Donostia-San Sebastián.

Es ist ein sonniger Frühlingsmorgen, als wir am Dienstag Bilbao verlassen, um unsere Erkundungen im Baskenland fortzusetzen. Über die – hier gebührenpflichtige – Autobahn fahren wir eine gute Stunde ostwärts, ehe wir in Zarautz einen Zwischenhalt einlegen. Gut 23.000 Einwohner leben in dem Städtchen an der Atlantikküste, das im Sommer dank seines zweieinhalb Kilometer langen, breiten Sandstrandes und der guten Brandung bei Badeurlaubern genau wie bei Surfern große Beliebtheit genießt. Doch auch heute, an einem ganz normalen Wochentag Ende April, ist schon einiges los am Strand, als wir – gerade angekommen – ein bisschen hier entlangflanieren.

Am kilometerlangen Strand von Zarautz…
…haben sich schon ein paar Badegäste eingefunden

Allerdings besitzt Zarautz im Gegensatz zu vielen anderen Ferienorten am Meer auch einen alten, historischen Stadtkern, durch den zu bummeln durchaus lohnenswert ist. Der 1237 gegründete Ort hat mit der Musika Plaza nicht nur einen interessanten Hauptplatz mit einem überdachten Musikpavillon im Zentrum, sondern kann auch sonst auf einige architektonisch beachtenswerte Baudenkmäler verweisen.

Musika Plaza im Herzen der Altstadt
Die Gassen der Innenstadt sind autofrei

So stammt die Pfarrkirche Santa María de la Real ebenso wie der gleich daneben befindliche Palacio de Marqueses de Narros, die an den westlichen Rand der Innenstadt am Fuße eines hier in Richtung Meer vorstoßenden Felsrückens errichtet wurden, aus dem 16. Jahrhundert.

Wuchtige Pfarrkirche Santa María de la Real
Renaissancebau direkt am Strand: Palacio de Narros

Aus derselben Epoche stammt die Casa de Portu, ein weiterer Adelspalast mitten in Zarautz, der heute als Rathaus dient. Ein großes Banner in den ukrainischen Landesfarben mit der baskischen Aufschrift Gerrarik Ez (kein Krieg) zeigt, was die Gesellschaft auch hierzulande in dieser Zeit bewegt.

Rathaus mit Friedensbotschaft: Casa de Portu

Krieg – eine existenzielle Gefahr, die freilich auch die Menschen in lange vergangenen Zeiten schon bedrohte und dafür sorgte, dass sie viel Mühe und Energie für die Anlage von Verteidigungs- und Wehrbauten verwendeten – in Zarautz ist es der Torre Luzea aus dem 15. Jahrhundert, der früher als Wachturm diente.

Spätmittelalterlicher Wachturm: Torre Luzea

Anschließend führt unsere Tagesetappe noch etwa 20 Kilometer weiter durch das grüne baskische Hügelland in Richtung Osten – Donostia-San Sebastián heißt unser Ziel für heute. Die knapp 190.000 Einwohner zählende Stadt an der langgezogenen Atlantik-Bucht La Concha, einst als Kriegshafen von Bedeutung, ist seit Langem ein beliebter Kur- und Badeort und hat inzwischen dank der kreativen Köche auch als Spaniens Feinschmeckeradresse Nummer eins weltweite Bekanntheit erlangt.

Beliebter Badeort am Atlantik: Donostia-San Sebastián

Wir sehen zu, dass wir nach dem Einchecken im Welcome Gros Hotel noch zu einem Mittagessen in einem nahe gelegenen Restaurant kommen: Auch hier, wie schon überall sonst in Spanien, ist wieder ein Drei-Gänge-Menü mit Wasser und Wein im Angebot, die Zubereitung erscheint uns jedoch tatsächlich raffinierter, als wir es aus anderen Regionen gewohnt waren.

Anschließend schnappen wir uns unsere Räder und fahren entlang der kilometerlangen Stadtstrände an der breiten Bucht La Concha, bis wir an ihrem westlichen Ende den Fuß des Monte Igueldo erreicht haben. Entlang der Promenade ist eigens für Fahrräder ein zweispuriger Weg angelegt. So macht Radfahren Spaß! Wie schon gestern in Bilbao wollen wir wieder mithilfe einer historischen Standseilbahn hoch hinauf: Die Funicular de Igueldo ist mit 110 Jahren noch ein bisschen älter und vor allem noch in originalgetreu historisch belassenem Erscheinungsbild.

Ziel unseres Fahrradausflugs: der Monte Igueldo im Westen der Stadt
Die Talstation der Funicular de Igueldo wirkt genauso altehrwürdig…
…wie die Waggons der Standseilbahn selbst

In wenigen Minuten rattern wir hinauf zur Bergstation. Hier wurde ein kleiner Freizeitpark angelegt, der Parque de Atracciones Monte Igueldo – die Fahrgeschäfte haben allerdings geschlossen, ob noch wegen der Pandemie oder weil an einem normalen Wochentag einfach nicht so viele Besucher kommen, dass sich der Betrieb rentieren würde, vermögen wir nicht zu beurteilen. Bars und Imbissbuden sind allerdings durchaus geöffnet…

Oben auf dem Berg: ein kleiner Freizeitpark

Wir sind aber vor allem deswegen hinauf gefahren, um den herrlichen Ausblick zu genießen, der von hier aus über ganz San Sebastián bzw. Donostia (der baskische Name der Stadt) möglich ist. Die langgezogenen Sandstrände, die sich locker vom Meer ins gleich dahinter beginnende Bergland ausbreitenden Stadtteile, die über viele Kilometer bis ins nahe Frankreich hin überblickbare Küstenlinie, vor allem aber das Ensemble aus dem dem Monte Igueldo im Osten der Meeresbucht gegenüberliegenden Monte Urgull mit seiner überdimensionalen Christusstatue und der dazwischen die Bucht vom offenen Meer abschirmenden Isla de Santa Clara bieten dem Auge eine Fülle attraktiver Blickfänge.

Monte Urgull mit der Statue des Sagrado Corazón de Jesús von unten…
…und von oben zusammen mit Isla de Santa Clara
La Concha
Auffällig im Stadtbild: Seminario Diocesano de San Sebastián
Weiter Blick entlang der Küstenlinie nach Westen…

Noch umfassender ist die Aussicht, wenn man den zwar wie ein Wehrturm aussehenden, in Wirklichkeit aber als Leuchtturm errichteten Torreón del Monte Igueldo erklimmt.

Von der Aussichtsplattform auf dem Torreón del Monte Igueldo
…ist das Panorama noch umfassender

Auf dem Rückweg zum Hotel legen wir noch einen Zwischenstopp an der Playa Ondarreta ein und genießen genau wie viele andere Einheimische und Besucher den milden Spätnachmittag – morgen soll sich das Wetter nämlich deutlich ändern, es soll etwa zehn Grad kühler und regnerisch werden.

Zwischenstopp an der Playa Ondarreta

Doch das ist nicht der Hauptgrund, warum unsere Stimmung am Mittwoch in den Keller wandert. Jana spürte schon am Vortag eine Erkältung mit Schnupfen und Halsschmerzen. Bei den starken Wetterschwankungen – am Samstag 4° C in León, 25° C am Montag in Bilbao – eigentlich auch kein Wunder, dachten wir. Doch am Mittwochmorgen sind auch noch starke Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und erhöhte Temperatur dazugekommen; Jana muss den ganzen Tag im Bett bleiben. Ich besorge in einer Apotheke Covid-19-Schnelltests, wenige Minuten später sind an der Anzeige zwei Striche erkennbar; bei mir nur einer, ich zeige auch keine Symptome. Seltsam, wir sind ja beide genesen, geimpft und geboostert… aber gleichzeitig auch noch Glück im Unglück. Eine Fortsetzung der Reise ist unter diesen Umständen nicht mehr machbar und auch nicht sinnvoll, obwohl in Spanien Corona mittlerweile ja jeder anderen Erkältungskrankheit gleichgestellt ist. So treffen wir am Donnerstagmorgen – Jana fühlt sich heute zumindest in der Lage, sich ins Auto zu setzen – die definitive Entscheidung, unsere Reise abzubrechen und die 1.500 Kilometer lange Heimreise in Angriff zu nehmen. Wer weiß denn, ob es mich nicht auch noch erwischt, und dann kann gar keiner mehr fahren…!

Unsere zwei letzten geplanten Stationen, Pamplona und Andorra, müssen wir komplett streichen; da ist es wenigstens ein kleiner Trost, dass die Wettervorhersage auch für die nächsten Tage wenig erfreulich ist…