Galende.

Der Karsamstag ist ein weiterer Frühlingstag wie aus dem Bilderbuch. Von Peñausende führt unser Weg weiter in den Nordwesten Spaniens. Ist die Landschaft zunächst noch flach, wird sie allmählich immer hügeliger. Ein paar Stauseen deuten an, dass diese Region für spanische Verhältnisse recht wasserreich ist. Vorbei an der Provinzhauptstadt Zamora erreichen wir nach knapp zwei Stunden Fahrzeit den etwa 1.400 Einwohner zählenden Ort Puebla de Sanabria und sind auch hier nach wie vor in Kastilien-León.

Unterwegs überqueren wir den zur Presa de Ricobayo aufgestauten Esla

Das Zentrum des mittelalterlichen Städtchens befindet sich auf einem steilen, recht schmalen Felsrücken, der sich zwischen den Zusammenfluss von Río Tera und Río Castro schiebt. Eine strategisch außerordentlich günstige Lage – das erkannten bereits die Grafen von Benavente, die hier im 15. Jahrhundert an die Stelle einer kleineren, auf das 12. Jahrhundert zurückgehenden Burganlage eine massive Befestigung errichteten. Umso mehr, als die Grenze zu Portugal hier nahe ist: Die Bezirkshauptstadt Bragança im Nordosten des Nachbarlandes liegt gerade einmal gut 40 Kilometer entfernt. Dementsprechend sind hier neben Spaniern auch zahlreiche Wochenendausflügler aus dem Nachbarland unterwegs. Touristen aus anderen Ländern, auch Deutsche, verirren sich dagegen kaum in diesen entlegenen Winkel Spaniens. Schade, wie wir finden!

Hoch über dem Río Tera erhebt sich das…
Castillo de los Condes de Benavente

Wir steigen über zahlreiche Treppen den Burgfelsen hinauf und sind damit im Nu am Castillo de los Condes de Benavente angekommen, dem wir gleich einen Besuch abstatten. Der wehrhafte Bau bietet neben einigen Informationstafeln zu Geschichte und Kultur der Region an den Zinnen seiner Türme wunderbare Ausblicke über den kleinen Ort und die hügelige Umgebung.

Hinter massiven Festungsmauern…
…erhebt sich als Hauptturm der Torre del Homenaje
Von hier oben schweift der Blick weit über Stadt…
…und Land
Die Gigantes werden hier alljährlich bei Prozessionen durch den Ort getragen

Nur ein paar Schritte sind es von der Burg auf die ebenso original mittelalterlich wirkende Plaza Mayor. Obwohl sie so aussieht, als sei sie das älteste Bauwerk am Platz, ist die zauberhaft verwunschene Ermita de San Cayetano erst in der Barockzeit entstanden und damit deutlich jünger als die zur gleichen Zeit zwar erneuerte, aber romanische Ursprünge aufweisende Iglesia de Nuestra Señora del Azogue. Ein weiteres dominantes Gebäude ist das Rathaus, ein ehemaliger Adelspalast aus dem 15. Jahrhundert.

Ermita de San Cayetano
Iglesia de Nuestra Señora del Azogue
Rathaus an der Plaza Mayor

Neben diesen besonders herausragenden Denkmälern überzeugt der Ortskern von Puebla de Sanabria vor allem durch seine Harmonie, denn die zahlreichen jahrhundertealten Häuser mit Natursteinfassaden und Holz- oder schmiedeeisernen Balkonen vermitteln das stimmige Bild eines altehrwürdigen spanischen Landstädtchens.

Uralte Pflasterstraße: Calle Costanilla
Traditionelle Fassaden an der Plaza Armas
Natursteinmauern dominieren Puebla de Sanabrias Ortsbild

Von hier sind es nur noch wenige Kilometer bis nach Galende, unserem nächsten Übernachtungsort – ein kleines Straßendorf, in dem wir im Hostal Los Chanos El Ruso ein Zimmer für zwei Nächte beziehen. Es liegt nur noch eine kurze Fahrstrecke entfernt vom Lago de Sanabria. Im Parque Natural del Lago de Sanabria y Alrededores gelegen, ist der Gletschersee, obwohl nur etwa 3,5 km² bedeckend, der größte natürliche See Spaniens, sieht man von einer Lagune bei Valencia ab, die in früheren Jahrhunderten mit dem Meer verbunden war. Wir nutzen das schöne Wetter am Spätnachmittag gleich noch zu einem Abstecher dorthin, landen letztendlich aber im etwas westlich des Sees gelegenen Ribadelago Viejo, wo wir uns nahe des hier in der Sierra Segundera entspringenden Río Tera auf einer Wiese in die warme Spätnachmittagssonne legen.

An den Ufern des Río Tera
…gibt es große Kuhweiden…
…und Bademöglichkeiten
Auch wir finden ein sonniges Plätzchen

Am Ostersonntag sind wir nach dem Frühstück schon bald wieder unterwegs zum See. Diesmal stellen wir unser Fahrzeug aber direkt am Lago de Sanabria ab und schnüren unsere Wanderstiefel: Wir nehmen die Umrundung des auf 1.000 Meter Meereshöhe gelegenen Bergsees in Angriff. Der abwechslungsreiche Wanderweg mit dem Namen Senda del Lago y Los Monjes führt zunächst ufernah durch Wald und grobes Felsgeröll, das der in der Würm-Eiszeit entstandene Gletscher hinterlassen hat.

Wir starten unsere Wanderung um den Lago de Sanabria
…und kommen zunächst an großen Felsbrocken vorbei
Viele sind von Moos und anderen Pflanzen bedeckt
Wir überqueren den Río Tera
…und laufen teilweise direkt am See entlang

Einige kleine sandige Strandabschnitte passierend, steigt die Route später etwa 300 Meter bergan. Dabei verlassen wir das Seeufer, das hier recht steil ist, und erreichen schließlich den Ort San Martín de Castañeda. Hier wird uns der Sinn des zweiten Teils des Namens, den unsere Wanderrunde trägt, klar: Beherrschendes Bauwerk des Dorfes ist die altersgraue, auf das 13. Jahrhundert zurückgehende ehemalige Zisterzienserabtei Monasterio San Martín de Castañeda. Der Legende nach nahmen die Mönche früher den heute von uns begangenen Weg, um zum Fischen zum See zu gelangen.

Danach geht es bergauf…
…nach San Martín de Castañeda
Beherrscht das Ortsbild: Monasterio San Martín de Castañeda

Wir freuen uns am Ortsrand über den tollen Ausblick auf See und das umgebende Bergland, den wir vom passend zu dieser Geschichte Mirador de los Peces (Aussichtspunkt auf die Fische) genannten Felsvorsprung genießen. Da der jedoch direkt an einer Straße liegt, laufen wir noch ein Stück weiter, ehe wir unsere Picknickdecke auf einem großen Felsbrocken ausbreiten und eine Mittagsrast einlegen.

Weiter Blick über den Lago de Sanabria

Gerade haben uns vorbeiziehende Wanderer noch gewünscht: „Genießt die Sonne!“, als wir plötzlich durch ein raschelndes Geräusch aufgeschreckt werden. Vor uns steht – ein ziemlich großer Hund, der sich zwar überhaupt nicht aggressiv verhält, uns aber treuherzig bis flehend anschaut. Er hat natürlich unsere mitgebrachte Brotzeit erschnuppert und weicht nicht von unserer Seite, bis wir ihm ein paar Scheiben Salami spendieren. Als wir dann wieder aufbrechen, wirkt er ziemlich eingeschüchtert und trollt sich schnell ins Gebüsch. Ist er, obwohl er gar nicht so ungepflegt aussieht, verwildert?

Picknick mit Ausblick…
…und mit bettelndem Hund!

Der hier beginnende Abstieg durch felsiges, immer wieder von kleinen Wasserläufen durchzogenes Gelände bietet mit die spektakulärsten Szenerien auf unserer Runde um den See. Sprudelnde Bäche und kleine Wasserfälle, bizarre Felsformationen und verwitterte Steinmauern – die Landschaft bis Ribadelago Viejo hat wirklich viel zu bieten.

Vom Gletscher bearbeitete Felsformationen…
…in bunten Farben…
…gigantische Felsbrocken an den Hängen…
…Frühlingseinzug im Bergwald…
…sprudelnde Bachläufe….
…mit unumgänglichen Durchquerungen…
…rauschende Wasserfälle…

Den letzten Abschnitt legen wir dann in unmittelbarer Seenähe auf der Straße zurück. Als wir nach 14 Kilometern wieder zurück an unserem Ausgangspunkt sind, können wir mit Fug und Recht behaupten, dass diese Region wunderschön ist. Und um das herauszufinden, haben wir noch nicht einmal die von den Tagesausflüglern so beliebte Fahrt mit dem Glasbodenboot mitmachen müssen…

Zurück am Seeufer
Viel gesehen – auch ohne Fahrt mit dem Glasbodenboot