Stellenbosch.
Es dauert nur eine gute Stunde, um von Kapstadt aus über die N 2 in das etwa 50 Kilometer östlich liegende 20.000-Einwohner-Städtchen Stellenbosch zu gelangen. Dumm nur, dass aufgrund des Regenwetters, das während der Nacht über Kapstadt aufgezogen ist, der Signal Hill in Wolken liegt; so hat der Ausflug auf diesen beliebten Aussichtsberg keinen Sinn, und wir kommen noch früher als angegeben, nämlich schon gegen halb zwölf Uhr, im Life & Leisure Guest House an.

Falls die Gastgeber über unsere sehr zeitige Ankunft überrascht sind, so lassen sie sich das jedenfalls nicht anmerken – wir bitten eigentlich nur darum, unser Gepäck unterstellen zu können, werden aber gleich zu unserem Zimmer geführt und stellen fest, dass im gesamten, modern gestalteten Haus jedes Detail der Einrichtung mit sehr viel Liebe und gutem Geschmack ausgesucht worden ist.


Eine Regenpause nutzen wir für einen Rundgang durch die nach Kapstadt zweitälteste Stadt Südafrikas. Sie geht auf das Jahr 1679 zurück und hat noch eine Vielzahl von erhaltenen Gebäuden aus der Zeit der niederländischen Besiedlung, was durch die typischen Ziergiebel leicht erkennbar ist. Auffälligstes Bauwerk ist die Moederkerk aus dem Jahre 1772 mit ihrer blendend weißen Fassade.



Auch die britische Kolonialzeit hat im Stadtbild durch die viktorianischen und edwardischen Herrenhäuser bleibende Spuren hinterlassen. Insbesondere drücken jedoch die zahlreichen Universitätsgebäude – Stellenbosch beherbergt die größte Hochschule Südafrikas – der Stadt ihren unverkennbaren Stempel auf.



Und nicht zu vergessen: Stellenbosch gilt als das Zentrum des südafrikanischen Weinbaus; die Hügel rund um die Stadt werden von nicht weniger als 150 Weingütern zum Anbau der verschiedensten weißen und roten Sorten genutzt, die in dem mediterranen Klima bestens gedeihen und sich zu einem bedeutenden südafrikanischen Exportartikel entwickelt haben. Ein derart selbstverständlicher Bestandteil hiesiger Kultur und Lebensart ist der Wein geworden, dass er als einziges alkoholhaltiges Getränk in jedem Supermarkt frei erhältlich ist. Alle anderen Alkoholika hingegen – Bier eingeschlossen – dürfen nur in speziellen Liquor Stores verkauft werden.

Keine Frage, hier müssen wir unbedingt ein Weingut besuchen! Aber wie verträgt sich das mit Autofahren? Ganz problemlos – wenn man das eigene Auto stehen lässt. Und da offeriert eine örtliche Agentur mit dem sinnigen Namen Vine Hopper genau das richtige Angebot: Nach einem genau festgelegten Fahrplan werden auf unterschiedlichen Touren jeweils fünf bis sechs Weingüter etwa im Stundentakt angefahren – man kann also selbst entscheiden, wie lange man wo bleiben möchte und ob man alle zur Auswahl stehenden Stationen ausprobieren will.
Wir beschließen, dass wir uns alle Optionen offen halten wollen – und das funktioniert nur, wenn wir am Dienstagmorgen gleich zur ersten Tour um 8.45 Uhr antreten. Das ist glücklicherweise völlig unkompliziert, da uns der Vine Hopper an unserer Unterkunft abholt. Auf der Tagesordnung steht heute die Südroute: Das heißt, dass wir bei Nieselregen pünktlich zur Öffnung der Weinprobierstube um neun Uhr auf dem stilvollen, in kapholländischem Stil errichteten Neethlingshof abgeladen werden und dort als erste Gäste des Tages für einen sehr annehmbaren Betrag gleich mal fünf verschiedene Weine verkosten dürfen. Erste Erkenntnis: Der in Südafrika sehr beliebte Chenin Blanc mundet uns mit seinem frischen, frucht- und säurebetonten Bukett ausgesprochen gut.



Kurz nach uns erscheint bei Neethlingshof ein jüngeres Pärchen, das ebenfalls mit dem Vine Hopper unterwegs ist. Es wurde vom Fahrer extra in der Unterkunft abgeholt, wird jedoch nun im weiteren Verlauf des Tages gemeinsam mit uns unterwegs sein. Die beiden entpuppen sich ebenfalls als Lehrer, nämlich aus dem englischen Bath, und erweisen sich als ausgesprochen angenehme und unterhaltsame Begleitung.
Die zweite Station – gegen zehn Uhr vormittags – wird noch alkoholhaltiger als die erste: Wir landen nämlich in Van Ryn’s Distillery and Brandy Cellar. Wie der Name schon sagt: Diese ebenfalls sehr traditionsreiche Distillerie stellt aus den Trauben feinen Brandy her – der edelste lagert nicht weniger als 20 Jahre in Eichenfässern, die hier zum Teil noch selbst hergestellt werden. Ein Küfer bzw. Schäffler, wie die Berufsbezeichnung im heimischen Bayern lautet, führt uns bei einer Demonstration in sein Handwerk ein und peppt seine Darbietung noch dazu musikalisch auf, indem er die Ringe in wohlklingenden Rhythmen aufs Fass klopft.





Weit über eine Stunde Zeit haben wir gegen Mittag auf dem größten und kommerziellsten der Weingüter, die an diesem Tag angefahren werden: Spier, direkt an den Ufern des Eerste Rivier gelegen, bietet außer Wein auch Kunst und historische Architektur an und wird trotz des verregneten Wochentags im südafrikanischen Winter von zahlreichen Ausflüglern besucht.




Wesentlich ruhiger wird es anschließend auf den kleinen, aber feinen Weingütern, die sich irgendwo in den Hügeln verstecken und von uns Ortsunkundigen ohne die Fahrdienste des Vine Hopper wohl gar nicht gefunden worden wären. Bei Haskell und Alto herrscht eine sehr gelassene, gleichzeitig äußerst stilvolle Atmosphäre; wir allerdings spüren zunehmend die Auswirkungen der fortgesetzten Weinproben, freuen uns bei Alto am offenen Kaminfeuer darüber, dass hier auch eine Käseplatte angeboten wird, teilen uns eine Probierrunde und gehen zwischendurch mal schnell nach draußen – nicht nur, um die Landschaft und die Architektur zu bewundern, sondern auch, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Gleich nebenan hat sich im übrigen ein bekannter deutscher Industrieller sein eigenes Weingut aufgebaut: Peter Falke, mit Socken reich geworden, ist hier in Stellenbosch unter die Winzer gegangen.





Da es unsere englischen Begleiter, die im Verlaufe der Tour mit gelöster Zunge freimütig über ihren neuen Premierminister Boris Johnson und den ganzen verfluchten Brexit schimpfen, nicht tun, lassen auch wir nicht locker und steigen auch an der letzten möglichen Station des Tages, dem sehr weitläufigen Weingut Kleine Zalze, noch einmal aus. Dass man hier auch luxuriöse Ferienwohnungen mieten und zwischen den Weinbergen Golf spielen kann, registrieren wir nur noch am Rande. Ich beschränke mich auf die kleinste der möglichen Weinproben-Kombinationen, Jana verweigert hier jeden Schluck; und als wir schließlich gegen 17 Uhr, bepackt mit mehreren Flaschen Wein, die wir im Laufe des Tages auf den verschiedenen Gütern erworben haben, wieder in unserer Unterkunft abgeliefert werden, ist dieser Tag für uns gelaufen. Ganz schön hart, so eine Weintour!


Und mit der klaren Konsequenz, am nächsten Tag kein Weinglas anzurühren, so gut die Kapweine zweifelsohne auch schmecken mögen. Einer Empfehlung, die uns ein Ehepaar aus Augsburg gegeben hat, die wir im Life & Leisure Guest House getroffen haben, wollen wir dennoch folgen, ehe wir Stellenbosch verlassen: Ein paar Kilometer nördlich befindet sich nämlich in herrlicher Lage das Weingut Delaire Graff, das einem britischen Juwelier gehört. Und der hat hier mitten in den Weinbergen ein luxuriöses architektonisches Schmuckstück geschaffen – Kunstgalerie, Fünf-Sterne-Hotelanlage und Restaurant zugleich, das unabhängig von den dort produzierten, ganz sicher ebenfalls vorzüglichen Weinen eine Sehenswürdigkeit für sich ist.





Liebe Jana, lieber Wolfgang, vielen Dank für euere Glückwünsche und die interessanten Reise-
berichte. Weiterhin gute Reise mit unvergesslichen Erlebnissen. Beste Grüße Hans
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Lieber Hans,
es freut uns, dass du so interessiert unsere Berichte liest! Weiterhin alles Gute und bis bald zurück in der Heimat!
Liebe Grüße
Jana und Wolfgang
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