Donaumünster.
Nach einem gemütlichen Frühstück im beschaulichen Dullstroom verlassen wir am Dienstagmorgen das kleine Bergdorf auf der Landstraße Richtung Süden und gelangen bald auf die N 4, die uns westwärts in zügiger Fahrt – wobei häufige Radarkontrollen dafür sorgen, dass wir die hier geltende Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h zuverlässig einhalten – nach zwei Stunden in Südafrikas Hauptstadt Pretoria bringt. Erste Anlaufstation dort sind die Union Buildings Gardens: ein terrassenförmig ansteigender Park unterhalb der imposanten Union Buildings, dem 1910 bis 1913 errichteten Amtssitz der südafrikanischen Regierung und des Präsidenten.



Diese Machtdemonstration der damaligen Unabhängigkeitsbefürworter, die in erster Linie den Reihen der Buren entstammten, wird mittlerweile durch eine gewaltige Nelson-Mandela-Statue im Park konterkariert. Sie ist, wie wir schnell feststellen, für viele einheimische Besucher zur Kulisse für ein unverzichtbares Erinnerungsfoto geworden.

Von den Union Buildings Gardens hat man auch einen schönen Blick über die Skyline von Pretoria. Ich möchte eigentlich auch dem Stadtzentrum einen kurzen Besuch abstatten, doch bei der Suche nach einem sicheren Parkplatz stoßen wir mit unserem Offline-Navigationssystem von maps.me an dessen Grenzen. Wir irren durch einen chaotischen Großstadtverkehr und beschließen recht bald, das Weite zu suchen, heilfroh, dass unser Mietauto in dem Gedränge, teilweise inmitten von zig Kleinbussen, keine Beule abbekommen hat. Wie wir zwei Tage später erfahren, haben wir noch mehr Glück gehabt: Abends wird irgendwo in Pretorias Innenstadt ein Taxifahrer von einem nigerianischen Drogenhändler erschossen. Am Tag darauf rufen die Taxiunternehmen der Stadt deswegen zu einer Straßenblockade auf, die außer Kontrolle gerät und zu Straßenschlachten und Plünderungen von Geschäften führt.

Wir sehen von Pretoria nur noch das Voortrekkerdenkmal, das sich ein paar Kilometer südlich der Innenstadt auf einem Hügel erhebt. Denkmal – da stellt man sich ein Podest vor mit irgendeiner Heldenfigur drauf. Hier allerdings gibt man sich damit nicht zufrieden: Der aus Granitsteinen errichtete Bau steht auf einem quadratischen Sockel von 40 Metern Seitenlänge und misst selbst jeweils 25 Meter in Länge und Breite und 41 Meter in der Höhe – ein echtes Monumentaldenkmal also, das mich spontan an deutsch-kaiserliche Bauten wie das Kyffhäuser-Denkmal und das Völkerschlachtdenkmal erinnert. Und in der Tat, später lese ich, dass dem Architekten der berühmte Bau in Leipzig als Vorbild gedient hat.


Errichtet wurde er von 1937 bis 1949 im Gedenken an die hundertjährige Wiederkehr der Besiedlung des nördlichen Südafrikas durch die Voortrekker, also jene Buren, die vor der britischen Kolonialmacht flohen und sich hier, in den damals als Oranje-Freistaat und Transvaal bezeichneten Regionen, ein neues freies Leben suchten. Die Namen der mutigen Anführer und ihre Wege durch das Land werden in diesem gewaltigen Bauwerk verherrlicht. Dass die Leidtragenden die einheimischen schwarzen Völker waren, wird bei dieser Geschichtsinterpretation ausgeblendet – nicht verwunderlich, wenn man sich den zeitlichen Zusammenfall von Einweihung des Denkmals und Einführung der Apartheid vor Augen führt.




Das angeschlossene Erfenissentrum, ein Museum zur südafrikanischen Geschichte der letzten hundert Jahre, geht die Thematik deutlich differenzierter an – doch auch hier ist klar, dass dabei die Sichtweise der burischen Bevölkerungsgruppe, auch hinsichtlich der Frage nach ihrem Platz in der heutigen südafrikanischen Gesellschaft, präsentiert wird.


In Johannesburg, der etwa 50 Kilometer südlich gelegenen größten Metropole des Landes, deren Einwohnerzahl zwar mit etwa viereinhalb Millionen angegeben wird, die in der Realität aber wohl um einiges höher sein dürfte, hoffen wir, die südafrikanische Realität auch aus einem anderen Blickwinkel, dem der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, kennen zu lernen. Durch dichten Feierabendverkehr auf den meist vierspurigen Freeways, auf denen es häufig nur sehr zäh vorangeht, erreichen wir nach einer Stunde unsere letzte Unterkunft auf unserem Südafrika-Trip, das The Dorr Guest House. Es liegt im wohlhabenden nördlichen Stadtteil Sandton (inzwischen Sitz von Börse, der meisten Banken und Firmen), noch dazu in einem durch bewachte Zufahrtsschranken gesicherten Wohnviertel. Ein typisches Bild in einer von krassen sozialen Gegensätzen geprägten, als kriminell verrufenen Millionenstadt: Die Reichen schotten sich, so gut es geht, ab; weil privilegierte Wohnlage und Security an der Zugangsstraße noch nicht genügen, gehören schwere Hoftore, die sich per Code öffnen und schließen lassen, hohe Mauern und darauf gesetzte elektrische Zäune zur Grundausstattung der hiesigen Anwesen.
Unser Guest House nimmt sich im Vergleich zu den Nachbargrundstücken recht bescheiden aus – ein Fachwerkhäuschen im englischen Stil, das seit 20 Jahren von einer vom Tegernsee stammenden Deutschen geführt und mittlerweile von ihrem Sohn Severin geleitet wird, der zwar als kleiner Junge nach Südafrika kam, den elterlichen Dialekt aber immer noch lupenrein spricht und uns mit seinem „Servus! Schee, dass’ds guat o’kumma seids! Mechat’s a Bier?“ fast das Gefühl gibt, bereits wieder in der Heimat angekommen zu sein.

Doch wir sind beileibe noch nicht daheim, sondern in Johannesburg, einer Stadt, der alles andere als ein guter Ruf vorauseilt; sowohl was den Verkehr als auch die Kriminalität angeht. Gerade wenn man noch nie hier war, ist es da sehr gut, wenn man sich Ratschläge von Einheimischen geben lassen kann – und da sind Severin und seine Mutter natürlich sehr hilfreich. Wichtigste Grundaussage: Wachsam sein sollte man in jeder größeren Stadt; aber die Gefährlichkeit Johannesburgs wird in den Medien deutlich übertrieben dargestellt. Dass Staus allerdings alltäglich sind und die Nerven der Einwohner stark strapazieren, steht außer Frage. Und nach den Erfahrungen, die wir heute in Pretoria bereits gemacht haben, ist unser Ehrgeiz, Johannesburg mit dem eigenen Fahrzeug zu erkunden, gleich Null. Da trifft es sich perfekt, dass auch hier, zum selben Preis wie in Kapstadt, Hop-On-Hop-Off-Busse unterwegs sind. Die steuern alle wichtigen Punkte der Innenstadt an und bieten unterwegs über Kopfhörer noch dazu viele Zusatzinformationen. Also fahren wir am nächsten Morgen mit unserem Auto nur bis zur riesigen Sandton City Mall, einem gigantischen Einkaufszentrum, in dessen Parkhaus wir unser Fahrzeug abstellen können, und hasten anschließend durch die Gänge und über eine überdachte Fußgängerbrücke durch das ebenso ausladende Sandton Convention Centre, um gerade rechtzeitig dort zu sein, von wo ein Zubringer-Shuttle auf einer Hotelroute die Touristen zum offiziellen Startpunkt der City-Sightseeing-Busse bringt.

Alles ist also perfekt organisiert; nur wird uns schnell klar, dass wir schon allein aufgrund der gewaltigen Ausmaße Johannesburgs unmöglich überall aussteigen können und uns auf einige besondere Highlights beschränken müssen.


Nach dem Durchqueren der wohlhabenden Stadtteile im Norden ist unser erster Halt der Constitution Hill: Hier befindet sich mit dem Old Fort die 1893 errichtete Militärbasis der Stadt, die später als Gefängnis genutzt wurde und in der ungezählte Regierungsgegner, unter ihnen auch Mahatma Gandhi und Nelson Mandela, unter sehr üblen Bedingungen inhaftiert waren. Heute werden hier stündlich Führungen angeboten, die als sehr interessant beschrieben werden. Dumm nur, dass wir kurz nach zehn Uhr ankommen, die nächste Tour also erst um elf Uhr beginnt. Das bedeutet, dass wir uns das Gelände nur eine halbe Stunde von außen ansehen können und dann weiterfahren – wie sich zeigen wird, eine sinnvolle Entscheidung.



Johannesburgs Innenstadt beginnt südlich des Constitution Hill und vermittelt sofort eine völlig andere Atmosphäre: Statt der großzügigen Grundstücke rund um herrschaftliche Villen mit viel Grün beherrschen nun Hochhäuser, von denen viele arg in die Jahre gekommen sind und zum Teil sogar leer stehen, das Bild. Auf den Straßen geht es geschäftig zu; wir passieren die Niederlassung des Innenministeriums, vor dem hunderte arbeitswilliger Migranten aus anderen afrikanischen Staaten Einlass begehren, um sich um eine Arbeitserlaubnis zu bewerben, durchqueren Straßen mit vielen kleinen Läden und sehen einige Skulpturen und Denkmäler, die daran erinnern, weshalb gerade hier, auf 1.750 Metern Meereshöhe in einer staubigen Buschlandschaft fernab der Meeresküste, eines Sees oder auch nur eines Flusses, diese Millionenmetropole entstand: reiche Goldvorkommen.







Das Gold am Witwatersrand, einem Höhenzug am Rande der Stadt, führte ab 1886 zu einem explosionsartigen Wachstum und bestimmte die Stadtentwicklung in entscheidendem Ausmaß – denn diejenigen unter den Zuwanderern, die zu Minenbesitzern aufstiegen und damit andere, überwiegend Schwarze, für sich arbeiten lassen konnten, schätzten wohl das Edelmetall, das aus dem Untergrund gefördert wurde, aber nicht den damit verbundenen Abraum, der als Staubfahne kilometerweit ins Land wehte. Daher siedelten sie sich schon früh weit im Norden der Stadt an und sorgten durch die Anpflanzung von unzähligen Bäumen dafür, dass die zuvor praktisch baumlose Region heute als der größte menschengemachte Wald der Welt bezeichnet wird.




Den besten Eindruck von Johannesburgs Topographie gewinnt man vom 50. Stockwerk des Carlton Centre mitten im Stadtzentrum – von dort oben schweift der Blick weit in alle Richtungen und erfasst sowohl die grünen Vororte des Nordens, die Hochhaussilhouette der Innenstadt als auch die Abraumhalden, die sogenannten Dumps im Süden mit den dahinterliegenden Wohngegenden der Arbeiter, vor allem den unter dem Namen Soweto zusammengefassten South Western Townships.



Top of Africa nennt sich die Aussichtsplattform in 220 Metern Höhe stolz; ein Aushängeschild des Landes, der ganzen Stadt… doch weit gefehlt. Das Interieur des komplett hinter Glas liegenden Stockwerks ist uralt und teilweise marode; zusammen mit drei weiteren Sightseeing-Busfahrgästen sind wir die einzigen Besucher hier oben, und die Kasse sowie den Aufzug würden wir ohne die Hilfe einer Angestellten der Busgesellschaft, die uns durch ein Einkaufszentrum im Parterre geleitet, gar nicht finden, so unscheinbar, versteckt und überhaupt nicht ausgeschildert ist es. Zumindest sind die darunterliegenden Etagen des Büroturms belebt, unter anderem sitzt die Steuerbehörde hier im Gebäude; dem direkt daneben angeschlossenen Hotel Carlton, einstmals das erste Haus am Platze, ergeht es ungleich schlechter. 1973 eröffnet, seit 1997 bereits geschlossen, gammelt es seinem langsamen, aber offenbar unaufhaltsamen Verfall entgegen.

Durch die südlichen, deutlich ärmeren und von Kleinindustrie und Gewerbe geprägten Stadtteile gelangen wir in die einstigen Goldfördergebiete der Stadt. Die gelblichen Halden werden heute mit modernsten technischen Mitteln teilweise noch einmal durchgesiebt, um verbliebene Goldpartikel herauszufiltern, doch ansonsten haben sich die Goldgruben ein ganzes Stück außerhalb der Stadt verlagert. Wir kommen an Gold Reef City vorbei – ein riesiger Freizeitpark zum Thema Gold, der auch ein Casino, ein Hotel und die Möglichkeit zum Besuch einer historischen Mine beinhaltet.



Doch auch darauf verzichten wir – unser Interesse gilt dem gleich daneben liegenden Apartheid Museum, für dessen Besuch wir genügend Zeit einplanen. Die 2001 eröffnete Einrichtung widmet sich ganz der Geschichte der Apartheid: von den geschichtlichen Entwicklungen seit dem Beginn der weißen Einwanderung über die im Burentum wurzelnde Überzeugung von der Ungleichheit der Rassen und die schrittweise Trennung der verschiedenfarbigen Volksgruppen mit all ihren furchtbaren Auswirkungen für den Alltag der Nicht-Weißen bis hin zur Entwicklung zu einem freien, demokratischen Südafrika – wobei die vielfältigen Probleme auf dem Weg dorthin, auch die zum Teil blutigen Konflikte zwischen verschiedenen schwarzen Völkern, nicht ausgespart werden.

Als Besucher wird man direkt am Eingang sehr unmittelbar mit der Apartheid-Thematik konfrontiert: Auf der Eintrittskarte steht nach dem Zufallsprinzip entweder Weißer oder Nicht-Weißer – dementsprechend muss man das Museum durch separate Eingänge betreten und kann sich erst nach einem längeren getrennten Abschnitt wieder sehen.


Die Komplexität des Themas, die museumspädagogisch exzellente Aufarbeitung in Wort, Bild, Film und Ton und noch dazu eine Sonderausstellung über Nelson Mandela führen dazu, dass wir mehr als drei Stunden hier verbringen und dennoch viele Texte und Ausstellungsstücke nur kurz streifen können – hier könnte man sich zweifellos auch einen ganzen Tag aufhalten. Wir verlassen das Museumsgelände sehr nachdenklich: Die Gesetze der Apartheid sind zwar seit einem Vierteljahrhundert Geschichte, aber – das haben wir überall im Land gesehen – die Strukturen wirken nach. Die Besitz- und Wohnverhältnisse, der Lebensstil, die Frage, wer Chef und wer Diener ist – das alles ist auch heute noch in hohem Maße davon bestimmt, welche Hautfarbe eine Person besitzt. Es gibt inzwischen eine schwarze Mittelschicht, es gibt reiche farbige Unternehmer – aber sie sind nach wie vor Ausnahmen; der allergrößte Teil der Nicht-Weißen lebt immer noch sehr ärmlich. Zwei derart gegensätzliche, nebeneinander existierende Parallelwelten haben wir in dieser ausgeprägten Form bisher noch nirgendwo anders angetroffen.





Eine lange Schleife quer durch die von Autos verstopfte Stadt, vorbei an slumähnlichen Ansiedlungen und glamourösen, verglasten Bürotürmen, an Südafrikas größter Brauerei SAB, durch das quirlige Studentenviertel Braamfontein mit dem brachialen Betonklotz-Rathaus führt uns zurück zum Ausgangspunkt unserer Tour und schließlich in die ruhige Oase unseres Guest House.



Dort haben wir noch ein organisatorisches Problem zu lösen: Wir wollen morgen an einer geführten Halbtagestour durch Soweto teilnehmen. Schon in Swasiland hatte uns Chris, ein südafrikanischer Tourist Guide, zwei Nummern von befreundeten Soweto-Führern gegeben. Doch beide sagten uns ab – sie haben schon anderweitige Verpflichtungen. Einer gab uns zwei weitere Nummern; die eine haben wir gestern angeschrieben und keine Antwort erhalten, die zweite probieren wir jetzt. Aber wenn die sich auch nicht rühren? Jana sucht im Internet nach einer Alternative, findet die Seite von Mashaba Tours und ruft dort kurz entschlossen an – es ist 19 Uhr abends, zehn Minuten später haben wir die Zusage vom Chef des Ladens, Peter Mashaba: Für 690 Rand pro Person werden wir morgen um neun Uhr an unserer Unterkunft abgeholt. Endlich mal Glück! Und das in doppeltem Sinne – denn wenige Minuten später erhalten wir dann von der anderen Agentur auch noch eine Antwort: Die würden es auch machen, aber frühestens ab elf Uhr und für 1300 Rand pro Person. Beides für uns kein Thema…
Am Donnerstagmorgen steht also wie vereinbart um kurz nach neun Uhr Peter mit seinem Auto vor der Tür. Ein frisch verheiratetes englisches Pärchen, das in einem Nobel-Hotel in Sandtons Downtown logiert, wird auch noch abgeholt – und los geht die Tour Richtung Soweto. Allerdings erst einmal mit einem Abstecher in ein ruhiges, von Villen bestandenes Wohngebiet im Stadtteil Houghton: Hier steht das Haus, in dem Nelson Mandela am Ende seines Lebens wohnte und am 5. Dezember 2013 im Alter von 95 Jahren starb. Bemalte und beschriftete Steine in Blumenrabatten vor dem Haus legen Zeugnis von den vielen guten Wünschen ab, die Madiba in der Zeit seiner Krankheit zuteil wurden und die zu seinem Gedenken auch heute noch dort abgelegt werden.


Als wir nach der Fahrt quer durch Johannesburg Soweto erreicht haben, gelingt es dem kenntnisreichen Peter, der schon seit 1996 Soweto-Touren durchführt, schnell, uns ein realistisches Bild von dem zu vermitteln, was diese bekannteste Township Südafrikas heute tatsächlich ist: Eine eigene Welt aus verschiedenen, sehr unterschiedlichen Stadtteilen, in der es natürlich auch noch die Elendsviertel mit Wellblechbaracken ohne Strom- und Wasseranschluss gibt, wo inzwischen aber auch kleinbürgerliche Siedlungen mit gewölbten Betondächern (sogenannte Elefantendächer) und bessere Wohngegenden entstanden sind, die man als Außenstehender in Soweto nicht vermutet hätte.








Wir kommen an quirligen Märkten und großen, modernen Einkaufszentren vorbei, begegnen Müllsammlern, die übergroße Sackkarren mit recyclebaren Abfällen hinter sich herziehen, mäßig begabten Jongleuren an Straßenkreuzungen und passieren das Chris Hani Baragwanath Hospital, das größte Krankenhaus der südlichen Hemisphäre.



Ein Stück weiter stehen die beiden Kühltürme der stillgelegten Orlando Power Station, eines ehemaligen Kohlekraftwerks, die inzwischen bunt mit Werbebotschaften bemalt sind und zwischen denen eine Hängebrücke installiert wurde, von der aus Abenteuerlustige heute Bungee-Sprünge absolvieren können.

Peter fährt mit uns auch durch die Vilakazi Street, bekannt als einzige Straße der Welt, in der zwei Nobelpreisträger wohnten – nämlich Nelson Mandela und Erzbischof Desmond Tutu. Das Mandela-Haus ist heute ein Museum; Peter meint aber, wenn wir die Ausstellung im Apartheid-Museum gesehen haben (das unsere englischen Begleiter im Anschluss an die Tour noch besuchen werden), verpassen wir hier nichts. Dass die Straße heute nichts Ursprüngliches mehr ausstrahlt, ist kaum verwunderlich; Souvenirläden und Restaurants haben sich hier dicht an dicht angesiedelt.


Zwei längere Stopps legen wir während unserer Rundfahrt ein. Zunächst besuchen wir die katholische Pfarrkirche Regina Mundi, die im Herzen Sowetos im Stadtteil Rockville gelegen ist. Sie wurde zwischen 1960 und 1962 errichtet und wurde während des Aufstandes im Juni 1976 zu einem bedeutenden Ort, da viele demonstrierende Schüler und Studenten vor der Polizeigewalt in die Kirche flohen. Doch selbst dort waren sie nicht sicher: Die Polizei kam hinterher und schoss auch im Kircheninneren weiter, wovon noch heute Einschusslöcher in der Decke zeugen.


Bei der Führung wird uns stolz gezeigt, an welchen Stellen prominente Besucher wie Bill Clinton, Nelson Mandela und Michelle Obama saßen oder standen – für Jana besonders interessant: Sie liest eben gerade die Autobiografie Becoming der ehemaligen US-amerikanischen First Lady und war gestern Abend exakt an der Stelle, an der Obama ihre Reise nach Südafrika beschreibt. Auch die künstlerische Ausstattung – allen voran Glasfenster mit Szenen aus Marias Leben, die 1998 durch Spenden aus Polen finanziert wurden sowie das großformatige Gemälde The Madonna and Child of Soweto, 1993 von Larry Scully geschaffen und mit zahlreichen Szenen aus Soweto versehen – bekommen wir ausführlich erklärt.


Ein weiterer Besuch gilt dem Hector-Pieterson-Museum im Stadtteil Orlando. Es trägt den Namen eines zwölfjährigen Jungen, der bei den Unruhen am 16. Juni 1976, die insgesamt weit über 500 Menschen das Leben kosteten, von der Polizei erschossen wurde. Sein Name wurde nicht zuletzt deshalb zum Symbol, da eine Aufnahme existiert, die einen anderen Jugendlichen zeigt, wie er den sterbenden Hector aus der Schusslinie trägt; daneben sieht man Hectors Schwester, in deren Gesicht das blanke Entsetzen geschrieben steht. Dieses Bild ist heute zentraler Bestandteil des Mahnmals, das seit 2002 vor dem zeitgleich eröffneten Museum steht.
Im Museum haben wir eine halbe Stunde Zeit – eigentlich viel zu wenig, dennoch können wir uns zumindest in etwa eine Vorstellung davon verschaffen, was in jenem Juni 1976 vor sich ging: Die Regierung hatte beschlossen, an allen Schulen Afrikaans als verpflichtende Unterrichtssprache neben Englisch einzuführen – eine Sprache, die bei den Schwarzen verhasst war, weil sie als die Sprache der Unterdrücker wahrgenommen wurde, die niemand freiwillig sprach und die auch nur wenige Lehrer beherrschten. Dass damit das Scheitern vieler schwarzer Schüler bei Abschlussprüfungen vorprogrammiert sein würde, war offensichtlich einkalkuliert: Nach Ansicht der radikalen Apartheid-Befürworter reichte es ohnehin aus, wenn die Schwarzen die nötigste Grundbildung hatten: Lesen, Schreiben, Grundrechenarten – mehr brauchten die Nicht-Weißen, die zum Arbeiten und Dienen vorgesehen waren, eh nicht zu können. Doch die Regierung hatte nicht damit gerechnet, dass die schwarze Jugend aufbegehren würde: Dem Aufruf zum Schulboykott schlossen sich in Windeseile immer mehr Schüler und Studenten an und gingen in Soweto auf die Straße – am Morgen des 16. Juni 1976 waren es zwischen 10.000 und 20.000, die weitgehend friedlich demonstrierten. Unter dem Vorwand, mit Steinen beworfen worden zu sein, eröffnete die anwesende Polizei das Feuer auf die Menge; in den nächsten Stunden und Tagen schossen Scharfschützen ohne Vorwarnung willkürlich in den Straßen herum. Es fällt auch aus der Distanz von 43 Jahren schwer, die damaligen Vorgänge zu begreifen und zu verarbeiten.

Zumal das Geschehen für uns, als wir uns zur Weiterfahrt gerade wieder ins Auto setzen, noch einmal in einer ganz anderen Dimension gegenwärtig wird: „Da drüben“, zeigt Peter auf eine etwa 60-jährige Frau, „steht die Schwester von Hector. Ich kenne sie ganz gut! – Antoinette, kannst du mal herkommen?“ Ja, es ist Antoinette Sithole, jenes Mädchen, das auf dem Mahnmal, neben ihrem sterbenden Bruder herlaufend, zu sehen ist. Heute ist sie als Kuratorin des Museums in verantwortlicher Position und sieht es als ihre Aufgabe an, den frühen Tod ihres Bruders – stellvertretend für alle anderen ums Leben gekommenen – nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ohne ihn dabei zum Helden stilisieren zu wollen: „Er war ein ganz normaler Junge, der zu jung war, um zu verstehen, worum es ging und der ein zufälliges Opfer wurde“, wird sie im Museum sinngemäß zitiert. Uns gegenüber präsentiert sie sich als freundliche, bescheidene Frau, die gleich erzählt, dass sie schon einmal in Deutschland – nämlich in Berlin – war, als sie erfährt, dass wir aus Deutschland kommen. Die Einzelheiten dazu hat Peter anschließend für uns parat: Antoinette weilte dort im Dezember 1989, um an der Namensgebung der Hector-Peterson-Schule (eine alternative Schreibweise des Namens ohne i) teilzunehmen – also zu einer Zeit, als sich Berlin kurz nach dem Fall der Mauer im Ausnahmezustand befand.

Ehe Peter unsere englischen Mitfahrer ins Apartheid-Museum und uns zurück zum The Dorr Guest House bringt, kommen wir noch an dem direkt am Rande von Soweto gelegenen FNB-Stadion, international als Soccer City bekannt, vorbei – dem Schauplatz des Eröffnungsspiels und des Finales der Fußball-Weltmeisterschaft 2010, mit 95.000 Plätzen das größte Stadion Afrikas.

Im Guest House bleibt nur noch Zeit für eine herzliche Verabschiedung: Unsere südafrikanische Zeit geht zu Ende, wir müssen hinaus an den Flughafen. Gut 40 Kilometer auf den dicht befahrenen Johannesburger Autobahnen – noch einmal eine fahrerische Herausforderung, für die wir über eine Stunde brauchen. Da Staus hier ganz normal sind, haben wir jedoch genügend Zeitpuffer eingeplant und sind schließlich immer noch sehr frühzeitig beim Rückgabepunkt des Autovermieters First Car, wo wir den Suzuki Dzire nach über 4.700 gefahrenen Kilometern wieder heil – mit Ausnahme des Risses in der Frontscheibe, dem jedoch wohl ein kleiner Pikser zugrunde lag, den das Autofenster bereits bei der Übernahme hatte und der auch entsprechend auf dem Übergabeprotokoll vermerkt wurde. Wie auch immer – im Falle des Falles hätten wir über den deutschen Vermittler Auto Europe ja einen vollständigen Versicherungsschutz.

Damit könnten unsere Reiseberichte aus Südafrika eigentlich enden; es würde genügen, zu sagen, dass wir letztendlich wieder gut zuhause angekommen sind. Doch die Heimreise verläuft durchaus nicht ereignislos: Es ist kurz vor 20.50 Uhr, dem Zeitpunkt des planmäßigen Starts unseres Fluges mit Qatar Airways nach Doha. Der Flieger, ein Airbus 350, ist proppenvoll; nur neben mir ist immer noch ein Platz frei. Sollen wir etwa, wie schon beim Hinflug, das unverschämte Glück haben, uns während des Nachtflugs zu zweit über drei Sitzplätze ausbreiten zu können? Diese Hoffnung zerplatzt jäh – und schlägt in ein tragikomisches Schauspiel um, über das wir allerdings nicht wirklich lachen können, da es sich unmittelbar neben uns abspielt.
Nachdem er zuvor bereits zweimal durchs ganze Flugzeug hin- und hergerannt ist, wird ein schnöselhaft aussehender Passagier – hager, vielleicht Mitte 40, mittellange, zu zwei Zöpfen gebundene Haare, glasiger Blick, Designerbrille, nachlässige Kleidung – von einer Stewardess auf den noch freien Platz neben mir geleitet. Ich grüße, er antwortet etwas unwillig, kramt in seiner Jacke und seinem Täschchen herum; dann kommt eine Stewardess mit Erfrischungstüchern. Dafür hat er keinen Bedarf; er möchte Schokolade, und zwar sofort! Als die Stewardess höflich und bedauernd darauf verweist, dass dies im Moment nicht möglich ist, fängt er in schlechtem Englisch an über die armselige Fluggesellschaft zu schimpfen, ignoriert die Nachfrage der Flugbegleiterin, ob er ein Upgrade möchte und reißt anschließend einen Zettel aus einem Notizblock, auf den er gut sichtbar schreibt: THIS COMPANY IS VERY CHEAP (er meint wohl poor). Die bereitgestellte Decke für die Nacht, den Kopfhörer für die Bordunterhaltung und das Päckchen mit Schlafbrille, Ohrstöpseln, Zahnbürste und Zahnpasta wirft er wütend zu Boden und kickt alles unter den Vordersitz. Die Startvorbereitungen laufen an, alle Passagiere sollen angeschnallt an ihrem Platz sitzen. Das stört meinen Nachbarn, einen Italiener, wie ich inzwischen anhand seiner Dokumente, mit denen er wirr umeinander fuchtelt, herausgefunden habe, nicht: Er steht auf und läuft Richtung Bordtoilette – um natürlich postwendend zurückgeschickt zu werden. Was er nicht im Geringsten einsieht: Das Flugzeug befindet sich in startbereiter Position, da springt der Verrückte, wie wir ihn inzwischen nennen, wieder hoch und läuft quer durch die Reihen. Wir haben ernsthafte Befürchtungen, dass dieser Typ sofort aus dem Flieger geschmissen wird, was den Start um unabsehbare Zeit verzögern und damit unseren Anschlussflug gefährden würde. Doch er bekommt nur einen deutlichen, unüberhörbaren Anpfiff von zwei Flugbegleitern – was ihn dazu veranlasst, auf seinen Sitz zurückzukehren und dort kauernd, aber unangeschnallt während des Starts zu verharren. Danach stößt er, weiterhin in sich zusammengesunken, bisweilen unartikulierte Laute aus.
Allein der Alkoholkonsum, der den Ausdünstungen nach zu urteilen dem Betreten des Flugzeugs wohl vorausgegangen ist, vermag ein derart bizarres Verhalten unserer Überzeugung nach nicht zu erklären. Wir glauben, der Kerl steht entweder zusätzlich unter Drogen oder leidet unter Entzugserscheinungen, da er seinen Stoff ja nicht mit ins Flugzeug nehmen konnte. Es bleibt die gesamten achteinhalb Stunden, die dieser Flug in die katarische Hauptstadt dauert, spannend – was wird dem Typen wohl als nächstes einfallen? Eine Flugbegleiterin hat sich schon an uns gewendet, als der Italiener mal wieder durchs Flugzeug gerannt ist und uns den Hinweis gegeben: „Wenn es irgendein Problem gibt, drücken Sie den Alarmknopf! Dann kommen wir sofort!“ Nachdem die Chef-Stewardess zu ihm gekommen ist und ihm im Namen des Kapitäns ein Merkblatt zu den Verhaltensregeln an Bord überreicht hat mit den Worten: „Sehr geehrter Herr, das ist jetzt Warnstufe 2! Wenn Sie diese Regeln nicht befolgen, wird das für Sie ernste Konsequenzen haben!“ droht für kurze Zeit eine weitere Eskalation. Denn kaum ist die Stewardess außer Sichtweite, nimmt mein Sitznachbar den Merkzettel, zerfetzt ihn in hundert kleinste Schnipsel und wirft alles neben sich auf den Durchgang. Eine afrikanische Passagierin schräg vor uns hebt den Müll auf und verstaut ihn bei sich in einer Tüte; wahrscheinlich verhindert sie dadurch weiteres Unheil. Im Abendessen stochert der Verrückte lustlos herum, den Steward schnauzt er an, weil er vor Jana das Essen – er hat etwas anderes gewählt als wir – erhält: „Das ist wohl typisch für Ihr Land! In Ihrem Land haben es Frauen nicht gut! Die Dame muss zuerst bedient werden, wissen Sie das nicht?“ Ich atme etwas auf – zumindest scheint er nichts gegen uns direkt zu haben. Vielleicht liegt’s ja auch daran, dass eine andere Passagierin auf einem Sitzplatz gegenüber bei einer seiner vorherigen Irrläufe durchs Flugzeug eine SIM-Karte unter seinem Sitz gesehen und mir gegeben hatte in der Annahme, die könnte meine sein. Da dem nicht so war, überreichte ich sie dem Verrückten nach seiner Rückkehr, worauf er sich bei mir überschwänglich bedankte. So richtig durchatmen können wir allerdings erst, als wir in Doha gelandet sind und der Vogel hoffentlich auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist – auch deswegen, weil der Herr, den ich mir inzwischen als verwöhntes Bürschchen reicher Eltern, der in seinem Leben noch nie richtig arbeiten musste, vorstelle, während des Nachtflugs kaum zur Ruhe fand, sich ständig hin- und herdrehte, irgendwelche italienischen Flüche vor sich hin murmelte und vor allem, weil er auch seine Darmwinde nicht wirklich unter Kontrolle hatte…
Der Weiterflug mit einer Boeing 777 nach München verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Wir sind mit der Bahn angereist, mit der Bahn wollen wir nun auch wieder nachhause fahren. Zehn Minuten vor 15 Uhr haben wir mit der S-Bahn den Münchner Hauptbahnhof erreicht; jetzt haben wir noch reichlich Zeit, bis wir um 15.34 Uhr mit einem RE Anschluss nach Donauwörth haben. Der fährt allerdings von einem anderen Gleis ab als im Fahrplan bekanntgegeben… und er wird geteilt; das erste Mal in Augsburg, von wo eine Hälfte nach Ulm und die andere nach Donauwörth weiterfährt; in Donauwörth dann nochmal, und zwar Richtung Aalen und Richtung Treuchtlingen. Lässt sich eigentlich ganz gut rausfinden, wenn die Anzeigetafel am Bahnsteig das richtig darstellt – was sie leider nicht tut. Also müssen wir am Waggon selbst ablesen, wohin die Reise geht. Jedoch nicht nur für uns selbst, sondern auch für eine junge Frau, die sich hilfesuchend mit der Frage nach dem richtigen Zug nach Treuchtlingen an uns wendet – wie sich herausstellt, eine spanische Studentin, die mit dem Bayern-Ticket von einer Freundin in Traunstein nach Würzburg fahren möchte, wo sie ein englischsprachiges Masterstudium beginnen wird. Ihre Verbindung über München und Treuchtlingen hat sie im Internet herausgesucht, doch jetzt fährt der Zug plötzlich auf einem anderen Gleis ab, teilt sich mehrfach, sie spricht kein Deutsch… Wir können sie auf jeden Fall bis Donauwörth begleiten, bis dahin finden wir schon den richtigen Zugteil, beruhigen wir das Mädel.
Doch so einfach ist eine Reise mit der Deutschen Bahn nicht – jedenfalls nicht heute. Denn unser Regionalexpress schleicht verdächtig langsam bis zum nächsten Halt in München-Pasing, dann erfolgt eine Durchsage des Lokführers: „Wegen einer technischen Störung verzögert sich die Weiterfahrt um einige Minuten!“ Aus einigen Minuten werden viele, ganz schön viele. Bald ist klar, dass wir den planmäßigen Anschlusszug nach Tapfheim nicht mehr schaffen. Dann kommt wieder eine Durchsage: „Sehr geehrte Fahrgäste, wegen eines technischen Defekts fährt dieser Zug nicht mehr weiter! Bitte steigen Sie alle aus und nehmen Sie hier in München-Pasing einen der nachfolgenden Züge!“ Wir nehmen also das Mädchen aus Barcelona weiter unter unsere Fittiche und suchen. Auf dem gegenüberliegenden Gleis steht ein Zug, der laut Anzeigetafel über Augsburg nach Dinkelscherben bzw. Nördlingen fährt, sich also wieder teilt. Gut für uns… damit käme man ja sicherlich zumindest mal bis nach Donauwörth. Wir fragen sicherheitshalber den Schaffner. „Nein, Nördlingen stimmt nicht!“ bekommen wir recht barsch zur Antwort. Die Anzeigetafel bezieht sich angeblich bereits auf den nächsten Zug.
Dann warten wir eben auf den Folgezug auf unserem Gleis. Einer wird für 16.43 Uhr angekündigt, der geht aber nur bis Augsburg. Macht nichts, nehmen wir eben den um 16.49 Uhr, denn der fährt laut Anzeige bis Donauwörth. Dann sind auch all die Leute, die nur bis Augsburg wollen, weg und wir haben mehr Platz… von wegen. Der Zug mit Endstation Augsburg hat zehn Minuten Verspätung, dadurch kommt der nach Donauwörth vorher – was automatisch zur Folge hat, dass alle Augsburg-Fahrer auch dort reinwollen, der Zug knallvoll ist und wir mitsamt unserem Gepäck und der inzwischen ziemlich verwirrten Spanierin erst einmal an den Zugtüren stehen dürfen. Eigentlich sollten wir ja kurz vor 18 Uhr Donauwörth erreichen, zumindest steht das in der Bahn-App. Aber irgendwie haut auch da was nicht hin… unser RE wird hinter Augsburg zum Bummelzug, hält überall und erreicht schließlich kurz vor halb sieben Uhr glücklich Donauwörth.
Wir haben jetzt Zeit bis 19.01 Uhr und suchen die passende Verbindung für unser spanisches Findelkind, das über das ganze Chaos nur noch den Kopf schütteln kann. Das sich – warum denn auch nicht – auch in Donauwörth fortsetzt: Laut Fahrplan und Anzeigetafel fährt ihr Anschluss nach Treuchtlingen von Gleis 1 ab. Da steht aber keine zehn Minuten vor der planmäßigen Abfahrt immer noch ein agilis herum, für den Donauwörth Endstation war. Der muss doch hier mal weg?! Von wegen, der bleibt hier eisern stehen. Weshalb kurz darauf eine Durchsage zu hören ist: „Der Regionalexpress aus München fährt heute außerplanmäßig auf Gleis 3 ein. Bitte beachten Sie, dass der vordere Zugteil nach Treuchtlingen und der hintere Zugteil nach Aalen weiterfährt!“ Wir begleiten unsere Zufallsbekanntschaft also noch bis ans Gleis 3 und versichern uns, dass sie die richtige Zughälfte betritt. Sie bedankt sich überschwänglich bei uns, und wir können tatsächlich um 19.01 Uhr – zwei Stunden später als vorgesehen – mit dem agilis die letzten siebeneinhalb Kilometer nach Tapfheim zurücklegen, um unsere Rückkehr gleich mit einer guten Brotzeit im zum Café Bruno umgebauten Bahnhofsgebäude zu feiern.