Elbigenalp.
Jetzt geht’s richtig los: In Zug starten wir unsere erste Lechetappe, die schon nach wenigen Kilometern einen kurzen Zwischenstopp erfordert. Das mondäne Bergdorf Lech am Arlberg, das seinen Namen dem Fluss verdankt, der in reißender Fahrt hindurchrauscht, besitzt ungeachtet seines derzeit völlig verschlafenen Zustands ein außerordentlich hübsches Ortsbild mit der dominierenden Silhouette des Omesbergs im Hintergrund. Zudem fließt dem Lech mitten im Ort mit dem Zürsbach ein erster größerer, ebenfalls reißender Gebirgsbach zu.



Durch eine steil aufragende Berglandschaft radeln wir anschließend hoch über der Lechschlucht hinauf nach Warth, dem Walserdorf auf 1.500 Metern, bildschön zu Füßen des Biberkopfs gelegen und mit einem kleinen Bergsee, dem Seebachsee, am Ortsrand.




Der anstrengendste Teil der Tagesetappe ist damit bereits geschafft, der abenteuerlichste folgt jedoch sogleich: Über die fast stetig bergab führende, ein deutliches Gefälle aufweisende und zwischenzeitlich durch einen 500 Meter langen Tunnel verlaufende, heute vor allem von vielen Motorrädern frequentierte B 198 rollen wir, die Hand an den Bremshebeln, hinab Richtung Steeg, den ersten Ort auf Tiroler Gebiet. Eigentlich hatten wir vorgehabt, diese Teilstrecke mit dem Postbus zu absolvieren, nachdem wir sie bei der Hinfahrt aus dem Busfenster gesehen hatten. Doch unsere Pensionswirtin hatte gemeint: „Das geht schon zu fahren, ich habe das schon ein paarmal gemacht!“



Trotzdem – und trotz der beeindruckenden Panoramen unterwegs – sind wir froh, als wir heil in Steeg angekommen sind, denn ab hier können wir auf dem offiziellen Lech-Radweg weiterfahren und müssen damit nicht mehr auf den Straßenverkehr achtgeben. In Steeg ändert sich aber noch etwas – nämlich die Farbe des Lechs. War er bis hier von einem leuchtenden Blaugrün, so zeigt er sich nach dem Zufluss des Kaiserbachs direkt neben Steegs Pfarrkirche St. Oswald gleich am Ortsanfang ab sofort in einem graubraunen Ton.

In Steeg sollen wir unbedingt einen Halt in der Naturkäserei Sojer einlegen, hat man uns empfohlen. Wir tun es – und können den Tipp nur weitergeben: Hervorragende Käse- und Joghurtsorten, frisches Brot, sehr gute regionale Würste und ein leckeres Eis gibt es hier auch am Feiertag zu kaufen. Für unsere Jause unterwegs ist also gesorgt.

Die Weiterfahrt bringt uns nach wenigen Kilometern unweit von Hägerau an einen tollen Wasserfall: 80 Meter stürzen sich hier die Fluten des Grießbachs bzw. Schreitenbachs – die einschlägige Literatur bietet zwei unterschiedliche Namen an – zu Tal und erreichen wenige Meter dahinter den Lech.




Durch blühende Wiesen im Talgrund erreichen wir Holzgau, ein sehr schmuckes, im Zentrum von Lüftlmalerei geprägtes Dorf. Hier legen wir einen längeren Halt ein: Über einen Wanderweg laufen wir hinauf zur spektakulären, 200 Meter langen, 2012 errichteten Hängebrücke über die mehr als 100 Meter weiter unten hindurchführende Höhenbachschlucht.






Zurück im Ort, probieren wir in der kleinen Gasthausbrauerei Sticker ein uns sehr gut schmeckendes Bier und machen anschließend auf einer Wiese außerhalb von Holzgau Picknick. Während der Weiterfahrt in den nächsten Ort, Bach, beginnt es leicht zu tröpfeln; doch rechtzeitig vor einem kräftigen Schauer haben wir Bach erreicht und überbrücken die Regenpause bei einem Kaffee.



Bald ist die Sonne zurück, und die letzten paar Kilometer bis Elbigenalp sind schnell zurückgelegt. Das locker bebaute Dorf liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen Lech und Reutte; für uns der ideale Ort als Etappenziel. Vorgebucht haben wir nichts; aber wie schon vermutet erweist es sich als völlig unproblematisch, hier ein Zimmer zu bekommen. Gleich in der ersten Pension, in der wir anfragen, haben wir Erfolg – und landen damit rein zufällig im Elternhaus einer Olympiasiegerin. Im Gästehaus Wolf ist die Super-G-Siegerin von Calgary 1988, Sigrid Wolf, aufgewachsen; betrieben wird die kleine Pension heute von ihrem Bruder, wobei die Eltern immer noch mithelfen.



Wir haben reichlich Zeit für einen ausgedehnten Spaziergang durch Elbigenalp und bekommen dabei mit, dass im Ort das Kunsthandwerk weit verbreitet ist: Es gibt eine entsprechende Fachschule, mehrere Holzschnitzerwerkstätten und Galerien. Und auch als Geburtsort der Geierwally – unter diesem Pseudonym wurde die Malerin Anna Stainer-Knittel bekannt – hat sich Elbigenalp einen Namen gemacht. Entsprechend benannte Festspiele finden auf der Freilichtbühne des Ortes jeden Sommer statt, und auch ein Spezialitätenrestaurant trägt den Namen der örtlichen Berühmtheit. Leider ist hier aber wegen des allmontäglichen Schaukochens alles ausgebucht. Aber kein Problem: Ein gutbürgerlicher Gasthof gleich um die Ecke sorgt dafür, dass wir dennoch gut zu Abend essen können und – ganz nebenbei – ein ganz anderes Preis-Leistungs-Verhältnis erleben als zuletzt in Lech.


