Dullstroom.

Der Kruger-Nationalpark gehört zu den Orten, an denen man als Südafrika-Reisender kaum vorbeikommt. Doch wie wir den Besuch dieses riesigen Reservats – mit 19.624 km² größer als ganz Swasiland – organisieren, daran werkeln wir nun schon seit ungefähr zwei Wochen immer wieder herum. Die ursprüngliche Idee lautete, nach Möglichkeit in einem der zahlreichen Rest Camps innerhalb des Nationalparks zu übernachten, um von dort aus gleich bei Sonnenaufgang entweder mit einer geführten Morgenpirsch oder mit dem eigenen Fahrzeug aufbrechen zu können, weil zu dieser Tageszeit erfahrungsgemäß die spektakulärsten Tierbeobachtungen möglich sind. Leider ließ sich dieser Wunsch nicht in die Tat umsetzen: Alle Unterkünfte im Nationalpark, die für uns hinsichtlich ihrer Lage sinnvoll und in Bezug auf die Kosten akzeptabel gewesen wären, waren bereits belegt. So folgten wir also einer Empfehlung des Pärchens aus dem Raum Schongau, dem wir in Swellendam begegnet waren, und buchten zwei Nächte in der Raptors Lodge in Hoedspruit, einem kleinen Ort unweit des Kruger, etwa auf mittlerer Höhe des langgestreckten Nationalpark-Gebiets.

Von außen unscheinbar…
…aber innen sehr gemütlich…
…und geräumig: die Raptors Lodge in Hoedspruit

Mit einem dort ansässigen Veranstalter, so ihre weiteren Informationen, hatten sie eine sehr schöne Morgentour in den Park unternommen. Wir schrieben diesen Tour Operator also an und fragten nach einem Termin für Sonntag – wir würden ja am Samstag in Hoedspruit ankommen und am Montag weiterfahren. Doch es war wohl unser Pech, dass unser Kruger-Tag ausgerechnet aufs Wochenende fiel: Die Tour war bereits ausgebucht, der uns ersatzweise angebotene Montagmorgen für uns nicht realisierbar, weil wir dann erst zu spät hätten weiterfahren können. Ein Kontakt, der uns von einem südafrikanischen Fremdenführer vermittelt wurde, den wir zufällig im Mlilwane Rest Camp in Swasiland trafen, erwies sich ebenfalls nicht als zielführend: Um an der Tour teilzunehmen, hätten wir nachts gegen halb vier Uhr von unserer Unterkunft losfahren müssen, um zwei Stunden später am 115 Kilometer südlich bei Hazyview gelegenen Phabeni Gate zur Gruppe zu stoßen. Keine wirklich sinnvolle Option, wie auch der Tourveranstalter ganz ehrlich in seiner Antwort zum Ausdruck brachte, als wir nach den per WhatsApp geführten Absprachen entschieden, nicht mitzufahren.

Tja – so sind wir also nun in Hoedspruit und müssen eben den Besuch des Kruger-Nationalparks auf eigene Faust angehen. Nach allem, was wir gehört haben, ist das grundsätzlich kein Problem; das Straßen- und Pistennetz im Park ist gut ausgebaut, und Tiersichtungen sind, wie wir ja schon im Addo-Nationalpark selbst erfahren haben, auch vom eigenen Auto aus gut möglich. Wir versorgen uns also im örtlichen Supermarkt mit Proviant für den nächsten Tag, wehren die dubiosen Versuche von ein paar Einheimischen ab, uns zum Bezahlen einer nirgendwo angeschriebenen Parkgebühr auf dem Supermarktgelände an einem Geldautomaten zu verleiten und genießen den Komfort in dem eigenen kleinen Häuschen mit Küche, Wohnzimmer, Terrasse, Badewanne und Freiluftdusche, als das sich die gebuchte Wohneinheit in der Raptors Lodge entpuppt.

Die Lodge bietet auch eine großzügige Küchenzeile

Am nächsten Morgen starten wir zeitig nach Sonnenaufgang, benötigen aber doch fast eine Stunde, um an den Hoedspruit am nächsten gelegenen Eingang zum Kruger-Nationalpark, dem Orpen Gate bei Acornhoek, zu gelangen. Dass der Eintritt hier ein bisschen was kostet, ist klar; aber wenn wir die 372 Rand pro Person, umgerechnet etwa 23 Euro, mal mit dem vergleichen, was wir vor drei Wochen am Kap der Guten Hoffnung gezahlt haben (303 Rand), dann ist das Preis-Leistungs-Verhältnis hier doch wesentlich reeller! Und noch dazu ist das Personal deutlich besser drauf als die kurz angebundene Dame am Kap: Als wir den ziemlich umfangreichen Papierkram erhalten, der mit der Einfahrtsberechtigung in den Park verbunden ist, grinsen wir ein wenig, was die Angestellte ganz richtig interpretiert: „Ja, jeder Tag ein Baum!“ kommentiert sie die mit der Bürokratie verbundene, für jeden Besucher benötigte Materialflut.

Wir brauchen nur ein paar Kilometer in den Park hineinzufahren, schon sind alle planerischen Schwierigkeiten der vergangenen Tage Makulatur: Sobald wir die ersten Tiere sehen, erwacht der Jagdtrieb, und wir suchen uns schnell einen nicht asphaltierten Seitenweg, um wegzukommen von den stark frequentierten Hauptverkehrsrouten. Im Kruger herrscht gerade Trockenzeit; das bedeutet, dass die Vegetation relativ spärlich ist und daher die Chancen, Tiere zu entdecken, grundsätzlich größer, als wenn das Grün nach den Regenfällen üppig sprießt. Tagsüber ist es allerdings schwierig, Raubkatzen zu begegnen. Das erfahren wir auch heute wieder. Ob Kudus, Impalas, Gnus oder Zebras: Die Herdentiere sehen wir regelmäßig und in großer Zahl, und an den wenigen Wasserstellen treffen wir zudem auf Giraffen, Warzenschweine, Affen – und auf große Gruppen von Elefanten.

Erste Tierbegegnungen im Kruger-Nationalpark: Kudus…
…Giraffen…
…auch zusammen mit Impalas…
…die hier eine Straßenblockade errichten
Auch eine Büffelherde ist unterwegs…

Bei einem denkwürdigen Schauspiel sind wir die einzigen menschlichen Gäste und verharren dort fasziniert mindestens eine halbe Stunde: Friedlich tummeln sich die verschiedensten Tierarten an der Tränke, bis die ersten Elefanten erscheinen. Und die machen sehr schnell deutlich, wer hier das Sagen hat – sie und niemand anders. Alle anderen Tiere verziehen sich entweder von selbst oder werden von den Elefanten verjagt; notfalls, indem sie mit ihrem Rüssel Wasser ansaugen und damit ein paar Antilopen nass spritzen. Doch auch zwischen den Dickhäutern gibt es Streit ums Wasserloch: Die kleine Elefantenfamilie, die sich zunächst vorgedrängelt hat, wird kurze Zeit später wieder vertrieben – von einem zahlenmäßig deutlich überlegenen Clan, der langsam aus dem Busch getrottet kommt und allein aufgrund seiner Anzahl frei nach dem Motto Mia san de Mehrern nun den begehrten Bade- und Trinkplatz besetzt.

Die Elefanten vertreiben die anderen Tiere von der Wasserstelle…
…bis sie unter sich sind
Elefanten allerorten – ob auf der Straße…
…oder am Teich

Im Laufe des Tages, der uns ein ganzes Stück weit in den Süden des Nationalparks führt, ehe wir langsam wieder die Kurve kratzen müssen, begegnen uns jedoch noch mehr Tierarten: etwa Vögel wie der imposante Südliche Hornrabe, der Rot- und der Gelbschnabeltoko, die Gabelracke oder der Rotschulter-Glanzstar.

Interessante Vogelwelt: Gabelracke…
…Südlicher Gelbschnabeltoko…
…Südlicher Hornrabe…
…sowie Rotschnabeltoko und Rotschulter-Glanzstar

In einem großen Tümpel döst ein Nilpferd, auf dessen Rücken sich zwei Wasserschildkröten sonnen, vor sich hin, und schließlich treffen wir auch noch auf den König der Tiere – den Löwen. Zunächst sehen wir ein Weibchen mit einer frischen Risswunde am linken Vorderlauf, das sich schwer atmend im Schatten eines Baumes von den Strapazen der Jagd erholt, später dann auch noch eine kleine Löwenfamilie, dessen Männchen uns seine prächtige, in der Abendsonne goldglänzende Mähne präsentiert. Wir reizen die Zeit bis zum Schließen des Tores um 18 Uhr ziemlich aus, um in der einsetzenden Abenddämmerung noch die Chance auf die eine oder andere zusätzliche Tierbegegnung zu bekommen – und tatsächlich, nach einem Schakal läuft uns schließlich in ihrer eigentümlich hinkenden Gangart auch noch eine Hyäne über den Weg. Ein anstrengender, aber unheimlich vielseitiger und spannender Tag geht zu Ende, als wir nach 19 Uhr abends – es ist mittlerweile stockdunkel geworden – zurück in der Raptors Lodge in Hoedspruit sind.

Nilpferd mit Wasserschildkröten huckepack
Eine Schlange kriecht über die Straße
Schakal…
…und Hyäne stellen sich uns vor
Schwer angeschlagene Löwin nach strapaziöser Jagd
Schließlich taucht auch noch ein Löwenpärchen auf
Sonnenuntergang im Kruger-Nationalpark

War der Sonntag der südafrikanischen Tierwelt gewidmet, so wollen wir am Montag die majestätischen Landschaften der Region kennen lernen und verlassen Hoedspruit dazu in Richtung Nordwesten. Bald schon erreichen wir die imposante Bergkette der Transvaal-Drakensberge, die sich parallel zum Kruger-Nationalpark in Nord-Süd-Richtung erstrecken und über den gut ausgebauten Abel-Erasmus-Pass zu erreichen sind. Damit sind wir am nördlichen Beginn einer der bekanntesten Touristenstraßen des Landes angelangt – der Panorama Route, berühmt für ihre spektakulären Schluchten und weiten Ausblicke in das sich östlich anschließende flache Lowveld.

Über den Abel-Erasmus-Pass erreichen wir die Transvaal-Drakensberge

Unser erstes Ziel hat einen apokalyptisch anmutenden Namen – World’s End. Doch gar so schlimm wird es an dem nur über das Gelände des Forever Resort Blyde Canyon zugänglichen Aussichtspunkt, das für den Zutritt eine kleine Gebühr erhebt, nicht; vielmehr genießen wir hier vom Upper Viewpoint einen ersten großartigen Blick in das tief eingeschnittene Tal des Blyde River und auf die ihn umrahmenden bizarren Felsformationen.

Tolle Landschaften…
…an World’s End
…mit Blick in den Blyde River Canyon

Ein paar Kilometer weiter sind wir an den Three Rondavels. Auch hier müssen wir wieder einige Rand Eintrittsgebühr bezahlen – diesmal jedoch, wie anschließend auch noch an weiteren sehenswerten Punkten, an die Tourism and Parks Agency der Provinz Mpumalanga. Als Rondavels werden im südlichen Afrika eigentlich die Rundhütten bezeichnet, die traditionell von vielen einheimischen Volksstämmen gebaut wurden. Hier jedoch befinden sich auf der gegenüberliegenden Seite des Blyde River Canyon, der sich bis zu 800 Meter tief in die Drakensberge hineingefressen hat, drei markante, annähernd runde Felsen, die dieser Landschaft ihr unverwechselbares Gepräge verleihen.

Annäherung…
…an die Three Rondavels

Nur zwei Flusskurven weiter nördlich wird der Blyde River durch einen 71 Meter hohen Staudamm zu einem 240 Hektar großen See aufgestaut – hauptsächlich deswegen, um flussabwärts eine ganzjährig annähernd gleichmäßige Wasserführung zu gewährleisten und damit die Trinkwasser- wie auch die Nutzwasserversorgung zu sichern.

Stausee am Nordende des Blyde River Canyon

Als für uns interessantester Stopp erweisen sich die Bourke’s Luck Potholes, die wir ein ganzes Stück weiter südlich in der Nähe des Ortes Maremela ansteuern. Hier, wo der Treur River in den Blyde River mündet, befindet sich nicht nur der Ausgangspunkt des insgesamt 26 Kilometer langen Canyons, sondern es sind auch zahlreiche Strudellöcher zu sehen, die die beiden Flüsse in ungezählten Jahrtausenden aus den Sandsteinschichten ausgewaschen haben.

Felsige Landschaft…
…und eindrucksvolle Schluchten…
…an den Bourke’s Luck Potholes

Die bizarre Landschaft ist durch schmale Fußgängerbrücken und Wanderwege gut erschlossen und ein beliebtes Ausflugsziel sowohl für Touristen wie auch für Einheimische – große Schülergruppen werden in Bussen herangebracht und sorgen rund um die Flussarme und Tümpel, die sich oberhalb der Wasserfälle ausbreiten, für Leben.

Oberhalb der Wasserfälle…
…kühlen sich sowohl Touristen…
…als auch Einheimische gern die Füße im Fluss

Der letzte Halt auf der Panorama Route gilt dem God’s Window: Das Fenster Gottes bietet einen weiten Ausblick über die Abhänge der Drakensberge hinweg bis ins unten im Dunst liegende Lowveld.

Weiter Blick ins Lowveld durch God’s Window

Anschließend steuern wir das nahe gelegene Graskop an – ein 4.000-Einwohner-Städtchen, das sich zum touristischen Zentrum der Panorama Route entwickelt hat. Auf die Gäste aus Nah und Fern wartet nicht nur das bekannte Harrie’s Pancakes Cafe, das eine riesige Auswahl an Pfannkuchengerichten von süß bis herzhaft anbietet; es haben sich hier auch eine Reihe von Restaurants, Läden sowie Straßenhändlern angesiedelt, die auf ihren Anteil am Fremdenverkehrs-Kuchen hoffen.

Hervorragende Pancakes…
…gibt’s im kleinen Städtchen Graskop

Für uns ist Graskop allerdings nur eine kurze kulinarische Zwischenstation. Schließlich haben wir noch zwei Stunden Fahrt durch das Bergland vor uns.

Fahrt durch einsames Bergland…
…und vorbei an Brandrodungen am Straßenrand

Wir schaffen es gerade so, bis zum Sonnenuntergang unser Tagesziel, das auf 2.100 Metern Meereshöhe gelegene Bergdorf Dullstroom zu erreichen – ein beliebter Ausflugsort für Wanderer und Fischer und für uns eine angenehme Zwischenstation auf dem Weg in Richtung Johannesburg, wo wir in einer großzügigen Wohneinheit der Stay@67 Apartments übernachten und im dazu gehörigen Mayfly Restaurant ein wirklich ausgezeichnetes Abendessen zu uns nehmen.

Ladenzeile, Apartement und Restaurant gleich nebeneinander…
…in Dullstroom…
…einem beschaulichen Ort im Hochland