Kapstadt.

Unsere Sommerreise 2019 soll wieder einmal in eine uns bislang unbekannte Weltgegend führen: nach Südafrika. Die Anreise beginnt am Vormittag des 31. Juli, dem Mittwoch der ersten Ferienwoche, am heimischen Bahnhof in Tapfheim. Über die Umsteigestationen Donauwörth und München-Pasing gelangen wir zum Flughafen München „Franz Josef Strauß“ und starten dort mit fast einstündiger Verspätung am Spätnachmittag an Bord einer Boeing 777 von Qatar Airways die erste Flugetappe, die uns bis Mitternacht an den Hamad International Airport nach Doha bringt. Etwa zwei Stunden später heben wir bereits wieder ab, diesmal mit einem Airbus 350. Nach weiteren neun Stunden in der Luft, in denen wir bestens verpflegt worden und in den Genuss von ordentlicher Beinfreiheit gekommen sind, ist es schließlich gegen elf Uhr soweit (die lokale Zeit entspricht der MESZ): Bei strahlendem Sonnenschein setzt die Qatar-Airways-Maschine vor der majestätischen Kulisse des Tafelbergs zum Landeanflug auf den Cape Town International Airport an. Wenige Minuten später betreten wir zum ersten Mal südafrikanischen Boden.

Anflug auf Kapstadt mit der markanten Silhouette des Tafelbergs

Die ersten Schritte in einem fremden Land sind ja immer recht spannend. Doch hier in Kapstadt läuft alles absolut unkompliziert ab: Die Passkontrolle, das Gepäckband und der Zoll sind schnell hinter uns gebracht, und dahinter wartet bereits ein Fahrer, der uns in nicht einmal einer halben Stunde zum Nine Flowers Guest House, im Stadtteil Gardens zwischen Zentrum und Tafelberg gelegen, kutschiert. Eine wirklich gute Wahl, wie wir schnell feststellen: Die Umgebung wirkt gut bürgerlich und sicher, das Stadtzentrum ist fußläufig gut erreichbar, die nächste Bushaltestelle gleich um die Ecke, und dank der nahen Ausfallstraße ist auch die An- und Abreise mit dem Auto unkompliziert. Zudem ist das Personal sehr freundlich und hilfsbereit, das Frühstück ist abwechslungsreich, und abends erhalten wir – zu den kühlen Winternächten passend – Wärmflaschen fürs Bett.

Das Nine Flowers Guest House
…in der vom Tafelberg überragten Hatfield Street

Daran verschwenden wir allerdings an unserem Ankunftstag in Kapstadt noch keinen Gedanken. Erst einmal auch mit dem Kopf hier ankommen, lautet unsere Devise. Schritt für Schritt wollen wir in dieses Land eintauchen und beschränken uns daher am Donnerstagnachmittag auf einen kleinen Rundgang, der uns von der Hatfield Street, dem Standpunkt unserer Unterkunft, durch den langgestreckten Company’s Garden und die als Fußgängerzone angelegte St. George’s Mall bis in die belebte Long Street bringt. Sie ist eine der beliebtesten Kneipenzonen der Stadt, und auch wir finden hier mit dem Beerhouse, das neben Burgern eine breite Auswahl von Craft-Bier-Sorten anbietet, einen Platz, an dem wir auf einem Balkon über der Straße die Multi-Kulti-Atmosphäre Kapstadts in Ruhe aufnehmen können.

Company’s Garden mit Nationalgalerie
Buntes Warenangebot am Greenmarket Square
Kapstadts traditionelle Ausgehmeile Long Street

Am nächsten Morgen sind wir bereits um einige Informationen reicher – und müssen uns von zwei Vorhaben verabschieden: Matthias, der Schweizer Inhaber unseres Guest House, hat uns der Illusion beraubt, wir könnten ohne langfristige Vorbuchung ein Ticket für den Besuch von Robben Island erwerben – der Gefängnisinsel, auf der unter anderem Nelson Mandela 18 Jahre lang inhaftiert war. Allerdings, meint er, sei das kein großes Manko: Die Touristen würden nur so durchgeschleust, viele seiner Gäste hätten berichtet, das Beste an der Veranstaltung sei die Bootsfahrt gewesen. Außerdem bekräftigt er, was wir im Internet bereits gelesen hatten: Die Seilbahn zum Tafelberg hat wegen Wartungsarbeiten noch bis Mitte August geschlossen. Schade!

Für uns nur von ferne zu sehen: Gefängnisinsel Robben Island

Hingegen hat er auch eine nützliche Empfehlung für uns: Mit einem Zwei-Tages-Ticket der Hop-On-Hop-Off-Busse, die auf drei Routen alle interessanten Punkte Kapstadts abfahren, gelangen wir unkompliziert zu allen möglichen Sehenswürdigkeiten und haben gleichzeitig ein zuverlässiges Nahverkehrsmittel zur Verfügung. Dass sich die nächste Zusteigestelle gleich um die Ecke befindet, macht das Ganze für uns noch ein Stück einfacher – und so machen wir uns als erstes auf zum Kirstenbosch National Botanical Garden.

In der Orange Street warten wir auf den Hop-On-Hop-Off-Bus

Südafrikas größter botanischer Garten gilt nicht umsonst als einer der schönsten auf dem Globus: Das 36 Hektar umfassende Gelände befindet sich in spektakulärer Lage am Osthang des Tafelbergs und zeigt  die überaus artenreiche, von Proteen geprägte Flora der Kapregion, der kleinsten der sechs weltweit vorkommenden Florenreiche.

In traumhafter Lage: Kirstenbosch National Botanical Garden
…mit seiner Vielzahl an einheimischen Pflanzenarten

Der Spaziergang durch den Park bedeutet ein weiteres Stück Ankommen: Wir lassen die idyllische Umgebung und die Ruhe auf uns einwirken, die umso bemerkenswerter ist, weil die Millionenstadt Kapstadt zum Greifen nahe wirkt. Und die hat natürlich auch ihre Schattenseiten: Schon am Ankunftstag wurden wir mehrfach von Bettlern um eine Kleinigkeit zum Essen gebeten, wir sahen Obdachlose am Straßenrand liegen und registrierten die große Anzahl von Sicherheitskräften, die in der Innenstadt patroullierten. Und heute kommen wir bei der Weiterfahrt an der Township Imizamo Yethu vorbei – eine von zahlreichen informellen Siedlungen rund um Kapstadt, die Zeugnis ablegen von den während der Apartheid zementierten Abgründen, die sich zwischen dem Lebensalltag der wohlhabenden weißen Oberschicht und dem der nach wie vor bettelarmen schwarzen Bevölkerungsmehrheit auftun. Wobei wir durchaus registrieren, dass im heutigen Südafrika auch das Gegenteil möglich ist: gut situierte Schwarze und abgerissene, auf der Straße vegetierende Weiße.

Das andere Kapstadt: Township Imizamo Yethu

Unser nächster Anlaufpunkt heißt Hout Bay – gleichzeitig eine Bucht und ein Stadtteil im Südwesten Kapstadts, das dank seiner tollen Lage inzwischen eine beliebte Wohngegend geworden ist, jedoch nach wie vor auch als Fischereihafen von Bedeutung ist und aus diesem Grund über einige gute Fischrestaurants verfügt, was wir auch für eine kulinarische Entdeckung nutzen.

Die idyllische Hout Bay
…ist immer noch ein Fischereihafen…
…mit den dazu passenden Restaurants

Anschließend setzen wir die Fahrt entlang der Atlantikküste in Richtung Zentrum fort – es geht über viele Kilometer am Westhang des Tafelbergs entlang. Hier liegen exklusive Viertel wie Llandudno und mondäne Strandabschnitte, an deren Promenaden es sich zwischen Camps Bay, Sea Point und Three Anchor Bay herrlich entlang bummeln lässt.

Kapstadts mondäne Westküste…
…mit dem markanten Lion’s Head als Blickfang
An der Uferpromenade lässt es sich entspannt bummeln
Der Green Point Lighthouse von 1824, Südafrikas ältester Leuchtturm

Noch eine kurze Strecke mit dem Bus, und wir sind an der Victoria & Alfred Waterfront angekommen – dem historischen Werft- und Hafenviertel von Kapstadt, das nach einem lange andauernden Zeitraum des Verfalls seit 1990 mustergültig umgestaltet wurde und heute mit einem riesigen Einkaufszentrum, Restaurants, Museen und Souvenirshops einer der Hauptanziehungspunkte der Stadt ist. Hier lassen wir den Abend ausklingen – nicht ohne am nächsten Tag noch einmal hierherzukommen, denn im Hop-On-Hop-Off-Ticket ist auch eine Hafenrundfahrt mitinbegriffen, die wir selbstverständlich nicht auslassen.

An der Victoria & Alfred Waterfront: Uhrturm von 1882…
…Restaurants und Riesenrad…
Nobel Square mit den Statuen der Nobelpreisträger…
…Hafenpanorama vom Wasser…
Victoria Wharf Shopping Centre
…abendliches Hafenpanorama

Unterwegs sind wir bis zur Waterfront aber bereits an einer ganzen Reihe von interessanten Gebäuden und Stadtvierteln vorbeigekommen – Kapstadt ist geradezu gespickt damit: Da steht das südafrikanische Parlamentsgebäude gleich gegenüber der katholischen Kathedrale St. Mary, einige hundert Meter entfernt erstreckt sich an den Hängen des Signal Hill das grellbunte, bis heute von moslemischen Kapmalaien bewohnte Viertel Bo-Kaap; und auch die irritierend wirkenden unvollendeten Autobahnüberführungen, die unter dem Namen Foreshore Freeway Bridge bekannt geworden sind, erregen unsere Aufmerksamkeit.

Südafrikanisches Parlament…
und St. Mary’s Cathedral – beide mit Statue von Louis Botha
Sehr pittoresk: die bunten Häuser…
…von Bo-Kaap
…dem Viertel der moslemischen Kap-Malaien
Seit 1977 Bauruine, mittlerweile legendär: Foreshore Freeway Bridge

Nachmittags laufen wir innerhalb weniger hundert Meter an einigen Bauwerken entlang, die brennpunktartig die verschiedensten Facetten der südafrikanischen Geschichte symbolisieren. Da befindet sich südlich der Grand Parade, einem großen Platz, der heute teilweise für Märkte genutzt wird, das ehemalige, 1905 erbaute Rathaus, von dem aus Nelson Mandela nach seiner Freilassung im Februar 1990 die erste öffentliche Ansprache gehalten hat.

Kapstadts Old Town Hall

Gleich östlich an die Grand Parade grenzt das älteste erhaltene Gebäude Südafrikas an – das Castle of Good Hope, das im späten 17. Jahrhundert von den niederländischen Siedlern in fünfeckiger Form errichtet wurde.

…und das benachbarte Castle of Good Hope

Ein paar Gehminuten entfernt gelangen wir schließlich zum District Six Museum. Was sich so unscheinbar anhört, ist eines der eindrucksvollsten Zeugnisse des unmenschlichen Charakters, der dem Apartheid-System innewohnte. Anhand zahlreicher Einzelschicksale wird anschaulich nachgezeichnet, wie ein über Jahrzehnte gewachsenes, funktionierendes multiethnisches Stadtviertel – bezeichnenderweise eine Arbeitergegend – durch einen in den 60er Jahren gefassten Regierungsbeschluss, dieses Gebiet zu einer rein weißen Wohngegend zu erklären, seine Existenzgrundlage verlor, da alle Nichtweißen zwangsweise umgesiedelt wurden und schließlich das gesamte Areal dem Erdboden gleichgemacht wurde, um neuen, teuren Wohnraum zu schaffen. Dass diese Pläne nicht mehr realisiert wurden, da das Apartheid-Regime zuvor zusammenbrach, ist eine Ironie der Geschichte. Große Brachflächen zeugen aber bis heute von den Geschehnissen.

District Six Museum in einer ehemaligen Missionskirche der Methodisten

Unser vierter und letzter Tag in Kapstadt beginnt mit einem Spaziergang durch sonntagvormittäglich-ruhige Straßen. Ziel ist das Büro des Autovermieters First Car Rental – hier nehmen wir unseren Mietwagen in Empfang, einen kompakten Suzuki Dzire, der uns in den nächsten dreieinhalb Wochen als fahrbarer Untersatz dienen soll. Dann also gleich los und hinaus aus der Stadt – optimal, dass heute so wenig los ist auf den Straßen, denn so fällt die Eingewöhnung auf das neue Auto und vor allem den Linksverkehr mit sämtlichen damit verbundenen Schikanen (Rechtssteuerung, Linksschaltung, Blinker und Scheibenwischer sind seitenverkehrt angebracht…) um einiges leichter.

Erste Ausfahrt mit unserem Suzuki Dzire

Dank der guten Verkehrsinfrastruktur sind wir recht bald im 20 km südöstlich des Zentrums gelegenen Vorort Muizenberg angekommen – einem beliebten Surferspot an der False Bay, an dessen schneeweißem Sandstrand mit seinen bonbonbunt gestrichenen hölzernen Strandhäuschen wir einige Zeit entlang schlendern.

Muizenberg: bunte Strandhäuschen…
…und Surfer in der Brandung

Von hier aus führt unser Weg an der Ostseite der Kaphalbinsel entlang. Wir passieren mehrere gepflegte Küstenorte; der letzte von ihnen ist Simon’s Town, dessen südlicher Ortsrand den Beginn von Boulders Beach markiert, einem Küstenabschnitt, der durch seine große Kolonie von Brillenpinguinen bekannt ist. Sein Zugang ist kostenpflichtig, da er zum Gebiet des Tafelberg-Nationalparks gehört – das Geld ist jedoch, wie wir finden, in den Schutz der selten gewordenen einzigen Pinguinart Afrikas gut investiert.

Boulders Beach bei Simon’s Town:
Heimat von Südafrikas größter Brillenpinguin-Kolonie

Auch Klippschliefer sind hier zuhause

Was uns allerdings dann schon etwas ärgert: Auf der Weiterfahrt in Richtung Kap der Guten Hoffnung, bei der uns an der Küste eine ganze Reihe von Pavianen begegnet, gelangen wir an ein weiteres Eingangstor zum Nationalpark, an dem wir von Neuem Eintritt berappen müssen – und das nicht zu knapp, denn für die Erlaubnis zum Besuch des südwestlichsten Punkts von Afrika nimmt die Nationalparkverwaltung neuerdings pro ausländischem Besucher stolze 303 Rand, was knapp 20 Euro entspricht. Das bezeichnet auch Matthias, der Chef unseres Guest House in Kapstadt, als Touristen-Abzocke…

Paviane streunen die Küstenstraße entlang

Wir lassen uns davon aber die Stimmung und die Freude, unseren 12. Hochzeitstag an einem so besonderen Ort erleben zu dürfen, nicht vermiesen. Keine Frage: Es ist schon eine einzigartige Landschaft, von den steilen Felswänden am Meer, der kargen Fynbos-Vegetation und den von den stetigen starken Winden angetriebenen mächtigen Wellen des Südatlantik gestaltet und durch zahlreiche Seefahrer-Legenden zu einem Mythos erhoben.

Typische Fynbos-Vegetation am Kap der Guten Hoffnung
Erster Blick auf die Kapspitze
Das Beweisfoto: wir sind hier!
Beeindruckende Landschaften…
…rund ums Kap der Guten Hoffnung

Dass wir den Weg zurück nach Kapstadt in der Abenddämmerung über die spektakuläre Küstenstraße Chapman’s Peak Drive nehmen, die als eine der schönsten Strecken der Welt gilt, setzt diesem gelungenen Tag dann noch ein weiteres Krönchen auf.

Blick vom Chapman’s Peak Drive auf die abendliche Hout Bay