Chaniá.

Dem Wetterbericht zufolge soll der heutige Tag der beste während der Zeit sein, die wir in der Gegend von Chaniá verbringen. Wenn wir also mal im gebirgigen Hinterland, in den Weißen Bergen, wandern gehen wollen, dann heute! Dazu bietet sich eine kleine Rundtour an, die uns von Chaniá direkt in den Süden führt und unterwegs rund um Fournés durch ausgedehnte Zitrusplantagen – vor allem Orangen und Zitronen werden hier in großem Stil angebaut – führt.

Mit unserem Peugeot 108 unterwegs…
…in den Orangenhainen bei Fournés

In Mesklá halten wir das erste Mal an: Die Panagiá-Kirche am Ortsende beeindruckt mit seiner großen Kuppel und den Doppeltürmen, auch wenn sie leider zugesperrt und damit innen nicht zu besichtigen ist. Eine Info-Tafel am Parkplatz informiert über weitere interessante Punkte – in erster Linie fällt uns die Sarakina-Schlucht auf, die sehr pittoresk zu sein scheint. Sie beginnt nur einige hundert Meter hinter dem Dorf im Wald – wir stellen das Auto am Straßenrand ab, laufen ein bisschen der Beschilderung nach und stellen bald fest, dass der Weg Richtung Schlucht weiterführt bis nach Zoúrva – ein kleines, abgeschiedenes Bergdorf, das aber ein auch von unserer Servicekraft Olga empfohlenes Restaurant beherbergt. Die Entfernung: knapp vier Kilometer, bei 370 Metern Höhenunterschied also problemlos zu Fuß hin und zurück zu bewältigen.

Beeindruckende orthodoxe Panagía-Kirche in Mesklá
Macht einen idyllischen Eindruck: Weg zur Sarakina-Schlucht

Nur unser Auto steht direkt nach einer Serpentine an der engen Bergstraße nicht gerade günstig. Also fahren wir zurück zum Parkplatz an der Kirche und laufen von dort los – als wir nach wenigen hundert Metern die engste Stelle der Sarakina-Schlucht erreichen, sind wir uns sicher, dass es kein Fehler war, kurzfristig von hier statt, wie vorher vorgesehen, von Thériso auf der anderen Seite des Bergkamms in Richtung Zoúrva zu wandern. Spektakulär verengt sich der derzeit noch trocken liegende Flusslauf und lässt teilweise nur einen schmalen Spalt zwischen den beiden gegenüberliegenden Felswänden frei, durch den man sich den Weg über große Felsbrocken bahnen muss. Eine wilde, ursprüngliche Landschaft! Hinter der Schlucht verläuft der Wanderweg überwiegend auf schmalen Pfaden oder auf landwirtschaftlichen Fahrwegen, fast stetig ansteigend und über weite Strecken durch ausgedehnte Olivenhaine. Die Ernte ist gerade im Gang, wie nicht nur durch vereinzelte Stimmen und Maschinengeräusche in der ansonsten sehr stillen Berglandschaft erkennbar ist, sondern auch anhand der großflächigen Netze, die sich über die Hänge spannen und die vom Baum fallenden reifen Früchte auffangen.

In der passenden Kleidung beginnt unsere Wanderung…
…durch das bizarr ausgewaschene Felsenlabyrinth der Sarakina-Schlucht
Mächtige Felsblöcke stellen sich uns in den Weg
Allmählich verschwinden die Felswände…
…und es geht weiter bergauf auf schmalen Waldwegen
Viele Olivenhaine säumen den Wegesrand
Manchmal sehen wir auch uralte knorrige Exemplare
Die Ölfrüchte werden allmählich reif
Wir wandern durch eine stille Berglandschaft

Nach etwa eineinhalb Stunden in Zoúrva angekommen, freuen wir uns auf ein gutes Mittagessen im einzigen Lokal des kleinen Dorfes – doch leider werden wir enttäuscht: Das Restaurant ist geschlossen. Zum Glück haben wir für solche Fälle eine Notration an Snacks im Rucksack. So leiden wir zumindest keinen Hunger, genießen in einem kleinen Park das angenehme Wetter und treten dann den Rückweg an, der uns dank einer Variante zum Schluss einmal quer durch Mesklá führt – mit dem Nebeneffekt, dass man die ein oder andere Frucht am Wegesrand mitnehmen kann: Abgefallene Orangen oder Pampelmusen verfaulen hier genauso unbeachtet wie in unseren Breitengraden Äpfel.

In Zoúrva rasten wir in einem kleinen Park…
…mit schönem Blick auf die umgebende Berglandschaft
In Mesklá tragen die Bäume reiche Früchte: Grapefruits…
…Kakis…
…und Orangen

Über ein schmales Bergsträsschen, auf unzähligen Serpentinen erreichen wir nun auch mit dem Auto Zoúrva und danach über einen Pass im Nachbartal das Dorf Thériso, bekannt für die wichtige Rolle als Hauptquartier des Aufständischen Elefthérios Venizélos, der von hier aus 1905 die Vereinigung Kretas mit dem griechischen Mutterland und damit das Ende der Zwischenphase unter dem Regime des Prinzen Georg nach dem Abzug der osmanischen Besatzung einleitete und später griechischer Ministerpräsident war. Hier gibt es einige Tavernen, die auch nachmittags offen haben; gut für uns, denn wir haben jetzt schon ordentlichen Hunger. Das Angebot ist für die kretische Dorfküche typisch, nämlich sehr herzhaft – wir entscheiden uns für die Taverna Antartis und wählen dort geräuchertes Schweinefleisch, Bratwurst und Stáka, einen warm servierten lokalen Weichkäse. Die anschließende Weiterfahrt nach Chaniá ist landschaftlich noch sehr schön, da sie durch die langgezogene, von steilen Felswänden flankierte Thériso-Schlucht führt.

Thériso: Denkmal für den Nationalhelden Elefthérios Venizélos
Das Bergdorf wirkt schon fast museal…
…doch in der Taverna Antartis gibt es deftige kretische Dorfküche
Auf der Rückfahrt…
…Richtung Chaniá…
…durchqueren wir die enge Thériso-Schlucht
…die von Bergziegen bewacht wird

Als wir am Dienstag unser Mietauto übernommen haben, hat uns der freundliche Angestellte im Büro gleich einige Tipps aufgeschrieben – unter anderem hat er uns zum Sonnenuntergang das Koukouvaya Musik-Café empfohlen, das unweit des Venizélos-Grabmals am Stadtrand von Chaniá hoch über dem Meer mit fantastischem Blick auf die Stadt liegt. Den Sonnenuntergang selbst verpassen wir zwar, aber immerhin dämmert es noch, sodass wir hier oben den Tag tatsächlich mit einem herrlichen Panorama bei auch wieder etwas wärmeren Temperaturen als Thériso, wo es mit der Zeit doch unangenehm kühl geworden war, beschließen.

Hoch über Chaniá…
…erleben wir im Café Koukouvaya die Blaue Stunde