Bilbao.

Es ist Sonntagnachmittag, als wir von Kantabrien kommend nach gut eineinhalb Stunden die größte Stadt des Baskenlands erreichen: Bilbao. Der 350.000 Einwohner zählende Ort, der zusammen mit seinen ausgedehnten Vororten fast auf eine Million Menschen kommt, liegt zwar 16 Kilometer vom offenen Meer entfernt, doch bereits hier ist der Einfluss des Atlantiks durch die Gezeiten spürbar – der Flusslauf des Nervión geht im Stadtgebiet in den fjordähnlichen Ría de Bilbao über.

Noch Río Nervión oder schon Ría de Bilbao?

Wir fahren gar nicht erst zu unserem Hotel, sondern steuern gleich direkt den zweifelsohne bekanntesten touristischen Anziehungspunkt Bilbaos an – das Guggenheim-Museum, das zwischen 1993 und 1997 von der Solomon R. Guggenheim-Stiftung in Auftrag gegeben und vom amerikanischen Architekten Frank O. Gehry spektakulär in schiffsähnlichen Formen mit titan- und glasglänzender Außenfassade direkt am Flussufer errichtet wurde.

Über einen Seiteneingang erreichen wir das Guggenheim-Museum

Der Grund für die Eile ist einfach: Montags hat selbst dieses Haus, wie fast alle Museen, seine Pforten geschlossen. So verschaffen wir uns in den folgenden zweieinhalb Stunden einen Eindruck von den auf drei Etagen ausgestellten Beispielen moderner Kunst aller Epochen des 20. Jahrhunderts. Nicht alles, was wir hier sehen, ist für uns ohne Weiteres zu deuten und zu verstehen, doch bietet die Ausstellung, die den einzelnen Bildern sehr viel Raum lässt, auf jeden Fall Gelegenheit, sich Eindrücke von den unterschiedlichen stilistischen Entwicklungen dieses Zeitraums zu verschaffen.

…und denken über die  Kunstwerke nach

Leichter zugänglich und dementsprechend auch besonders stark vom Publikum frequentiert ist die zweite Etage des Museums, das den Entwicklungen im Design von Automobilen und Konzepten für die Zukunft der Mobilität im 21. Jahrhundert gewidmet ist.

Besonders beliebt: Ausstellung zum Autodesign
Konzepte zur Mobilität der Zukunft…

Sehenswertes gibt es auch im Außenbereich des Guggenheim-Museums zu entdecken: Maman, die neun Meter große Spinnenskulptur von Louise Bourgeois etwa, oder Puppy, die überdimensionale, mit Blumen bepflanzte Hundefigur vor dem Haupteingang, die Jeff Koons gestaltete.

Skulptur aus Stahlhohlkugeln: Tall Tree and the Eye
Riesenspinne Maman
Wacht vor dem Haupteingang: Blumenhund Puppy

Bestens in das architektonische Gesamtkonzept fügt sich dazu die Puente La Salve ein: Die Schrägseilbrücke bestand allerdings schon seit 1972, der Museumsbau duckt sich teilweise unter seine Pfeiler und ist über eine Fußgängerrampe, die von seinem Vorplatz ausgeht, mit ihr verbunden.

Direkt neben dem Museum: Schrägseilbrücke Puente La Salve

Das zentrumsnahe Sercotel Bilbao, in dem wir am Sonntagabend einchecken, liegt ausgezeichnet, um am Montag die Stadt selbst zu erkunden.

Abendlicher Blick aus dem Hotelzimmer auf die Plaza Arriaga

Die recht kompakte Altstadt beginnt gleich hinter dem Hotel: Die Plaza Nueva ist ringsum von Arkadengängen gesäumt, unter denen sich zahlreiche Restaurants und Tapas-Bars (in Baskenland heißen die kleinen Happen übrigens Pintxo und sind kulinarisch häufig wesentlich raffinierter zubereitet) angesiedelt haben.

Vormittägliche Ruhe auf der Plaza Nueva

Ein weiterer schöner Platz ist nur ein paar Häuserecken entfernt – die Plaza Miguel Unamuno, von Museen und Bars umrahmt und mit einer breiten Treppe als Blickfang, die einen Berg bis zur Basilika Begoña hinaufführt.

Bunte Plaza Miguel Unamuno

Den Weg zu dieser spätgotischen Kirche sparen wir uns; wir passieren die gotische Catedral de Santiago, laufen dann im Zickzack durch die Siete Calles (sieben Gassen), das mittelalterliche Herzstück der Altstadt, in denen sich früher die Handwerker nach Zünften getrennt angesiedelt hatten, und bewundern an ihrem südlichen Ende den großen, 1929 an der Stelle der einstigen Plaza Vieja errichteten Mercado de la Ribera, der als „umfassendster Stadtmarkt der Welt“ einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde erhielt. Am Montagvormittag herrscht in seinem Inneren allerdings noch dezente Ruhe.

Bilbaos gotische Catedral de Santiago
Schmale Altstadtgässchen: die Siete Calles
…mit farbenfrohen…
…Fassaden
Wäscheständer a la Bilbao
Markthalle Mercado de la Ribera
…mit bemerkenswerter Hauptfassade
Originelle Deckenmalereien in der gegenüberliegenden Arkade

Um auch die weiteren, weitläufigen Stadtviertel Bilbaos kennenzulernen, steigen wir anschließend wieder mal auf die Räder. Die Stadt ist dafür perfekt ausgerichtet – überall sind Radwege ausgewiesen, Stadtteile wie Abando, das in einer breiten Flussschleife der Altstadt gegenüber liegt, lassen sich so bequem durchstreifen.

Mit den Fahrrädern erkunden wir Bilbao
Wunderschöne Modernisme-Fassade: FEVE-Bahnhof

Was uns schon morgens beim Blick aus dem Hotelfenster – übrigens direkt auf das Teatro Arriaga, die Puente del Arenal und den im Modernismo gestalteten FEVE-Bahnhof – aufgefallen ist: Im Baskenland sind politische Kundgebungen nichts Ungewöhnliches. Zog da ein kleiner Zug von Demonstranten einer Gewerkschaft, der dafür mit lautstarker Musik auf sich aufmerksam machte, über die Brücke, ist es jetzt eine Pensionistengruppierung, die vor dem Rathaus auf die sozialen Nöte der Senioren aufmerksam macht.

Morgens: Eine Handvoll Gewerkschafter demonstriert…
…mittags: Pensionisten veranstalten vor dem Rathaus eine Kundgebung

Wir fahren daran vorbei und haben schon bald die Talstation der Funicular de Artxanda erreicht: Mit dieser seit 1915 verkehrenden Standseilbahn werden wir in wenigen Minuten zum gleichnamigen Aussichtsberg gebracht. Von dort oben genießen wir bei wunderbarem Frühlingswetter einen herrlichen Panoramablick über die Stadt.

Talstation der Funicular de Artxanda
Mit der Standseilbahn überwinden wir 226 Höhenmeter
Oben lockt ein Aussichtspunkt…
…mit herrlichen Panoramen…
…über die wunderbar gelegene Stadt

Über die weiße Brücke (baskisch Zubizuri) wechseln wir das Südufer des Flusses. Durch viel Grün und entlang avantgardistischer Gebäude wie dem Kulturzentrum Palacio Euskalduna oder dem Itsasmuseum, das auf dem ehemaligen Hafengelände die Geschichte der Schifffahrt in der durch Stahl- und Chemieindustrie im späten 19. Jahrhundert rasant gewachsenen baskischen Metropole nachzeichnet, erreichen wir das erhöht über dem Fluss stehende Estadio de San Mamés, die 2013 an der Stelle des Vorgängerbaus eröffnete Heimspielstätte von Athletic Bilbao.

Über die Zubizuri geht es auf die andere Flussseite
Seit 1999 an der Stelle einer Werft: Palacio Euskalduna

Ein bekannter spanischer Erstligaverein, aber einer mit einer ganz besonderen Vereinspolitik: Seit eh und je spielen ausschließlich Spieler, die aus dem Baskenland stammen, für den Club. Die Identifikation mit dem Verein ist nicht zuletzt deswegen bei Spielern und Fans besonders stark ausgeprägt. Interessant, dass Athletic Bilbao seit der Gründung der spanischen ersten Liga 1928 mit von der Partie und noch nie abgestiegen ist…

53.000 Zuschauer passen ins Estadio de San Mamés
…das sich direkt an der Ría de Bilbao befindet

Bei der weiteren Runde durch die Stadt kommen wir noch an einem hochinteressanten Gebäude vorbei – das Azkuna Zentroa, ein Kunst- und Veranstaltungszentrum, wurde innen unter Leitung eines französischen Stararchitekten komplett umgestaltet, während die Außenfassaden des früheren riesigen Getreide- und Weinlagers namens Alhóndiga erhalten blieben.

Früher als Lagerhalle Alhóndiga bekannt…
…heute das Kunst- und Veranstaltungszentrum…
Azkuna Zentroa

Im Stadtpark von Bilbao, dem Parque de Casilda Iturrizar, genießen wir anschließend die angenehmen Temperaturen an diesem Apriltag, ehe wir unsere Erkundung von Bilbao abrunden, indem wir den Abend mit einigen Pintxos an der Plaza Nueva beschließen.

Grüne Lunge Bilbaos: Parque de Casilda Iturrizar
Typisch fürs Baskenland:
Leckere Pintxos
Abends ist was los…
…auf der Plaza Nueva