Donaumünster.

Am Mittwochmorgen verabschieden wir uns nach drei Nächten von der Amalfiküste und damit auch von unserer schönen Ferienwohnung Villa Anna über den Dächern der Altstadt von Minori. Die nächste Etappe wartet auf uns, und sie führt über Maiori zunächst einmal auf schmalen Bergstraßen quer durch den bis zu 1.444 Meter hohen Gebirgszug der Monti Lattari. Kurz hinter dem kleinen Dorf Breccelle weitet sich plötzlich die Landschaft – Wir sind am Bergpass Valico di Chiunzi angekommen. Die weite, dicht besiedelte Sarno-Ebene tut sich tief unten vor uns auf, im Hintergrund ragt unverkennbar die eindrucksvolle Kulisse des Vesuv in den Himmel. Eine spektakuläre Kulisse, die wir so schnell sicher nicht vergessen werden!

Beeindruckende Silhouette: Vesuv im Hintergrund der dicht besiedelten Sarno-Ebene

Durch die ineinander übergehenden Orte am nördlichen Fuße der Monti Lattari haben wir gut eine halbe Stunde später Pompei erreicht. Zunächst einmal steuern wir das erst vor wenigen Monaten neu eröffnete Gioielli House an, eine hübsche Frühstückspension in einer schmalen Gasse in der Innenstadt. Das Auto müssen wir auch hier wieder auf einem einige hundert Meter entfernten Parkplatz abstellen.

Pompeis Stadtzentrum mit der Wallfahrtskirche Beata Vergine Maria del Santo Rosario

Es ist kurz nach zwölf Uhr mittags, als wir uns vom Bahnhof Pompei mit einem Regionalzug in Richtung Neapel aufmachen. Was am Anreisetag wegen des verpassten Fluges nicht möglich war, werden wir also heute nachholen! Aber mit dem Auto in die knapp eine Million Einwohner zählende süditalienische Metropole fahren? Nein danke – 2008, während unseres ersten Besuchs bei Andrea, waren wir einmal so richtig ins neapolitanische Verkehrschaos geraten. Diese Erfahrung brauchen wir kein zweites Mal! Mit der Bahn erreichen wir auf landschaftlich schöner Strecke, die teilweise direkt am Meer entlangführt, ganz entspannt Napoli Centrale, den Hauptbahnhof, von dem aus über die Piazza Giuseppe Garibaldi mit der überlebensgroßen Statue des italienischen Freiheitskämpfers der Weg schnurstracks in Richtung Altstadt führt.

In Portici führt die Bahnlinie direkt am Jachthafen Granatello vorbei
Piazza Giuseppe Garibaldi
…mit der Statue des berühmten Freiheitskämpfers

Wir erreichen sie an der mächtigen, nach außen eher abweisend wirkenden Fassade des Castel Capuano. Aus dem 12. Jahrhundert stammend, gilt sie als älteste erhaltene Burganlage der zweieinhalb Jahrtausende alten Hauptstadt Kampaniens. Der Name der Burganlage, die heute als Justiz-Fachschule genutzt wird, bezieht sich auf die nahegelegene Stadt Capua und das gegenüber an der Piazza Enrico de Nicola befindliche mittelalterliche Stadttor Porta Capuana, neben der die Renaissancekirche Santa Caterina a Formiello steht. Mit Bauzäunen abgesperrt, vermittelt dieser Platz allerdings bei unserem Besuch keinen allzu authentischen Eindruck.

Hat seinen mittelalterlichen Burgcharakter bewahrt: Castel Capuano
Von Bauzäunen verstellt: Kirche Santa Caterina a Formiello und Porta Capuana

Ein umso pittoreskeres Neapel erleben wir dann allerdings bei unserem Bummel durch die Via dei Tribunali. Sie ist eine der beiden, seit römischer Zeit unverändert gebliebenen parallelen Hauptachsen, die die Altstadt in Ost-West-Richtung durchschneiden. In diesen engen Häuserschluchten wimmelt das Leben wie eh und je: Fußgänger und Vespa-Fahrer drängen sich aneinander vorbei, kleine Läden buhlen mit Waren aller Art um Kundschaft, es ist bunt, laut und sogar mitten am Tag stets dämmrig. Nur eines scheint zumindest über der zentralen Gasse inzwischen bewusst angebrachte Folklore: Die berühmten Kleidungsstücke, die da an den quer über die Straße gespannten Leinen hängen, schauen schon arg nach Dekoration aus…

Eindeutig Neapel: Altstadtgassen…
…rund um die Via dei Tribunali

An der Piazza Cardinale Sisto Riario Sforza, direkt neben dem derzeit verhüllten barocken Obelisco di San Gennaro und gegenüber den Kolonnaden der durch ein Caravaggio-Gemälde bekannten Barockkapelle Pio Monte della Misericordia, legen wir in der nicht zufällig so benannten Pizzeria Trattoria Caravaggio eine Mittagspause ein – selbstverständlich gibt es heute, in der Heimatstadt der Pizza, eine nach original neapolitanischem Rezept zubereitete klassische Pizza Margherita

Gerade verhüllt: Heiligenstatue auf dem Obelisco di San Gennaro
Auf der Piazza Cardinale Sisto Riario Sforza

Gleich um die Ecke steht das wichtigste Kirchengebäude Neapels, der Duomo di Santa Maria Assunta. Die aus gotischer Zeit stammende, später teilweise barockisierte Kathedrale beeindruckt wesentlich stärker als durch die vergleichsweise schlichte Hauptfassade mit den prächtigen Innenräumen und nicht zuletzt der wunderschönen, detailreich verzierten Krypta, deren heutige Ausstattung auf die Renaissance zurückgeht.

Vergleichsweise schlicht: Fassade des Duomo di Santa Maria Assunta
Feierlich-barocker Innenraum des Doms…
…und die würdevolle Renaissance-Krypta

Die sechs, sieben Stunden, die wir für unseren Neapel-Besuch zur Verfügung haben, reichen natürlich nicht annähernd aus, um die unzähligen Sehenswürdigkeiten dieser faszinierenden und so vielfältigen Stadt kennenzulernen. Vorbei am spätbarocken Santuario di San Gaetano Thiene erreichen wir am westlichen Ende der Via dei Tribunali die Piazza Vincenzo Bellini. Auf dem nach einem Komponisten benannten Platz erhebt sich interessanterweise die Statue eines Malers, nämlich von Alfonso Balzico. Besonders auffällig sind hier, mitten in der Altstadt, aber die bei archäologischen Arbeiten freigelegten Mauerreste aus der Zeit der griechischen Besiedlung Neapels, die auf das 4. vorchristliche Jahrhundert datiert werden.

Spätbarock: Santuario di San Gaetano Thiene
Altgriechische Mauerreste an der Piazza Vincenzo Bellini

Wir wenden uns nun südwärts, laufen die Via San Sebastiano und die Via Santa Chiara entlang und entdecken dabei immer wieder neue beeindruckende Baudenkmale. Besonders lohnenswert: ein kurzer Abstecher zur Piazza del Gesú Nuovo, wo sich mit der prunkvollen Säule Guglia dell’Immacolata und der Jesuitenkirche del Gesù Nuovo, deren dunkelgraue Schaufassade aus in Diamantform gehauenen Bossensteinen besteht, zwei besonders sehenswerte Objekte befinden. Auch einen kurzen Blick in die zweite Hauptachse der Altstadt, die als Spaccanapoli bekannt ist, können wir im Vorbeigehen werfen.

Piazza del Gesú Nuovo
…mit der gleichnamigen Jesuitenkirche
Neapels historische Hauptachse Spaccanapoli

An der Piazza Giovanni Bovio, die vom repräsentativen neuklassizistischen Sitz der neapolitanischen Industrie- und Handelskammer beherrscht wird, haben wir die schmalen Gassen der Altstadt hinter uns gelassen. Mit der Metro, deren sehr modern gestaltete Stationen eine ganz andere Facette der Stadt vermitteln, kürzen wir den Weg bis zur Via Toledo ab – die Haupteinkaufsstraße der Stadt, die von der Altstadt in Richtung Hafen führt. Hier fühlen wir uns wie in vielen anderen europäischen Fußgängerzonen – allerdings muss man nur in eine Seitengasse einbiegen, um schnell wieder das vertraute Neapel-Gefühl zu erhalten. Auch ein Blick auf das Angebot der Souvenirläden hilft: Wo, außer in dieser Stadt, dominiert das Trikot eines längst nicht mehr aktiven, inzwischen sogar verstorbenen Fußballstars die Auslagen? Maradona-Devotionalien sind überall in Neapel zu erhalten – nach dem Tod des argentinischen Ballkünstlers ist die Apotheose in vollem Gange, inzwischen sind auch schon T-Shirts mit der Aufschrift D10S, einer Mixtur aus dem spanischen Wort für Gott und Maradonas Rückennummer, auf dem Markt…

Piazza Giovanni Bovio mit dem Reiterstandbild von König Viktor Emanuel II.
Moderner Kontrast im Untergrund: Metro-Stationen Università
…und Toledo
In Neapels Einkaufsmeile Via Toledo
Auf dem besten Weg zum neuen Stadtheiligen: Maradona-Souvenirs

Am südlichen Ende der Via Toledo haben wir die Galleria Umberto I erreicht. Die mit einer großen Glaskuppel überspannte elegante Einkaufspassage, die nach dem Vorbild der Mailänder Galleria Vittorio Emanuele II von 1887 bis 1890 errichtet wurde, lädt nicht nur zum entspannten Bummeln ein, sondern verleitet uns auch zu einer Kaffeepause – wir sind ja inzwischen schon ein ordentliches Stück durch die Stadt gelaufen.

Prachtportal zum Konsumtempel…
…elegante Glaskuppel…
…und stilvolle Einkaufspassagen in der Galleria Umberto I
Hier lacht selbst der Kaffee…

Doch Neapel hat gerade in dieser Ecke noch mehr zu bieten. Das 1737 eröffnete, 1816 nach einem Brand modernisierte Opernhaus Real Teatro di San Carlo gehört zu den angesehensten seiner Art in Europa. Von hier sind wir über die Piazza Trieste e Trento, in deren Mitte die mächtige, erst 1956 gebaute Fontana del Carciofo (Artischockenbrunnen) rauscht, schnell auf der Piazza del Plebiscito angekommen. Sie unbedingt zu besuchen, hat uns noch kurz vor der Abreise unser lokaler Pizzabäcker Franco dringend empfohlen – wie so viele seiner Berufskollegen ist auch er Süditaliener und damit quasi automatisch Neapel-Experte.

Stätte der Hochkultur: Real Teatro di San Carlo
Fontana del Carciofo an der Piazza Trieste e Trento

Dieser gewaltige Platz, der nicht weniger als 23.000 m² überspannt, ist von ebenso monumentalen Bauwerken umgeben. Im Westen erhebt sich über der neoklassizistischen Fassade der Kirche San Francesco di Paola eine gewaltige Kuppel, flankiert von langgezogenen halbkreisförmigen Kolonnaden und bewacht von zwei Reiterstatuen der Bourbonenkönige Karl III. und Ferdinand I. Genau gegenüberliegend erstreckt sich der ähnlich langgezogene, zwischen 1600 und 1620 entstandene Palazzo Reale, später mehrfach aus- und umgebaut. Und auch im Norden und Süden der Piazza stehen mit dem Palazzo della Foresteria, Sitz der neapolitanischen Präfektur, und dem neoklassizistischen Palazzo Salerno auffällige und einem solchen Schaufenster der Stadt würdige Gebäude.

1836 fertiggstellt: Kirche San Francesco di Paola
Direkt gegenüber: Palazzo Reale
An der Südseite der Piazza: Palazzo Salerno
Sitz der Präfektur von Neapel: Palazzo della Foresteria

Überragt wird die Piazza del Plebiscito im Nordwesten vom Vomero, einem mit einem Weinberg bepflanzten Hügel, auf dessen Gipfelplateau sich mit dem barocken Kloster Certosa di San Martino und dem im 14. Jahrhundert errichteten Castel Sant’Elmo zwei weitere herausragende Sehenswürdigkeiten dieser Stadt befinden, die wir – es wird allmählich Abend – allerdings nur von Weitem bewundern können.

Piazza del Plebiscito von Süden mit Castel Sant’Elmo und Certosa di San Martino auf dem Vomero im Hintergrund

Bevor wir mit der U-Bahn aber zurück an den Hauptbahnhof fahren, statten wir noch dem mit mächtigen Wehrtürmen ausgestatteten, Ende des 13. Jahrhunderts errichteten Castel Nuovo, nicht weit vom Fährhafen entfernt, einen Besuch ab.

Imposanter mittelalterlicher Wehrbau: Castel Nuovo

Dass wir den Rückweg nach Pompei nicht wieder mit einem Nahverkehrszug, sondern mit einer S-Bahn antreten, bemerken wir erst, als uns klar wird, dass unsere Aussteigestation nicht der ziemlich zentrale Hauptbahnhof der Stadt ist, sondern die zwei Kilometer außerhalb des Zentrums gelegene Stazione Pompei Scavi Villa Dei Misteri. Es ist schon nach neun Uhr abends, als wir ankommen. Busse fahren um die Zeit nicht mehr, vielleicht aber ein Taxi? Wir müssen ein paar Leute fragen, ehe jemand uns weiterhelfen kann – aber als das Taxi dann vor Ort ist, will der Fahrer für die ziemlich kurze Strecke doch glatt 15 Euro. Damit sind wir nicht einverstanden, er mit weniger aber auch nicht. Das Ende vom Lied: Wir laufen, und auch Margitta, die zuvor wegen ihres vor einem Dreivierteljahr gebrochenen Fußes Bedenken hatte, schafft den Weg letztendlich ganz gut.

Als wir am Morgen darauf im Gioielli House gefrühstückt haben, dauert es nur einen viertelstündigen Fußmarsch bis zum nächstgelegenen Eingang zur weltberühmten Ausgrabungsstätte Pompeji, der römischen Stadt, die im Jahre 79 von einem verheerenden Ausbruch des nahen Vesuv für mehr als eineinhalb Jahrtausende verschüttet worden war. Die vier Stunden, die wir in der Ruinenstadt verbringen, sind gespickt mit hochinteressanten Relikten aus der Blütezeit des Römischen Reichs, die hier in einer Zeitkapsel überdauert haben und heutzutage eine unvergleichlich anschauliche Vorstellung vom Alltag der damaligen Menschen vermitteln. Erste unübersehbare bauliche Attraktion nach dem Betreten des Geländes: das 20.000 Plätze bietende Amphitheater. Gleich daneben befindet sich die riesige Palestra Grande, ein zum Sporttreiben angelegter, von Säulengängen umgebener rechteckiger Platz.

Erster Anlaufpunkt in Pompeji: das Amphitheater
…mit Platz für 20.000 Zuschauer
Viel Platz zum Sporttreiben bot die Palestra Grande

Anschließend laufen wir über die Via dell’Abondanza an den verschiedensten Häusertypen vorbei: Villen vornehmer Patrizier, Backstuben, Tavernen und Schnellküchen finden sich hier ebenso wie Bordelle. Fresken mit den Darstellungen von Göttern, kunstvolle Bodenmosaiken und Graffitis an Wänden, mit denen unter anderem Wahlwerbung für verschiedene politische Ämter gemacht wurde, zeigen sich in erstaunlich gut erhaltenem Zustand.

Großzügige Patrizierhäuser wie die Villa di Giulia Felice
…die Casa del Menandro
…oder die Casa degli Amorini Dorati
…Statue in der Casa del Fauno
…Wohn- und Geschäftsgebäude entlang der…
Via dell’Abondanza
…mit antikem Zebrastreifen…
…Suppenküche…
…kleiner Innenhof…
…berühmtes Bodenmosaik Cave Canem
…Fresken mit Götterbildern…
…reich bemalte Innenwände…
…und Werbeaufschrift
Blick über die Mauern von Pompeji

Besonders dicht stehen die Sehenswürdigkeiten von Pompeji rund um das Forum – der Apollotempel im Westen, die Thermen und der Nerobogen im Norden und die vom Macellum, der antiken Markthalle, dem Vespasian-Tempel und dem Eumachia-Gebäude gebildete Ostseite des Platzes sind allesamt einen näheren Blick wert.

Der Vicolo del Foro führt durch den Nerobogen
…zum Forum mit den Thermen…
…dem Macellum
…und dem Apollotempel hinter der modernen Zentauren-Statue von Igor Mitoraj
Panorama des Forum mit dem Vesuv
Die Ausgrabungen sind noch längst nicht beendet…

Man könnte hier locker noch mehr Zeit verbringen. Doch unsere Stunden in Pompeji sind begrenzt: Gegen 14.30 Uhr verlassen wir die Stadt – wir müssen an den Flughafen, wo wir unseren Renault Twingo beim Autovermieter zurückgeben und bei Lufthansa einchecken. Im Unterschied zum Hinflug vor einer Woche verläuft heute alles reibungslos, und damit sind wir kurz vor halb neun Uhr abends zurück in München und gegen 22 Uhr schließlich auch wieder zuhause in Donaumünster.

Durchs Flugzeugfenster schimmern die Alpengipfel im letzten Abendlicht