jahr alt ist!


